Verwaltungsrecht

Für einem voll erwerbsfähigen jungen Mann besteht in Mali keine extreme Gefahrenlage

Aktenzeichen  M 21 S 17.38245

Datum:
14.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 30 Abs. 1, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Auch im Norden Malis ist nicht mehr von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für einem voll erwerbsfähigen jungen Mann besteht in Mali keine extreme Gefahrenlage. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger. Er reiste am 5. Januar 2014 über Frankreich aus Spanien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. Januar 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2016 führte der Antragsteller zur Begründung seines Asylantrags aus, seine Eltern seien verstorben. Er habe in Mali noch einen Onkel und einen Bruder. Er habe keinen Beruf erlernt, er habe seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Er sei wegen Schwierigkeiten in Mali nach Deutschland gekommen. Sie hätten mit dem unsicheren Leben zu tun. Leute seien getötet worden. Aus Angst ebenfalls getötet zu werden, habe er das Land verlassen. Es habe auch Probleme gegeben, Essen zu bekommen. Rebellen hätten ihn bedroht, als sie bei ihm auf dem Grundstück gewesen seien.
Mit Bescheid vom 18. April 2017, zugestellt am 25. April 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung nach Mali angedroht. Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, den Darstellungen des Antragstellers seien weder wörtlich noch inhaltlich eine politisch motivierte Verfolgung zu entnehmen, sondern lediglich die zu erwartenden allgemein schwierigen Lebensbedingungen im Nordteil Malis nach Ausbruch des dortigen Krieges und der Besetzung des Gebietes durch radikal islamische Kräfte. Zudem habe dem Antragsteller eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung gestanden. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass in jeder größeren Stadt sowie auch auf dem flachen Lande im Süden Malis interne Schutzmöglichkeiten bestünden. Außerdem habe der Antragsteller die Möglichkeit, den Schutz der staatlichen und örtlichen Behörden zu erlangen. Auch eine Rückkehr nach Bamako sei ohne Betroffenheit von einer Bürgerkriegsgefährdung möglich. Gegenwärtig sei im nördlichen Teil von keinem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt mehr auszugehen. Der Antragsteller sei in Mali aufgewachsen, er spreche die zur Verständigung notwendigen Sprachen. Überdies sei er jung, gesund und habe in der Landwirtschaft seines Vaters mitgearbeitet. Es gebe keinerlei Anlass zu der Annahme, dass es ihm nicht gelingen werde, bei einer Rückkehr nach Mali das wirtschaftliche Existenzminimum zu erreichen.
Der Antragsteller hat am 25. April 2017 durch seine Bevollmächtigte Klage erhoben (M 21 K 17.38244) und beantragt sinngemäß, den Bescheid vom 18. April 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Gleichzeitig wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung macht er geltend, er habe sein Heimatland wegen des ständigen Hungers und wegen der Rebellen verlassen.
Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 24. April 2017 die Akten vorgelegt und sich weder zu der Klage noch zu dem Antrag geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG) ausge-schlossene aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Die gerichtliche Überprüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat im Hinblick auf den nach Art .19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen und in Anwendung des materiellen Asylrechts erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren zu erfolgen (BVerfG, B.v. 19.6.1990 – 2 BvR 369/90 – juris Rn. 20). Die Anforderungen entsprechen insofern denjenigen der Ablehnung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet (BVerfG, B.v. 19.6.1990 a.a.O. – juris Rn. 21).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Ausländergesetz 1990 BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft (einschließlich der Voraussetzungen für subsidiären Schutz) offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3).
Entsprechend diesem Maßstab begegnet die Entscheidung des Bundesamts keinen ernstlichen Zweifeln. Das Gericht folgt den Gründen des angefochtenen Bescheids, nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und weist ergänzend auf Folgendes hin:
Soweit der Antragsteller vorträgt, er sei auf seinem Grundstück in Mali von Rebellen bedroht worden, hegt das Gericht bereits erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens. Der Antragsteller schildert weder im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch im Klage- oder Eilverfahren Einzelheiten zu dieser Bedrohung. Er beschränkt sich auf die bloße Behauptung, es habe einmal eine Bedrohung gegeben, ohne weiter auszuführen, wann, wer, wo, wen und vor allem auch womit bedroht haben soll. Selbst als wahr unterstellt, führt der Vortrag des Antragstellers aber nicht zu einer Anerkennung von Asyl, der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes. Dem Antragsteller stand und steht eine inländische Fluchtalternative in den Süden des Landes zur Verfügung, die ihm auch zumutbar ist. Überdies ist nunmehr auch im Norden des Landes nicht mehr von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen.
Auch Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Die Tatsache, dass die Lebensbedingungen in Mali allgemein hart sind, stellt für sich gesehen keine lebensbedrohliche Situation und Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die Abschiebung wäre nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – NVwZ 2002, 101), also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, a.a.O.).
Das ist bei einem voll erwerbsfähigen jungen Mann wie dem Antragsteller nicht an-zunehmen, zumal er zum einen noch familiäre Bindungen im Heimatland besitzt und zum anderen bereits in den Jahren vor seiner Ausreise erwerbswirtschaftlich tätig gewesen ist.
Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Abschiebungsandrohung mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist damit nicht zu beanstanden.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Ge-richtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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