Verwaltungsrecht

Grundsatzrüge zur Gruppenverfolgung von Jesiden

Aktenzeichen  5 ZB 19.33239

Datum:
16.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27549
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 78 Abs. 3 Nr. 1
VwGO § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Eine Grundsatzrüge, die auf Feststellung einer Gruppenverfolgung zielt, muss unter Benennung von Erkenntnismitteln darlegen, dass Verfolgungshandlungen  im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 6 K 18.30306 2019-07-23 VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe bereits nicht in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt wurden, jedenfalls aber nicht vorliegen.
a) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass eine konkrete, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
Die Klägerin hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam, ob Jesiden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit im Irak landesweit einer Gruppenverfolgung unterliegen, ob Jesiden sich im Irak gezwungen sehen, ihren Glauben und ihre Religionszugehörigkeit insgesamt geheim zu halten und ob das religiöse Existenzminimum von Jesiden asylerheblich verletzt wird. Darüber hinaus werde die Tatsachenfrage aufgeworfen, ob Zivilisten im Nordirak und auch in der Provinz Ninive derzeit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts derzeit ein ernsthafter Schaden drohe, und ob eine alleinstehende Frau ohne schutzbereite männliche Familienangehörige im Irak eine soziale Gruppe bilde und bei einer Rückkehr landesweit an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein werde.
Zur Begründung der Situation für Jesiden im Irak verweist die Klägerin insbesondere auf die Gefahren, die Jesiden nach wie vor durch den sog. Islamischen Staat (IS) drohten. Als Jesidin sei die Klägerin durch den Einmarsch des IS in Mosul und in der Umgebung im Sommer 2014 einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen, auch wenn der Heimatort der Klägerin in einem Gebiet gelegen sei, das nicht direkt vom IS eingenommen worden sei. Dennoch seien die Menschen dort aus Furcht vor dem IS geflohen. Auch wenn die Klägerin zum Zeitpunkt des Verlassens des Iraks womöglich nicht mehr unmittelbar von einem Vordringen des IS in der Fläche bedroht gewesen sei, habe die 2014 durch den IS begründete Gefahr für die Klägerin in ihrer Heimatregion auch im Jahr 2016 bestanden; sie bestehe auch heute noch, da der IS verstärkt zu einer asymmetrischen Kriegsführung mittels terroristischer Aktivitäten übergehe. Auch habe der IS Schläferzellen eingerichtet, die in den sunnitischen Dörfern und Städten aktiv seien. Nach dem Unabhängigkeitsreferendum der kurdischen Autonomieregion befänden sich in den umstrittenen Gebieten nicht mehr flächendeckend kurdische Peschmerga, sondern Truppen der irakischen Zentralregierung einschließlich schiitischer Milizen. Der irakische Staat sei jedoch nicht in der Lage, Jesiden vor terroristischen Angriffen zu schützen. Des Weiteren sei aufgrund der Gefahrenlage zumindest von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Provinz Ninive auszugehen. Neben der Gefahr von Anschlägen durch den IS sei zu berücksichtigen, dass es Ende Oktober 2017 auch zu militärischen Einsätzen der irakischen Armee gegen die Peschmerga im Nordirak gekommen sei. Außerdem habe die Türkei eine Offensive gegen die kurdische Miliz in Syrien gestartet; sie greife auch kurdische Milizen im Nordirak aus der Luft an.
Mit diesen Ausführungen wird die grundsätzliche Bedeutung der Fragen, ob Jesiden in der Herkunftsregion der Klägerin (Provinz Ninive) nach wie vor einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind und ob dort eine Gefahrenlage vorliegt, die zur Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG führen muss, nicht ausreichend im Sinne von § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.
aa) Dies gilt hier schon deshalb, weil die Fragen für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich waren. Denn dieses hat die Klägerin sowohl hinsichtlich der vorgetragenen Gruppenverfolgung als auch hinsichtlich der Gefahrenlage auf eine inländische Fluchtalternative im kurdischen Autonomiegebiet, insbesondere in der Umgebung der Stadt Dohuk in der gleichnamigen Provinz verwiesen (UA S. 5 f.). Unter Berufung auf den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 12. Januar 2019 führte das Verwaltungsgericht aus, dass gerade in der Stadt Dohuk, nahe des jesidischen Heiligtums Lalesh, sehr viele Jesiden weitgehend ohne Verfolgung und Unterdrückung lebten. Hierzu verhält sich die Zulassungsbegründung nicht.
bb) Auch reichen die von der Klägerin geschilderte Anschlagsgefahr und die militärischen Aktivitäten verschiedenster Gruppen in der Provinz Ninive für die Annahme einer Gruppenverfolgung von Jesiden nicht aus. Hierfür ist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 5 AsylG) die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (vgl. BVerwG, U.v. 31.4.2009 – 10 C 11.08 – AuAs 2009, 173; v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; v. 18.7.2006 – 1 C 15.05 – BVerwGE 126, 243 = BayVBl 2007, 151). Eine derartige Situation legt die Klägerin in der Zulassungsbegründung nicht dar und benennt auch keine Erkenntnisquellen hierzu. Warum die Gruppe alleinstehender Frauen einer (gesteigerten) Verfolgung wegen ihrer jesidischen Religionszugehörigkeit unterliegen soll, wird ebenfalls nicht dargelegt.
cc) Es kann offen bleiben, ob in der Provinz Ninive noch ein bewaffneter Konflikt im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG herrscht (vgl. zur Definition EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-85/12 – NVwZ 2014, 153, LS 1). Denn ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt begründet subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 3e AsylG). Es reicht nicht aus, dass in der Herkunftsregion ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, der zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Für die individuelle Betroffenheit bedarf es einer Feststellung zur Gefahrendichte, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 24 m.w.N. zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Erforderlich ist, dass durch die Auseinandersetzungen, an denen bewaffnete Gruppen beteiligt sind, ein Grad an willkürlicher Gewalt entsteht, so dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, und der Betroffene somit tatsächlich internationalen Schutz benötigt (EuGH, U.v. 30.1.2014 a.a.O. LS 3). Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt nicht schon bei inneren Unruhen und Spannungen wie Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder ähnlichen Handlungen vor. Vielmehr muss ein Konflikt ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie dies etwa bei Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen der Fall ist (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 22).
Für die Feststellung der Gefahrendichte können dabei die Kriterien, die im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung gelten, entsprechend herangezogen werden. Zur Ermittlung einer für die Annahme einer erheblichen Gefahr ausreichenden Gefahrendichte ist aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Herkunftsregion lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie die Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Bezug zu setzen; erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 22 f.; BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris). Eine solche Gefahrendichte hat die Klägerin in der Zulassungsbegründung nicht dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
Wegen der besonderen Situation der Klägerin als alleinstehender Frau ohne Verwandte in der Herkunftsregion wurde im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2018 festgestellt, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK besteht.
b) Die Berufung ist auch nicht nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO wegen eines Verfahrensmangels – hier wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 138 Nr. 3 VwGO – zuzulassen.
Das rechtliche Gehör als „prozessuales Urrecht“ des Menschen sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Das rechtliche Gehör gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich geboten Mindeststandards, dass ein Kläger die Möglichkeit hat, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Ein Gehörsverstoß liegt deshalb nur vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238/241). Mit Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, B.v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/273 = NJW 1967, 1955; BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8).
Die Klägerin trägt vor, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen der Beweiserhebung ihren Vortrag sowohl in der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und in der Klagebegründung vom 15. Juli 2019 als auch in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2019 bezüglich ihrer Verfolgung nicht ausreichend ermittelt und berücksichtigt. Die Klägerin sei aufgrund der Bedrohung ihres Dorfes vor dem IS in das Kurdengebiet geflohen. Schon vor der Bedrohung habe die Klägerin Erniedrigungen und Beschimpfungen als Jesidin erlitten. Sie habe ihre Religion nicht offen zeigen können, sondern sei unterdrückt und diskriminiert worden. Sie habe Angst gehabt, ihre religiöse Identität zu zeigen und die religiösen Riten auszuüben. Die Klägerin sei daher aufgrund der konkreten Drohungen und der schon erfahrenen Verfolgung in das Bundesgebiet geflohen. Hierüber habe das Verwaltungsgericht keinerlei Beweis erhoben. Weiterhin habe das Verwaltungsgericht die aktuellen Ereignisse im Nordirak, zum Beispiel die militärische Auseinandersetzung zwischen der irakischen Armee und den kurdischen Peschmerga nicht weiter berücksichtigt. Das Urteil verletze daher die gerichtliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO) und den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Klägerin sei als Jesidin bei Verlassen ihres Heimatlandes von einer Gruppenverfolgung seitens des IS unmittelbar bedroht gewesen. Die Kämpfer des IS seien bis in die unmittelbare Umgebung ihres Dorfes vorgedrungen. Deshalb sei die Klägerin vor dem Verlassen des Iraks einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen.
aa) Mit dieser klägerischen Kritik wird kein Verfahrensfehler i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO dargelegt. In der Sache geht es um die Frage der inhaltlichen Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Bewertung der von der Klägerin geltend gemachten Vorverfolgung, mithin um die Würdigung der gesamten Umstände des Falls durch das Gericht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wobei die Sachverhalts- oder Beweiswürdigung grundsätzlich dem Bereich des materiellen Rechts zuzuordnen ist. Aus diesem Grund führt eine fehlerhafte Sachverhalts- oder Beweiswürdigung im Ausgangspunkt zu einem materiell-rechtlichen Fehler, nicht aber zu einem Verfahrensfehler (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2018 – 14 ZB 17.30263 – juris Rn. 7). Im Asylprozess kann die Verletzung materiellen Rechts als solche jedoch nicht zu einer Berufungszulassung führen, weil § 78 Abs. 3 AsylG mangels einer dem § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entsprechenden Vorschrift den Zulassungsgrund der „ernstlichen Zweifel“ an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gerade nicht vorsieht.
Im Übrigen führt das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 5) aus, das Gericht gehe auch aufgrund des nachvollziehbaren Vorbringens der Klägerin davon aus, dass sie ihren Heimatort im Jahr 2014 wegen der drohenden Verfolgung durch den IS bezüglich ihrer Religionszugehörigkeit verlassen habe. Eine so hohe Gefahr, dass von einer politischen Verfolgung, insbesondere von einer Gruppenverfolgung aller Jesiden im Irak ausgegangen werden könne, sei aber nach der Vertreibung des IS, die offiziell am 9. Juli 2017 vom Ministerpräsidenten verkündet worden sei, nicht (mehr) gegeben. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Auseinandersetzungen zwischen schiitischen Arabern und Jesiden. In weiten Teilen der kurdischen Gebiete seien Übergriffe allenfalls in geringem Umfang gegeben, sodass nicht von einer Gruppenverfolgung der Jesiden ausgegangen werden könne.
bb) Bei dem von der Klägerin behaupteten Verstoß gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht bzw. den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) handelt es sich grundsätzlich nicht um einen Gehörsverstoß und damit um einen absoluten Revisionsgrund nach § 138 VwGO, der von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG erfasst wäre (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2019 – 5 ZB 19.50014 – juris Rn. 11 f.; B.v. 25.1.2019 – 13a ZB 19.30064 – juris Rn. 2; B.v. 15.5.2015 – 13a ZB 15.30074 – juris Rn. 7). Die in den einzelnen Prozessordnungen in unterschiedlichem Umfang vorgesehenen Hinweis-, Aufklärungs- und Erörterungspflichten, die über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehen, sich zu dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt äußern zu können, sind, auch wenn sie im einfachen Prozessrecht verankert sind, von der Schutzwirkung des Rechts auf Gehör nach Art. 91 Abs. 1 BV und Art. 103 Abs. 1 GG nicht umfasst (BayVerfGH, E.v. 29.1.2014 – Vf. 18-VI-12 – juris Rn. 35; E.v. 9.8.1991 – VF. 117-VI-90 – VerfGHE 44, 96/102).
Eine Gehörsverletzung im Sinn des § 138 Nr. 3 VwGO liegt insoweit bei Verstößen gegen prozessrechtliche Bestimmungen nur in besonderen Fällen vor. So ist anerkannt, dass die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantrages einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und damit einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO darstellen kann; dies ist aber nur der Fall, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – juris; BVerwG, B.v. 12.3.2004 – 6 B 2.04 – juris, jeweils m.w.N.; NdsOVG, B.v. 3.4.2019 – 11 LA 12/18 – juris Rn. 18; B.v. 16.12.2004 – 8 LA 262/04 – juris Rn. 4). Fehlt es an einem förmlichen Beweisantrag, kommt hinsichtlich der Sachaufklärungspflicht eine Verletzung des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG in einer nach § 138 Nr. 3 VwGO beachtlichen Weise nur in Betracht, wenn das Gericht eine Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 4.3.2014 – 3 B 60.13 – juris Rn. 7 a.E.). Ausweislich der Niederschrift vom 23. Juli 2019 hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts keinen Beweisantrag gestellt. Was das Verwaltungsgericht weiter hätte aufklären und durch welche Beweismittel das hätte geschehen sollen, legt Klägerin in der Zulassungsbegründung auch nicht dar.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
3. Da der Antrag auf Zulassung der Berufung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben kann, ist auch der für das Zulassungsverfahren gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen. Ungeachtet der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin bietet die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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