Aktenzeichen W 5 K 16.30340
Leitsatz
1 Für einen jungen gesunden Mann ist es in einer größeren afghanischen Stadt auch abseits der Herkunftsprovinz möglich, das Existenzminimum zu sichern. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) oder andere schwerwiegende psychische Erkrankungen können nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland dann zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (OVG NRW BeckRS 2004, 25081). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Trotz der schlechten Versorgungslage in Afghanistan muss ein alleinstehender, arbeitsfähiger, männlicher Rückkehrer nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, alsbald nach seiner Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage zu geraten, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 3. März 2016 ist – soweit er angefochten wird – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG (in der ab 6.8.2016 geltenden Fassung des Art. 6 des Integrationsgesetzes v. 31.7.2016, BGBl I S. 1939 ff; § 77 AsylG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschluss-tatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Das AsylG setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) – im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen. Schutz vor Verfolgung kann gemäß § 3d AsylG nur geboten werden vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz zu bieten. Der Schutz muss gemäß § 3d Abs. 2 AsylG wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein. Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e AsylG jedoch nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat, sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes diese Voraussetzungen erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 AsylG die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der RL 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet somit die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris). Wird einem Ausländer auf dieser Grundlage die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, darf er gemäß § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – nicht in den Staat abgeschoben werden, in dem er in der beschriebenen Art und Weise bedroht ist.
Bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Dies setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei ist maßgeblich, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936/940).
b) Der Ausländer muss die geltend gemachten Verfolgungsgründe glaubhaft machen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befindet, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung des Gerichts eine gesteigerte Bedeutung zu. Ein Anspruch auf der Grundlage des § 3 AsylG setzt voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Hierbei ist es seine Sache, unter Angaben von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141.83 – Buchholz § 108 VwGO, Nr. 147). An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht, sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärungen erst sehr spät in das Verfahren einführt (BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BVR 1095/90 – InfAuslR 1991, 94,95; BVerwG, U.v. 30.10.1990 – 9 C 72.89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; s. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95 EU).
c) Gemessen an diesen Maßstäben ist das Gericht der Überzeugung, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht.
Der Kläger hat sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch dem Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2017 seine Flucht aus Afghanistan maßgeblich von einem innerfamiliären Konflikt abhängig gemacht. Zwar werden nach Auskunftslage (UNHCR vom 6.8.2013 und SFH vom 30.9.2013) Blutrache und Sippenhaft durch nichtstaatliche Akteure in Afghanistan praktiziert, ohne dass der afghanische Staat dagegen einschreiten würde oder dies auch nur wollte. Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert aber zum einen bereits am Fehlen eines asylrelevanten Merkmals im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG sowie am insgesamt nicht glaubwürdigen Vorbringen des Klägers in Bezug auf eine selbst erlittene Vorverfolgung in Afghanistan.
aa) Die vorgetragene Gefährdung durch den Bruder der Großmutter des Klägers knüpft nicht an eines der in § 3b Abs. 1 AsylG genannten Rechtsgüter an, auch nicht an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Denn die Voraussetzungen hierfür sind hier nicht erfüllt. Zwar stellt die Familien- oder Sippenzugehörigkeit ein unveränderliches Merkmal in diesem Sinne dar. Es fehlt aber am zusätzlichen Merkmal, dass die gefährdeten Personen aufgrund einer deutlich abgegrenzten Identität von der umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden. Der Kläger würde von dem Bruder seiner Großmutter bzw. dessen Söhnen allein als Angehöriger von seiner Familie bedroht. Nur von diesen, nicht auch von anderen (irgend welchen) anderen Bürgerinnen und Bürgern in Afghanistan wird er in diesem Sinne „unterscheidend“ wahrgenommen (vgl. SH OVG, U.v. 27.1.2006 – 1 LB 22/05 und OVG Hamburg, B.v 5.12.2008 – 5 Bf 45/07.AZ – beide juris).
bb) Der Kläger hat zudem im Laufe seiner Anhörungen und Befragungen zu der angeblichen Familienfehde unglaubwürdige und teils widersprüchliche Angaben gemacht, was nur den Schluss zulässt, dass er nicht über tatsächlich Erlebtes berichtet. Das Vorbringen des Klägers ist bereits hinsichtlich der zeitlichen Einordnung widersprüchlich. So hat der Kläger bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 12. Oktober 2015 angegeben, die Ermordung des Großvaters habe stattgefunden als er ein Jahr oder anderthalb Jahre alt gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2017 hat der Kläger dagegen behauptet, dies sei erst passiert als er etwa vier Jahre alt gewesen sei. Ebenso widersprüchlich sind die Aussagen hinsichtlich des Zeitpunkts der Ausreise aus Afghanistan. Hierzu hat der Kläger beim Bundesamt angegeben, er habe Afghanistan mit seinen Eltern vor neun Jahren – mithin mit einem Alter des Klägers von neun Jahren – verlassen. Demgegenüber hat der Kläger bei Gericht vorgetragen, sie seien bereits aus Afghanistan ausgereist, als er sechs bis sieben Jahre alt gewesen sei.
Zudem ist das Vorbringen des Klägers auch deshalb nicht glaubhaft, da durch die angebliche Ermordung seines Großvaters als unmittelbares Ziel der Rache durch den Bruder der Großmutter dessen Ehre auch wiederhergestellt gewesen wäre, so dass eine Gefahr durch dessen Familie solange nicht bestehen würde, als die Familie des Klägers wiederum nicht Rache nimmt. Eine Gefahr durch die Familie(n) des Mörders seines Großvaters besteht für den Kläger daher jedenfalls solange nicht, wie die Familie des Klägers nicht Rache genommen hat. Nach dem Vortrag des Klägers hat weder sein Vater noch ein sonstiger Angehöriger seiner Familie Rache für den Tod seines Großvaters genommen hat. Der Kläger ist daher nicht als durch Sippenhaft oder Blutfehde gefährdet anzusehen.
Entscheidend ist vorliegend weiter – und dies ist geeignet, das Gesamtvorbringen des Klägers als unglaubhaft einzustufen – dass er in der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2017 sein Vorbringen dahingehend gesteigert hat, dass er neben der im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Ermordung seines Großvaters nunmehr vorgetragen hat, der Bruder der Großmutter habe später auch seinen Vater mit einem Messer niedergestochen und dabei schwer verletzt. Die vorgenannte Steigerung im Vorbringen des Klägers kann plausibel nur erklärt werden, dass er damit lediglich seine Erfolgsaussichten im Klageverfahren verbessern wollte.
Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert daher zum einen bereits am Fehlen eines asylrelevanten Merkmals im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG sowie am insgesamt nicht glaubwürdigen Vorbringen des Klägers in Bezug auf eine drohende Vorverfolgung in Afghanistan.
d) Darüber hinaus stünde dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen. Falls die Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und diese nicht mit den staatlichen Behörden kooperieren oder anderweitig mit diesen verbunden sind und die Verfolgung örtlich begrenzt bleibt, kann vom Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden, internen Schutz in Anspruch zu nehmen (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 3e, Rn. 18).
Dem Kläger ist eine Rückkehr in eine andere Region in Afghanistan oder in den Großraum von Kabul zumutbar. Auch wenn eine innerfamiliäre Fehde bestehen sollte, die sich nach Angaben des Klägers auf die Familie väterlicherseits beschränkt, ist es für den ledigen, erwachsenen und ungebundenen Kläger möglich, sich an einem anderen Ort in Afghanistan niederzulassen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger von der familiären Auseinandersetzung, unterstellt, dass sich diese auch gegen den Kläger richten sollte, an jedem Ort in Afghanistan betroffen ist bzw. überall aufgespürt wird.
Auch gesundheitliche Gründe (vgl. dazu näher unter 3.) stehen der Zumutbarkeit der Fluchtalternative nicht entgegen.
2. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden geht dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c – e AsylG entsprechend. Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist – wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft – der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative besteht. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger in Afghanistan für ihn zumutbar auch außerhalb seiner Heimatstadt an einem Ort niederlassen kann, an dem er verfolgungssicher ist. Für den Kläger als jungen, arbeitsfähigen Mann dürfte es in einer größeren afghanischen Stadt auch abseits seiner Herkunftsprovinz möglich sein, sich ein Existenzminimum zu sichern. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, Stand: September 2016 – im Folgenden: Lagebericht – S.18). Eine schützende Anonymität bieten nach Auffassung des Gerichts daher insbesondere die Städte Kabul, Herat oder Kandahar. Dort könnte sich der erwerbsfähige Kläger niederlassen, ohne der ernsthaften Gefahr einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein. Überdies stammt der Kläger aus der Provinz Kabul und die Familie des Klägers hielt sich vor ihrer Ausreise in den Iran zuletzt in Kabul-Stadt im Stadtteil C. auf. Der Kläger ist nach der Überzeugung des Gerichts in der Lage, auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden, von der er leben kann. Insbesondere hat das Gericht keinen Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Klägers. Der Kläger war bereits im Iran drei Jahre lang bei einem Metzger tätig und ist nunmehr nach eigenen Angaben auch in Deutschland in einer Metzgerei als Hilfskraft beschäftigt. Für eine zumutbare Rückkehr in eine größere Stadt in Afghanistan spricht auch, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag ledig ist und keine Unterhaltspflichten zu erfüllen hat.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die weiterhin hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
a) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger bei Rückkehr keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. In Konstellationen wie der Vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; VG München, U.v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37). Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Fallgestaltung. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Der Kläger kann nach Auffassung des Gerichts dieser Gruppe zugerechnet werden. Es sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits keine gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die es dem Kläger nicht ermöglichen würden, am Erwerbsleben teilzunehmen, ersichtlich (vgl. unter 3. b).
b) Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Frage nach dem Vorliegen einer solchen Gefahr ist unerheblich, von wem diese ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab, unabhängig davon, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – BVerwGE 99, 324). Die Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit muss mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn die für den Eintritt der Gefahr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, U.v. 18.7.2001 – 1 B 71/01 – Buchholz 402.240, § 53 AuslG Nr. 46). Bei der Prognose, ob dem Ausländer bei einer Rückkehr in den Zielstaat dort eine erhebliche konkrete Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der Verschlimmerung einer individuellen Erkrankung droht, sind alle zielstaatsbezogenen Umstände zu berücksichtigen, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33). Danach ist der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Entstehungsgrundes nicht einschränkend auszulegen und eine Gefahr für die Rechtsgüter Leib und Leben kann auch dann vorliegen, wenn sie durch die bereits vorhandene Krankheit konstitutionell mitbedingt ist. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u. a. – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34).
Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern.
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) oder andere schwerwiegende psychische Erkrankungen – wie sie der Kläger vorliegend geltend macht – können daher nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland dann zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. hierzu: Hailbronner, AuslR, Stand August 2016, Rn. 90 zu § 60 AufenthG; OVG NW B.v. 6.9.2004 – 18 B 2661/03 – NVwZ-RR 2005, 359). Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder Beeinträchtigungen der allgemeinen Befindlichkeit als Folge depressiver Schübe reichen daher im Allgemeinen nicht mehr aus, um ein Abschiebungshindernis zu begründen. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass eine hinreichend schwerwiegende Erkrankung in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden kann (BT-Drs. 18/7538, S. 18). In Fällen einer PTBS ist daher die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, sie führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung. Zur Substanziierung eines Vorbringens einer Erkrankung an PTBS sowie eines entsprechenden Beweisantrags gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17.07 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2ff AufenthG Nr. 31; Hailbronner a.a.O. m.w.N. aus der Rechtsprechung; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 13.2.2017 – AN 3 K 16.30181 – juris).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt, hat der Kläger das Vorliegen einer PTBS nicht ausreichend dargelegt, weshalb dem vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2017 gestellten bedingten Beweisantrag nicht nachgegangen werden musste. Die Atteste vom 11. November 2016 und vom 26. November 2016 kommen schon nicht zur Diagnose einer PTBS. Vielmehr leide der Kläger nach dem Attest vom 11. November 2016 an Zwangsgedanken und nach dem Attest vom 20. November 2016 unter einer Borderline-Störung und Panikattacken. Insofern stehen diese Atteste bereits mit den anderen vorgelegten Attesten in Widerspruch. Das Attest vom 1. Dezember 2016 enthält bereits keine eindeutige Diagnose. Vielmehr wird lediglich festgestellt, die Ergebnisse der Selbstbeurteilung des Klägers deuteten auf das Vorliegen einer „Major Depression“ und einer posttraumatischen Belastungsstörung hin. Hinzu kommt, dass das Attest vom 1. Dezember 2016 keine substanziierte Beschreibung der traumatisch bedingten Gesundheitsstörung (Befunde/messbare Angaben) als auch Angaben zum spezifischen Therapieplan (Therapieform, Therapiemaßnahmen, zeitlicher Behandlungsrahmen, Medikation) enthält. Den vorgelegten Attesten lässt sich allesamt nicht nachvollziehbar entnehmen, dass zwischen den traumatisierenden Ereignissen und den beschriebenen Symptomen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Den Attesten vom 1. Dezember 2016 sowie vom 9. Dezember 2016 fehlt außerdem die Angabe, seit wann und wie häufig sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befunden hat. Soweit der 19 Jahre alte Kläger nach dem Attest vom 9. Dezember 2016 seine angebliche Traumatisierung auf Erlebnisse in seiner Kindheit, insbesondere die Ermordung seines Großvaters, stützt, fehlt es im Übrigen an einer aussagekräftigen, nachvollziehbaren und durch eine ärztlichen oder psychologische Bescheinigung belegte Darstellung, warum entsprechende medizinische Hilfe nicht frühzeitiger nachgesucht wurde und welche beachtenswerten Umstände gerade jetzt den Ausschlag für ihre Inanspruchnahme geben (vgl. OVG NW, B.v. 24.6. 2002 – 18 B 965/02 – juris). Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben bereits am 6. Juli 2015 in die Bundesrepublik eingereist, hat ausweislich der vorliegenden Atteste jedoch erstmals am 11. November 2016 medizinische Hilfe nachgesucht. Dabei gilt es zu beachten, dass nach fachärztlicher Erfahrung eine PTBS regelmäßig innerhalb von sechs Monaten nach dem traumatischen Ereignis eintritt (vgl. hierzu die Nachw. bei Middeke, „Posttraumatisierte Flüchtlinge im Asyl- und Abschiebungsprozess”, DVBl 2004, 150f.). Der Kläger hat aber nicht geltend gemacht bereits im Iran in ärztlicher bzw. psychotherapeutischer Behandlung gewesen zu sein. Auch hat er keine Erklärung dafür gegeben, weshalb er erst fast eineinhalb Jahre nach seiner Einreise in die Bundesrepublik ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat.
Auch im Übrigen hat der Kläger eine schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankung weder nachgewiesen, noch liegen ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Erkrankung vor. Die vom Kläger vorgelegten Atteste lassen nicht den Schluss zu, dass sich dessen Zustand für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald nach der Ankunft im Zielland bis hin zu einem lebensbedrohlichen Zustand verschlechtern könnte. Zwar bestehe laut dem Attest vom 1. Dezember 2016 im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die Gefahr einer massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch Retraumatisierung/Traumareaktualisierung. Jedoch wird diese Verschlechterung nur behauptet, ist aber aufgrund der Anamneseerhebung und des Krankheitsbildes nicht nachvollziehbar dargelegt. Insbesondere enthält das Attest – wie bereits dargestellt – keine eindeutige Diagnose. Auch die Feststellung, eine akute Suizidalität könne testpsychologisch nicht ausgeschlossen werden, ist nicht hinreichend, zumal sich hieraus keine konkrete erhebliche Gefahr ergibt. Zudem steht diese Feststellung in Widerspruch zu den Attesten vom 11. November 2016 und vom 9. Dezember 2016, wonach kein Hinweis für Suizidalität bzw. keine Suizidpläne bestünden und daher derzeit keine akute Eigen-oder Fremdgefährdung erkennbar sei.
Hinzu kommt, dass dem aktuellsten ärztlichen Bericht vom 30. Januar 2017 kein Hinweis darauf zu entnehmen ist, dass sich die Erkrankung des Klägers durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Erhebliche Gefahren für Leib und Leben im Falle einer Abschiebung werden weder dort, noch im Attest vom 9. Dezember 2016 beschrieben. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf ausdrückliche Frage des Gerichts nach der Medikamenteneinnahme angegeben, dass er Tabletten wegen Herzproblemen einnehme. Im Übrigen nehme er nur Schlaftabletten. Dies spricht dafür, dass beim Kläger gerade keine schwerwiegende und lebensbedrohliche und damit behandlungsbedürftige psychische Erkrankung vorliegt. In der mündlichen Verhandlung machte der Kläger darüber hinaus einen stabilen und allseits orientierten Eindruck.
Bei dieser Sachlage kann im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht davon ausgegangen werden, dass beim Kläger eine lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankung vorliegt, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
c) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemeinen Verhältnisse in Afghanistan liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte.
Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 27.07.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Die aktuelle Lage in Afghanistan stellt sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger nicht alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefahr für Leib und Leben im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG ausgesetzt wäre. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger laut seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung in Deutschland eine Zeit lang die Schule besucht habe. Darüber hinaus hat der Kläger eine Ausbildung bei einem Metzgereibetrieb angefangen und ist nach deren Abbruch nunmehr für diese Metzgerei als Hilfskraft tätig. Aufgrund der in Europa erworbene Erfahrungen und Sprachkenntnisse befindet sich der Kläger in einer vergleichsweise guten Position. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (UNHCR-Richtlinie vom 19.4.2016, S. 9).
Auch steht der langjährige Aufenthalt des Klägers im Iran einer Einschätzung einer zumutbaren Rückkehr nach Afghanistan nicht entgegen. Schließlich hat der Kläger den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2015 – 13A ZB 15.30063 – juris). Zudem spricht der Kläger die Landessprache Dari, weshalb es nicht maßgeblich darauf ankommt, ob der Kläger speziell mit den afghanischen Verhältnissen vertraut ist.
4. Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung (Nr. 5 des Bescheides) bestehen im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
5. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6 des Bescheides) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Beschluss:
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten wird abgelehnt.
Gründe:
Auch unter Berücksichtigung des spezifischen Erfolgsmaßstabes im Prozesskostenhilfeverfahren bestand zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife keine hinreichende Erfolgsaussicht, § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO. Es wird insoweit auf die Entscheidungsgründe im Verfahren W 5 K 16.30340 Bezug genommen.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).