Verwaltungsrecht

Gebot der unverzüglichen Rüge von Fehlern im Prüfungsverfahren – Abschlussprüfung an der Fachoberschule

Aktenzeichen  7 CE 17.112

Datum:
22.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 103 Abs. 1
VwGO VwGO § 108 Abs. 2, § 146 Abs. 4 S. 6

 

Leitsatz

1 Ein Prüfling, der sich aus gesundheitlichen Gründen nicht prüfungsfähig fühlt, muss dies unverzüglich geltend machen. Die Geltendmachung nach Feststellung des Prüfungsergebnisses ist verspätet. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Fehler im Prüfungsverfahren sind unverzüglich zu rügen. Dies gilt für die Rüge, es sei zu Unrecht kein Nachteilsausgleich wegen einer Legasthenie gewährt oder übliche Hilfsmittel (Formelsammlung) seien unberechtigt vorenthalten worden. (Rn. 7 und 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 E 16.2189 2016-12-21 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Zulassung zur vorläufigen Wiederholung der Abschlussprüfung der Fachoberschule sowie zur Wiederholung der zwölften Klasse der Fachoberschule, bei der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe geprüft werden, hat keinen Erfolg. Nach der im Eilverfahren allein möglichen, summarischen Prüfung wird die Klage des Antragstellers voraussichtlich erfolglos bleiben. Die Beschwerdebegründung vermag den angefochtenen Beschluss im Ergebnis nicht zu erschüttern.
Die vom Antragsteller geltend gemachte Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs führt allein schon deshalb nicht zum Erfolg, weil er im Beschwerdeverfahren – auch aufgrund der gewährten Akteneinsicht – Gelegenheit zu einem umfassenden Vortrag hatte.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft machen können, dass er entgegen der Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2016 die Fachabiturprüfung nicht bereits zum zweiten Mal erfolglos abgelegt hat. Es besteht kein Grund, an den Ausführungen des Antragsgegners zu zweifeln.
Der Antragsteller kann ferner nicht mit den Rügen durchdringen, die seine Prüfungsfähigkeit betreffen, insbesondere seine psychische Verfassung, oder das Prüfungsverfahren, hier besonders den Nachteilsausgleich im Hinblick auf die bei ihm festgestellte Legasthenie oder die Verwendung von Hilfsmitteln. Nach ständiger Rechtsprechung sind Fehler im Prüfungsverfahren unverzüglich zu rügen. Ebenso sind Zweifel an der Prüfungsfähigkeit des Prüflings – aus welchen Gründen auch immer – ggf. unter Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses unverzüglich geltend zu machen.
Hinsichtlich des Termins für die mündliche Prüfung im Fach Physik gilt deshalb folgendes: Den Termin für eine mündliche Prüfung setzt die Schule fest. Einen Anspruch auf einen bestimmten Termin hat der Prüfling nicht. Soweit er sich an dem festgesetzten Prüfungstermin aus körperlichen oder psychischen Gründen nicht prüfungsfähig fühlt, hat er das unverzüglich – ggf. unter Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses – geltend zu machen. Die Geltendmachung nach Feststellung des Prüfungsergebnisses ist verspätet. Auf die Frage, ob der Prüfungstermin einvernehmlich festgelegt worden war, kommt es deshalb nicht an.
Ebenso wäre unverzüglich zu rügen gewesen, dass dem Antragsteller nicht genügend Zeit zur Vorbereitung der wegen einer Erkrankung verschobenen Fachabiturprüfung zur Verfügung gestanden hat.
Gleiches gilt, soweit ihm die Benutzung eines Hilfsmittels, nämlich einer Formelsammlung, verweigert worden ist. Im Übrigen erscheint es legitim, wenn ein Prüfer auch bei grundsätzlicher Zulässigkeit eines bestimmten Hilfsmittels die Benutzung im Einzelfall ausschließt, weil er prüfen will, ob der Prüfling in der Lage ist, eine Formel selbständig herzuleiten. Dies unterfällt dem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren, prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum des dazu berufenen Prüfers. Soweit die Antragstellerseite meint, die Prüfungsleistung in der mündlichen Prüfung im Fach Physik sei mit einem bestimmten Ergebnis zu bewerten, stellt sie ihre eigene Bewertung an die Stelle der der hierzu berufenen Prüfer.
Schließlich ist die Rüge, dass der Nachteil des Klägers im Hinblick auf die bei ihm festgestellte Legasthenie nicht hinreichend ausgeglichen worden sei, verspätet. Auch wurde nicht substantiiert dargelegt, dass das Prüfungsergebnis (u.a.) auf einem Zeitmangel beruht. Darüber hinaus besteht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit zwar tatsächlich angemerkt, aber nicht bewertet worden sind. Dass formale Verstöße, wie Durchstreichungen ohne Lineal, Übermalungen oder ein Überschreiben des Blattrands in die Bewertung eingeflossen sind, ist nicht zu beanstanden. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Korrekturvermerke, die sich auf die Form oder die Schreibweise beziehen, Fehler betreffen, die durch die Legasthenie bedingt sind.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerseite können den Prüfungsunterlagen keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass ein Punktabzug stattgefunden hätte, weil der Antragsteller in der mündlichen Prüfung in Englisch die Redezeit überschritten hat.
Nicht zu beanstanden ist, wenn in einer Prüfung in einer Fremdsprache mittels Antwort-Wahl-Verfahrens nach einer am ehesten zutreffenden Antwort gefragt wird, um festzustellen, wie weit der Prüfling einen vorher gelesenen Text inhaltlich verstanden hat. Dass der Antragsteller behauptet, Englisch als Muttersprache erlernt zu haben, ändert daran nichts. Ebenso wenig ist dargelegt, dass bei der Bewertung der Aufgabe, die in der Interpretation eines Cartoons bestanden hat, der prüfungsspezifische Beurteilungsspielraum des Prüfers überschritten worden ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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