Verwaltungsrecht

Für einen jungen gesunden Mann ist es in Kabul möglich, das Existenzminimum zu sichern

Aktenzeichen  W 1 K 16.31237

Datum:
3.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 3e
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Arbeitsfähige, gesunde junge Männer sind auch ohne besondere Qualifikation, nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt in der Lage, in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten, so dass keine extreme Gefahrenlage besteht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Trotz der schlechten Versorgungslage in Afghanistan muss ein alleinstehender, arbeitsfähiger, männlicher Rückkehrer nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, alsbald nach seiner Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage zu geraten, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juli 2016 ist – soweit er noch Gegenstand dieser Klage ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 6 Absatz 14 des Gesetzes vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Dies zugrunde gelegt hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG.
Zunächst wird hierzu auf die Begründung des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes vom 26. Juli 2016 Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG. Darüber hinaus ist ergänzend Folgendes auszuführen:
1. Der Kläger hat beim Vortrag seiner Fluchtgründe vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung in eklatanter Weise widersprüchliche Angaben gemacht, wobei letztere im Vergleich zu den Angaben bei der Anhörung vor dem Bundesamt zusätzlich auch noch erheblich gesteigert wurden. So hat der Kläger vor dem Bundesamt erklärt, dass sein Bruder ein staatlicher Beamter im Steuerbereich gewesen sei und sein Vater Rechtsanwalt/Dorfvorsteher. Die Taliban hätten ihnen Drohbriefe geschrieben, dass diese Tätigkeiten aufgegeben werden und sich die beiden Familienmitglieder den Taliban anschließen müssten. Eines Tages, etwa 3 – 4 Jahre vor dem Anhörungstermin beim Bundesamt (also Ende Oktober 2011 bzw. 2012) seien die Taliban auch persönlich zum Familienwohnhaus gekommen und hätten dem Kläger aufgetragen, diese Nachricht an Vater und Bruder weiterzugeben. Er habe dann schnell seine Sachen gepackt und habe von zuhause weggehen wollen, woraufhin die Taliban auf ihn geschossen und auch zweimal getroffen hätten. Danach seien sie alle nach Jalalabad umgezogen und die Polizei habe dem Vater geraten, dass sein Sohn (der Kläger) nicht mehr ins Freie gehen solle. Weitere schriftliche Drohungen seien eingegangen. Schließlich habe der Vater entschieden, dass der Kläger ausreisen solle. In der mündlichen Verhandlung dagegen hat der Kläger nach seinen Fluchtgründen befragt von dem vorstehenden Vortrag vor dem Bundesamt rein gar nichts erwähnt, sondern von einem Onkel berichtet, der Chef der Bezirksregierung in Shirzad gewesen und dann von den Taliban ermordet worden sei. Er selbst habe als Bodyguard für diesen Onkel gearbeitet und habe dann eines Tages, etwa vor 2-3 Jahren (also Ende Juni 2014 bzw. 2015), auf dem Weg von zuhause zum Büro des Onkels von den Taliban entführt werden sollen. Die Taliban hätten dann auf ihn geschossen, er jedoch habe fliehen können.
Der vorstehend skizzierte Vortrag in der mündlichen Verhandlung kann dem Kläger bereits deshalb in Gänze nicht geglaubt werden, da es sich um eine erhebliche Steigerung gegenüber dem Vortrag vor dem Bundesamt handelt, wonach der Kläger nunmehr aufgrund einer eigenen Tätigkeit für den Staat (als Bodyguard für den Leiter der Bezirksregierung) angeschossen worden sei und nicht nur aufgrund eines Fluchtversuchs, nachdem die Taliban ihm aufgetragen hatten, eine Nachricht an Bruder und Vater weiterzugeben. Zudem besteht ein erheblicher Widerspruch zu dem Fluchtvortrag vor dem Bundesamt; beide Erzählungen haben inhaltlich sowie zeitlich schlicht nichts miteinander gemeinsam. Nicht einmal ein Onkel als Regierungschef des Bezirks Shirzad wurde vor dem Bundesamt erwähnt. Für diese eklatanten Abweichungen gibt es auch keine überzeugende Erklärung. Wenn der Kläger insoweit auf Vorhalt des Gerichts angibt, dass er den Vortrag aus der mündlichen Verhandlung der Dolmetscherin gegenüber auch vor dem Bundesamt angegeben habe, so kann dies nur als abwegig bezeichnet werden, nachdem der Kläger unterschriftlich bestätigt hat, dass es keinerlei Verständnisschwierigkeiten gegeben habe, seine Angaben der Wahrheit entsprächen und diese ihm auch rückübersetzt worden seien. Zu bedenken ist diesbezüglich, dass es sich hierbei nicht um nebensächliche Details handelt, sondern um den Kern des gesamten Fluchtvorbringens. Unabhängig davon erscheint der Fluchtvortrag in der mündlichen Verhandlung insgesamt auch erheblich zu vage und unsubstantiiert, um ihm Glauben schenken zu können; es fehlt an jeder detaillierten und lebensnahen Schilderung der Ereignisse. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger den Zeitpunkt der Schüsse auf ihn auch auf Nachfrage des Gerichts nicht näher einordnen konnte. Er hat insofern nur geäußert, dass dies vor etwa 2 – 3 Jahren gewesen sei. Dies erscheint bei einem Vorfall, bei dem man unmittelbar in Todesgefahr gewesen sein will, in keiner Weise nachvollziehbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei dem Kläger nach eigenem Vortrag um einen Analphabeten handelt, und er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass er wegen bestehender Nervenprobleme vergesslich geworden sei, wofür im Übrigen ärztlicherseits auch nichts manifest geworden ist. Ebensowenig ist nachvollziehbar, dass der Kläger bei der beschriebenen Lebensgefahr sein Heimatland erst nach etwa 3 – 4 Monaten verlassen haben will; dies erscheint angesichts der vorgetragenen Erheblichkeit der Gefahr nicht erklärlich, zumal der Kläger (zumindest mit familiärer Unterstützung) auch über ausreichende finanzielle Mittel für die Fluchtkosten verfügt hat.
Darüber hinaus bestehen weitere Widersprüche zwischen den Angaben vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung, die der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrages sowie seiner persönlichen Glaubwürdigkeit ebenfalls entgegenstehen. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass seine Frau und seine beiden Kinder weiterhin an seinem Herkunftsort in Shirzad bei einem Onkel mütterlicherseits lebten, sein Vater und sein älterer Bruder dagegen in Jalalabad (vgl. Niederschrift S. 2). Vor dem Bundesamt hat der Kläger erklärt, dass seine Ehefrau und seine Kinder in Afghanistan bei seinem Vater in der Stadt Jalalabad lebten. Auf diesen Widerspruch in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte der Kläger nur, dass er dies beim Bundesamt nicht angegeben habe; er habe dort nur gesagt, dass sein Vater und sein Bruder in Jalalabad lebten. Dies erscheint angesichts der bereits erwähnten Rückübersetzung seines Vortrages und der Bestätigung derselben durch den Kläger ebenfalls nicht nachvollziehbar. Auch hat er vor dem Bundesamt im Rahmen der entsprechenden Frage einen Beruf als Bodyguard für seinen Onkel mit keinem Wort erwähnt, sondern erklärt, dass er einen Beruf nicht erlernt habe, sondern gelegentlich in der Landwirtschaft gearbeitet habe (vgl. Frage Nr. 12, Bl. 33 der Behördenakte). Auch von einem Cousin, mit dem der Kläger geflohen und der im Iran erschossen worden sei, war beim Bundesamt nicht die Rede.
Aber auch der Vortrag vor dem Bundesamt betreffend eine Vorverfolgung des Klägers durch die Taliban ist – für sich betrachtet und unabhängig von den oben dargestellten gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Widersprüchen – auch deshalb nicht glaubhaft, weil der dortige Vortrag ebenfalls insgesamt ohne die erforderliche Substanz bleibt und nicht lebensnah nachvollziehbar erscheint. So hat der Kläger angegeben, dass die Taliban ihm anlässlich ihres Aufsuchens des Hauses der Familie aufgetragen hätten, Vater und Bruder mitzuteilen, dass sie ihre Tätigkeiten aufgeben müssten und sich den Taliban anschließen sollten. Aus welchem Grunde die Taliban dann beim Verlassen des Hauses auf den Kläger schießen sollten, erschließt sich in keiner Weise. Auf Nachfrage des Bundesamtes, warum die Taliban nicht auf Vater und Bruder geschossen hätten, erklärte der Kläger, dass die Taliban sich nicht getraut hätten, direkt in der Stadt zu schießen, was widersinnig erscheint, da der Kläger an dem betreffenden Ort gemeinsam mit seiner Familie einschließlich der Eltern und des Bruders gelebt hat und entsprechend der Aussagen des Klägers Vater und Bruder erst nach diesem Vorfall in die Stadt umgezogen seien. Überdies hatten die Taliban – den Vortrag des Klägers zu Grunde gelegt – keine Skrupel, am angegebenen Ort von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Der Kläger erklärte weiter, dass die Taliban dies getan hätten, da er weggerannt sei. Wenn er stehengeblieben wäre, hätten sie ihn bestimmt mitgenommen und eine hohe Summe von seiner Familie verlangt. Auch dies erscheint bei lebensnaher Betrachtung abwegig, zumal die Taliban bereits zu dem Zeitpunkt als der Kläger ihnen die Haustür geöffnet hat, die Möglichkeit hatten, sich seiner zu bemächtigen und entsprechend seines Vortrages vorzugehen. Auch bleibt völlig im Unklaren, warum der Kläger nach der Ansprache durch die Taliban von zuhause weg gewollt habe, während er dann aber – nachdem sogar auf ihn geschossen worden ist – noch etwa 3 – 4 Jahre in Afghanistan geblieben ist. Hätte tatsächlich eine Lebensgefahr für den Kläger bestanden, so hätte er sicherlich nicht noch so lange zugewartet, bis er aus Afghanistan geflohen wäre. Eine sinnvolle Erklärung für all dies hat der Kläger nicht abgegeben; vielmehr erscheint sein gesamter Sachvortrag konstruiert und nicht auf tatsächlich Erlebtem basierend.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der dem Gericht gezeigten Narben. Die am Bauch des Klägers sichtbare Operationsnarbe, aber auch weitere punktförmige Narben am Oberkörper können vielfältige Gründe haben. Es muss sich hierbei nicht um Schussverletzungen oder Folgen davon handeln und selbst wenn dem so wäre, hat dies nicht zur Folge, dass dadurch der klägerische Vortrag belegt würde und glaubhaft erschiene. Denn angesichts der zahlreichen und erheblichen Widersprüche, Ungereimtheiten, Steigerungen und der fehlenden Substanz des Vortrags insgesamt misst das Gericht den gezeigten Narben jedenfalls keinen Beweiswert im Hinblick auf die Richtigkeit und Überzeugungskraft des Fluchtvortrages bei. Dasselbe gilt für die beiden vorgelegten Drohbriefe. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in einem der beiden Drohbriefe gar nicht erwähnt wird (vgl. Bl. 111 der Behördenakte). Darin ist vielmehr ausschließlich von dem Vater und Bruder des Klägers und deren Tätigkeiten die Rede, nicht jedoch von dem Kläger selbst. In dem anderen Drohbrief wird ebenfalls der Vater des Klägers angeschrieben und auf eine Zusammenarbeit mit Ausländern hingewiesen. Es wird sodann erwähnt, dass man seinen Sohn … erschossen und getötet habe und man nun auch den Vater umbringen werde. Ein derartiges Schreiben ist ebenfalls nicht überzeugend, da dessen Inhalt ersichtlich bereits nicht mit der Realität in Einklang zu bringen ist, nachdem der Kläger nicht getötet wurde. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (vgl. dort S. 25), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in erheblichem Umfang existierten und es kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe.
Das Gericht ist nach alledem davon überzeugt, dass der Kläger sein Heimatland unverfolgt verlassen hat. Zugrunde gelegt werden kann für die weitere Betrachtung aufgrund vorgelegter nachvollziehbarer Unterlagen allein eine Tätigkeit des Bruders des Klägers für eine zum Finanzministerium gehörende Behörde. Darüber hinaus geht das Gericht davon aus, dass der Vater des Klägers – ebenfalls aufgrund vorgelegter Erklärungen – das Amt eines sog. Häuserverwalters mit der Zuständigkeit für eine bestimmte Straße innehat (vgl. Bl. 124, 126 der Behördenakte).
2. Der Kläger hat aufgrund dieser beruflichen Tätigkeiten seiner Angehörigen auch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Verfolgung i.S.d. §§ 3, 3a AsylG zu rechnen. Zwar kommen in Afghanistan Fälle vor, in denen Familienangehörige von Personen, welche für die Regierung tätig sind, als Vergeltungsmaßnahme und gemäß dem Prinzip der Sippenhaft angegriffen werden. Dies ist jedoch keine zwangsläufige Folge, sondern es kommt auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an (vgl. UNHCR- Richtlinien vom 19. April 2016, S. 47 f.). Beim Kläger ist ein solcher Fall jedoch nicht anzunehmen. Dies folgt für das Gericht schon daraus, dass der Vater und der Bruder sich als die von der Verfolgung durch die Taliban unmittelbar Betroffenen auch nach vielen Jahren der vorgetragenen Verfolgung und zahlreichen Drohbriefen weiterhin in der Herkunftsprovinz, nämlich in deren Hauptstadt Jalalabad, weiterhin aufhalten und den von den Taliban angefeindeten Berufen weiter nachgehen. Wenn sich aber diejenigen, denen die Nachstellungen der Taliban originär gelten, weiterhin in der Herkunftsregion aufhalten, so ist das Gericht davon überzeugt, dass dies erst recht auch für den Kläger möglich ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung wie auch vor dem Bundesamt angegeben hat, dass Vater und Bruder ein Bodyguard zur Verfügung stehe. Denn ein einzelner Leibwächter kann gegen einen ernsthaften Angriff der Taliban ohnehin nichts ausrichten, zumal der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass die Leibwächter manchmal kämen und manchmal nicht. Dass Vater und Bruder weiterhin ihren Berufen nachgehen können, zeugt bei lebensnaher Auslegung nach Auffassung des Gerichts vielmehr dafür, dass selbst diese nicht direkt ins Visier der Taliban geraten sind. Dass der Kläger – erst auf Nachfrage des Gerichts – in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass auch sein Bruder im Zusammenhang mit seinem Beruf angeschossen worden sei, erscheint dem Gericht nicht glaubhaft, da es insoweit ebenfalls an jeglicher Substanz im Vortrag mangelt. Wenn der Bruder tatsächlich in ernsthafter Gefahr wäre, so wäre dieser bei lebensnaher Betrachtung sicher auch nicht aus der Türkei wieder nach Afghanistan zurückgekehrt, da die Regierung gewollt habe, dass er zurückkommt. Diese Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass der Vater nur als Häuserverwalter mit der Zuständigkeit für eine Straße tätig ist und hierbei insbesondere zwischen Bürgern und Regierung bei Problemen vermittele, wodurch ersichtlich wird, dass der Vater zum einen nicht unmittelbar der Sphäre des Staates zuzurechnen ist und zum anderen angesichts des geringfügigen Zuständigkeitsbereichs allenfalls von untergeordnetem Interesse für die Taliban ist. Dies gilt letztlich auch für den Bruder des Klägers, der sich offensichtlich nicht aktiv am Kampf gegen die Taliban beteiligt, sondern lediglich mit dem Einziehen von Steuereinnahmen beschäftigt ist. Dass dem Kläger im Falle der Rückkehr keine Gefahr durch die Taliban droht, ergibt sich schließlich auch daraus, dass er seine Ehefrau und seine Kinder am Herkunftsort belassen hat, was nicht nachvollziehbar erschiene, wenn er tatsächlich ins Visier der Taliban geraten wäre; dies auch unter Berücksichtigung der allgemein bekannten Tatsache, dass sich eine Vielzahl von Familien aus Afghanistan auf den Weg nach Europa gemacht hat. Wären die Befürchtungen des Klägers hinsichtlich der Taliban glaubhaft, so würde dies der Logik zur Gefährdung von Angehörigen folgend auch zu einer unmittelbaren Gefährdung von Ehefrau und Kindern führen. Insofern ist es nicht lebensnah nachvollziehbar, wenn der Kläger diese an seinem Herkunftsort zurücklässt, obwohl die Taliban gerade an diesem Ort viel Macht besäßen (vgl. S. 2 der Niederschrift). Auch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, warum der Kläger nicht gemeinsam mit der Familie geflohen sei, hat der Kläger keine überzeugende Antwort geben können. Er hat insoweit lediglich angegeben, dass die Familie nicht mitgekommen sei, weil sie die Gefahr für den Kläger selbst größer eingeschätzt hätten als für die übrigen Familienmitglieder. Vielmehr hat es der Kläger sogar nicht einmal für notwendig befunden, seine Familie trotz der bestehenden Gefahr, die andere Familienmitglieder hat nach Jalalabad umziehen lassen, dort in der im Verhältnis sichereren Hauptstadt bei seinem Vater oder Bruder unterzubringen. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang erklärt, dass seine Ehefrau am Herkunftsort immer noch von den Taliban aufgesucht und ihr angedroht würde, dass man ihr ein Kind wegnehme, wenn sie des Klägers nicht habhaft würden, so erscheint das gewählte Vorgehen noch weniger nachvollziehbar. Zudem hält das Gericht diesen Vortrag betreffend die Nachsuche nach dem Kläger nicht für glaubhaft, da hierzu vor dem Bundesamt nicht das Geringste erwähnt wurde, was jedoch angesichts der Bedeutung im Zusammenhang mit dem Verfolgungsschicksal zwingend zu erwarten gewesen wäre. Insofern geht das Gericht davon aus, dass es sich um eine asyltaktische Steigerung im Sachvortrag handelt.
Nach alledem ist der Kläger nicht vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist und auch bei seiner Rückkehr besteht keine begründete Verfolgungsgefahr. Ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung ist daher nicht gegeben.
3. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen bestünde jedoch für den Kläger in Afghanistan die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e AsylG in Kabul, wenn man – entgegen obiger Ausführungen – davon ausginge, dass der Kläger vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist wäre, indem die Taliban diesen wegen der Tätigkeiten des Vaters und des Bruders 3 – 4 Jahre vor seiner Anhörung angeschossen hätten, so wie es der Kläger vor dem Bundesamt dargestellt hat. Die Steigerungen im Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung bleiben hierbei außer Betracht; diesbezüglich verbleibt es (allein) bei der Unglaubhaftigkeit des entsprechenden Vorbringens gemäß obiger Ausführungen.
Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen.
Das Gericht geht – auch unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie – davon aus, dass der Kläger in der afghanischen Hauptstadt Kabul internen Schutz erlangen kann und dort keine Verfolgungsgefahr zu befürchten hat. Es sprechen nämlich stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von einer Verfolgung bedroht würde, wie er sie in seinem Asylverfahren vorgetragen hat. Dem steht insbesondere auch nicht das Gutachten des Dr. … an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht vom 30. April 2013 entgegen. Der Gutachter stellt darin nämlich nicht fest, dass die Taliban über Netzwerke verfügen, die gezielt nach Personen in Kabul suchen, die sich einer Zwangsrekrutierung entzogen haben. Er führt hierzu vielmehr nur aus, dass er davon ausgehen müsse, dass die Taliban mindestens in der Lage seien, viele der Personen, die eine Zwangsrekrutierung abgelehnt hätten, zu finden. Konkret sind dem Gutachter jedoch nur fünf derartige Fälle bekannt geworden. In der Anfragebeantwortung von ACCORD hinsichtlich der „Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen“ vom 15. Februar 2013 wird festgehalten, dass Angriffe auf Kollaborateure sich selbst in Städten, in geringerem Ausmaß auch in Kabul, ereignen würden. Personen, die geflüchtet seien und ihren Arbeitsplatz aufgegeben hätten, schienen jedoch in Städten nicht aktiv angegriffen worden zu sein. Personen, die geflüchtet seien und nicht mehr mit der Regierung zusammenarbeiten würden, würden für die Taliban ein Angriffsziel mit niedriger Priorität darstellen. Diese würden Informationen über Zielpersonen von Angriffen scheinbar nicht systematisch von einem Gebiet in ein anderes übermitteln. Es sei bekannt, dass die Taliban im Stadtzentrum von Kabul ein Netzwerk von Informanten unterhielten, um Botschaften und Regierungsgebäude zu beobachten. Dieses Netzwerk richte sich klar gegen hochrangige Ziele und Kollaborateure. Auch das Profil einer Person entscheide teilweise darüber, ob die Taliban jemanden, der in einen anderen Landesteil geflohen sei, aufspüren würden. Wichtige Personen seien hierbei gefährdeter zum Ziel der Taliban zu wählen. Wenn eine Person innerhalb eines Distrikts oder einer Provinz umsiedle, sei sie exponierter als bei einer Umsiedlung in eine in einem anderen Landesteil gelegene Provinz. In Kabul seien die Taliban schlechter in der Lage, Personen aufzuspüren, da dort Polizei und Sicherheitskräfte scheinbar besser ausgebildet und Personen anonymer seien. Nichtsdestotrotz könnten die Taliban in der Lage sein, jemanden in Kabul aufzuspüren. Die UNAMA schließe die Möglichkeit, dass die Taliban gegen wichtige Personen in Kabul vorgehen würden, nicht aus. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass die Taliban das Aufspüren von Personen von geringerer Bedeutung in Kabul zu einer Priorität machten bzw. dazu die Möglichkeit hätten.
Dies zugrunde gelegt ist das Gericht davon überzeugt, dass die Taliban vorliegend kein Interesse daran haben, den Kläger ausfindig zu machen und gegen diesen vorzugehen. Denn wäre dies tatsächlich der Fall, so hätten sich die Taliban nach Überzeugung des Gerichts dem Kläger bereits in dem langen Zeitraum von etwa 3 – 4 Jahren bemächtigt, in welchem er sich nach den Schüssen auf ihn weiterhin in seiner Heimatprovinz aufgehalten hat und in welchem der Kläger nicht von weiteren Übergriffe auf ihn selbst berichtet hat. Diese Einschätzung steht auch mit den oben skizzierten Erkenntnismitteln in Einklang, denn der Kläger stellt ganz klar kein hochrangiges Angriffsziel für die Taliban dar, nachdem er selbst – im Gegensatz zu seinem Bruder/Vater – nicht für den afghanischen Staat gearbeitet hat. Auch die Schüsse auf ihn seien seinerzeit laut eigener Aussage nur deshalb gefallen, weil er weggerannt sei und nicht, weil er sich in irgendeiner Form selbst gegen die Taliban exponiert hätte. Darüber hinaus wechselt der Kläger seinen Wohnsitz nicht nur innerhalb seiner Heimatprovinz, sondern über die Provinzgrenze hinweg in die Millionenstadt Kabul, was seine Sicherheit weiter signifikant erhöht. Schließlich wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter I. 2. verwiesen, welche ebenfalls stichhaltige Gründe enthalten, die dagegen sprechen, dass der Kläger erneut von einer Verfolgung der erlittenen Art bedroht würde. Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger in Kabul erneut von einer Verfolgung bedroht wäre.
Der Kläger könnte darüber hinaus sicher und legal nach Kabul reisen. Schließlich kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul niederlässt. Erforderlich ist hierfür, dass am Ort des internen Schutzes die entsprechende Person durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zweiweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 6.6.2016 – 13 A 18182/15.A – juris).
Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Ent-wicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölke-rung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist von dem Kläger vernünftigerweise zu erwarten, dass er sich in Kabul niederlässt. Aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Sprachkenntnisse befindet sich der Kläger in einer vergleichsweise guten Position. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines ausreichendes Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt –, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 24-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist zwar in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Abgesehen davon, dass der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht auch bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass er am ganzen Körper Narben habe, seine Hand einmal gebrochen gewesen sei und er Nervenprobleme habe, vor allem, wenn er an seine Familie in Afghanistan denke. Hinsichtlich der Narben und der seinerzeit gebrochenen Hand hat der Kläger Einschränkungen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit weder vorgetragen, geschweige denn durch ärztliche Unterlagen bestätigt. Dasselbe gilt für die geltend gemachten Nervenprobleme, die bereits nach dem eigenen Vortrag durch die Trennung von der Familie bedingt seien und die sich allenfalls verbessern könnten, wenn der Kläger nach Afghanistan zurückkehren würde. Ernsthafte gesundheitliche Beschwerden hat der Kläger weder in körperlicher noch psychischer Hinsicht dargetan und es bestand auch eine Veranlassung, den erwähnten Gesichtspunkten durch das Gericht näher nachzugehen.
Der Kläger ist zwar vorliegend Analphabet, jedoch trifft dies auf eine sehr große Zahl von Menschen in Afghanistan zu, sodass dies nicht weiter negativ ins Gewicht fällt, wobei eine Vielzahl zumindest von Hilfstätigkeiten existiert, bei denen das Lesen und Schreiben nicht von Bedeutung ist. In positiver Hinsicht kann der Kläger vorliegend bereits auf eigene berufliche Erfahrungen, vorliegend in der Landwirtschaft, zurückgreifen. Hierdurch hat er bereits vor seiner Ausreise erfolgreich unter Beweis gestellt hat, dass er in der Lage ist, Strategien für das wirtschaftliche Überleben in Afghanistan zu entwickeln, die es ihm überdies ermöglicht haben, (zumindest anteilig) Geldmittel für seine Fluchtkosten zu sparen (vgl. Niederschrift S. 5). Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse seines Heimatlandes sind dem Kläger, der bis zu seiner Ausreise mehr als 22 Jahre in Afghanistan gelebt hat, ebenfalls gut bekannt und vertraut. Neben seiner eigenen Erwerbsfähigkeit könnte der Kläger darüber hinaus nach Überzeugung des Gerichts auch auf die Unterstützung durch seine Familie, insbesondere seinen Vater, zurückgreifen. Dies erscheint auch realistisch, nachdem dieser ihm auch bereits Geldmittel für die Finanzierung seiner Flucht nach Deutschland anteilig zur Verfügung gestellt hat. Darüber hinaus hat der Vater gemäß der Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine erlittene Verletzung in Indien behandeln lassen, was nach Überzeugung des Gerichts dafür spricht, dass es sich bei dem Vater um einen – zumindest nach afghanischen Verhältnissen – wirtschaftlich gut situierten Mann handelt. Er ist zudem, wie ausgeführt, offensichtlich in einer festen Anstellung als Häuserverwalter ebenso wie der beim afghanischen Staat tätige Bruder des Klägers, auf den der Kläger im Bedarfsfalle ergänzend zurückgreifen könnte. Zudem sei der Vater Rechtsanwalt, wie der Kläger vor dem Bundesamt angegeben hat. Denn es ist im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass in Notsituationen über derartige Kontakte Unterstützung geleistet wird und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. Ebenso existieren am Herkunftsort des Klägers in Shirzad eigene Grundstücke, die der Kläger durch den dort ansässigen Onkel mütterlicherseits verkaufen könnte, um dieses Geld für seinen Lebensunterhalt zu verwenden. Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Über-brückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Ebenfalls nicht entgegenstehend für die Annahme internen Schutzes ist der Umstand, dass der Kläger längere Zeit in Europa verbracht hat. Vielmehr wirkt sich dies eher begünstigend auf seine Erwerbsperspektive in Afghanistan aus (vgl. auch OVG NRW, B.v. 20.7.2015 – 13 A 1531/15 A – juris). Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris), der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht, was vorliegend der Fall ist. Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt sei (vgl. Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff. (77 f.). Denn nach Überzeugung des Gerichts bieten die geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen des Klägers ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Kabul zumutbar erscheinen zu lassen.
Schließlich steht auch die Tatsache, dass der Kläger im Heimatland nach eigenem Vortrag eine Ehefrau und zwei Kinder hat, dem vorgenannten Ergebnis nicht entgegen. Denn es ist insoweit maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Familie des Klägers offensichtlich auch derzeit in Afghanistan leben kann, hier konkret bei einem Onkel mütterlicherseits, sodass deren Überleben auch ohne das Zutun des Klägers ausreichend gesichert ist.
Nach alledem kann der Kläger internen Schutz in der Hauptstadt Kabul in Anspruch nehmen, so dass auch aus diesem Grunde ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheidet.
II.
Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
1. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Es fehlt insoweit bereits an einem glaubhaften Vortrag, zumindest aber besteht für den Kläger die Möglichkeit internen Schutzes in Kabul nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zu § 3 AsylG wird vollumfänglich verwiesen.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicher-heitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Nangarhar. Dasselbe gilt für die Hauptstadt Kabul als inländischer Fluchtalternative entsprechend obiger Ausführungen. In der Ostregion, zu der die Provinz Nangarhar gehört, wurden im Jahre 2016 1.595 Zivilpersonen getötet oder verletzt und in der Zentralregion, zu der die Provinz Kabul zählt, 2.348 Zivilpersonen (vgl. UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11 f.). Die Anschlagswahrscheinlichkeit sowohl für die Ostregion als auch für die Zentralregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Damit ist derzeit nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Auch insoweit wird auf die obigen Ausführungen in vollem Umfang verwiesen.
III.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Ge-fahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I. 3. verwiesen werden. Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit in Kabul besteht und deren Voraussetzungen über diejenigen im Rahmen des Vorliegens einer extremen Notlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinausgehen, ist auch ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift abzulehnen. Entsprechend obiger Ausführungen liegt bei dem Kläger auch keine schwerwiegende Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsan-drohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO ab-zuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.

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