Aktenzeichen W 8 K 21.30944
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 31. August 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen des Bundesamtes für … decken sich mit den zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln.
Das Gericht kommt aufgrund des klägerischen Vorbringens und der zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismittel – ebenso wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid – zu dem Ergebnis, dass der Klägerin keine (politische) Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Der Klägerin ist es nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand oder besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht. Die Klägerin konnte eine Verfolgungsgefahr weder im Hinblick auf ihr Vorfluchtschicksal noch aufgrund ihrer Konversion vom Islam zu den B … glaubhaft machen.
Das Bundesamt für … hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt, dass es sich beim Vorfluchtgeschehen um keine Verfolgung im flüchtlingsrechtlich und asylrechtlich relevanten Sinne handele. Vielmehr sei die Klägerin willkürlich ohne Vorliegen eines bestimmten Verfolgungsgrundes von einem nichtstaatlichen Akteur, dem Vater, bedroht worden. Es handele sich um kriminelles Unrecht. Es sei unwahrscheinlich, dass eine zwangsweise Verheiratung überhaupt konkret in Betracht gekommen sei. Jedenfalls bestehe für die Klägerin die Möglichkeit, Schutz im Sinne des § 3d Abs. 2 AsylG durch den iranischen Staat, der hierzu gewillt und auch in der Lage sei, in Anspruch zu nehmen. Die Mutter der Klägerin habe ihrerseits bei ihrer Anhörung angegeben, dass sie sich ein Leben ohne ihren Mann in T … in einer eigenen Wohnung vorstellen könne. Die Klägerin habe eine begründete Furcht von einem ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht. Die Angaben zu den fluchtauslösenden Ereignissen seien arm an Details, vage und oberflächlich geblieben. Die Angaben seien in sich widersprüchlich. Wenig verständlich erscheine die Reaktion des Vaters, kurz vor dem Hochzeitstermin eine Reise nach Europa unternehmen zu wollen und sie dort auch noch alleine und unbeaufsichtigt im Hotel zu lassen. Die Angaben zur Reise nach I … und nach Deutschland erschienen konfus. Auch in Deutschland sei die Klägerin mit ihrer Familie, während der Vater einen Kumpel besucht habe, unbeaufsichtigt gewesen. Auch die vorgetragene Zwangsverheiratung sei wenig glaubhaft. Die Mutter habe angegeben, es handle sich bei dem zukünftigen Bräutigam um einen Cousin; demgegenüber habe die Klägerin selbst angegeben, es handle sich um ein Kind der Schwester eines Freundes des Vaters. Die Klägerin habe sich wohl zunächst selbst nicht bedroht gefühlt. Sie habe jedenfalls in I … keinen Asylantrag gestellt und in Deutschland einen zuerst gestellten Antrag wieder zurückgenommen. Die Grundversorgung im I … sei gesichert. Die Klägerin sei eine gesunde und arbeitsfähige Frau, die von ihrer Mutter und ihrem Bruder unterstützt werde. Aus der weltweit aufgetretenen Covid-19-Pandemie ergebe sich keine konkrete Gefährdung der Klägerin. Im I … bestünden wie auch in anderen Staaten individuelle persönliche Schutzmöglichkeiten, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Ergänzend ist anzumerken, dass das Vorbringen der Klägerin im gerichtlichen Verfahren im Ergebnis keine andere Beurteilung rechtfertigt.
Die Klägerin hat im gesamten Klageverfahren betreffend ihr Vorfluchtschicksal zunächst nichts vorgebracht, insbesondere ihr Vorbringen im Wesentlichen pauschal auf die beim Bundesamt genannten Gründe gestützt, ohne die im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid aufgeführten Einwände zu entkräften. Im gerichtlichen Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, hat die Klägerin die bestehenden Zweifel und Ungereimtheiten nicht ausräumen können. Insoweit wird ergänzend auf das Vorbringen ihres Bruders zum gleichen Verfolgungsschicksal Bezug genommen welches ebenfalls nicht überzeugend und glaubhaft war (vgl. VG Würzburg, U.v. 11.10.2021 – W 8 K 21.30533 – juris Rn 24 ff.). Ungereimtheiten und auch Widersprüche zum Vorbringen des Bruders finden sich so etwa bei der Schilderung der Situation am Flughafen im Zusammenhang mit der endgültigen Trennung vom Vater sowie bei weitere Einzelheiten, etwa zur Verletzung der Nase der Klägerin, zur elterlichen Wohnung im Iran, in der die Klägerin mit Mutter und Bruder über einen Monat eingesperrt gewesen sein will, den Nachbarschaftsverhältnissen und den Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme zu den Nachbarn.
Obwohl ihr Bruder angegeben hatte, die Nase der Klägerin sei nicht gebrochen gewesen, behauptete die Klägerin in der mündlichen Verhandlung das Gegenteil, man habe es dem Bruder lediglich nicht gesagt. Während der Bruder erklärte, er vermute, sie hätten im 3. Stock gewohnt, gab die Klägerin an, sie hätten im 4. Stock gewohnt. Die Klägerin konnte weiter nicht plausibel erklären, warum es ihnen nicht möglich gewesen sein sollte, trotz eines Eingesperrtseins von über einem Monat – der Bruder gab sogar an, 35 bis 40 Tagen eingesperrt gewesen zu sein – bei häufiger Abwesenheit des Vaters Kontakt mit den Nachbarn aufzunehmen, damit diese jemanden hätten verständigen können, z.B. wohlgesonnene Verwandte oder sonstige vertraute Personen. Widersprüchlich zur Aussage des Bruders ist auch die Angabe der Klägerin, sie hätte mit den Nachbarn keinen Kontakt aufnehmen können, weil sie selbst Krach nicht gehört hätten. Demgegenüber hat der Bruder bei der mündlichen Verhandlung in seinem Verfahren erklärt, dass laute Geräusche von den Nachbarn hätten mitgehört werden können. Die Klägerin räumte zudem selbst ein, sie hätten einen Balkon gehabt. Dann brachte sie aber noch als weiteres Argument, im Iran mische man sich nicht in andere Familienangelegenheiten. Um eine Einmischung in fremde Angelegenheiten wäre es aber bei der Hilfe zur Herstellung eines Kontaktes aber nicht gegangen. Die weitere Erklärung der Klägerin, die Mutter sei besorgt gewesen, dass der Vater sie in dieser Situation hätten erneut verletzen können, überzeugt nicht, weil auch insoweit ein vorsichtiges Agieren möglich gewesen wäre. Demgegenüber gab der Bruder an, der Vater sei immer wieder sporadisch zurückgekommen. Plausibel erscheinen diese Erklärungen gesamtbetrachtet nicht, um eine Gefährdungssituation glaubhaft zu machen.
Hinzu kommt, dass die Klägerin trotz gerichtlicher Nachfrage nichts Aktuelles zu einer fortdauernden Gefahr seitens des Vaters zu berichten wusste. Sie gab nur pauschal an, sie habe von ihrer Tante bzw. von ihrem Onkel erfahren, dass der Vater nach ihnen suche. Die Drohungen hielten an. Aber sie würden nicht mehr darüber informiert, damit sie nicht in Sorge seien. Die letztmalige Information stamme laut Klägerin vom letzten Winter, also erfolgte vor mindestens acht bis neun Monaten. Die Klägerin stützt ihre Verfolgungsfurcht so insgesamt nur auf Vermutungen und Spekulationen, da weitere mit Tatsachen untermauerte Angaben zu konkreten Verfolgungsmaßnahmen bzw. Drohungen gerade seit der Trennung vom Vater fehlen. Von eventuellen, auch gerade aktuellen Verfolgungsmaßnahmen bzw. Bedrohungen konkret gegen ihre Person, geschweige denn Belege dafür, die sie dem Gericht hätte präsentieren können, berichtete die Klägerin nichts. Es erscheint lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin – gerade in Anbetracht des laufenden gerichtlichen Verfahrens – nicht aus eigenem Antrieb weitere konkrete Erkundigungen über Informationen eingezogen hat, die auf eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehende Gefahr für sie hindeuten. Gerade wenn jemand verfolgt wird bzw. eine Verfolgung befürchtet – und damit sein Asylbegehren in Deutschland begründet -, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Verfolgungsgefahr zu besorgen und diese auch von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In diese Richtung ist nicht Substanziiertes vorgetragen worden, sondern nur ausweichend auf eine nicht näher eingegrenzte, länger zurückliegende Information vom Hörensagen seitens der Mutter verwiesen worden. Danach drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen gegen die Person der Klägerin im Iran erfolgt sind oder bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeiten drohen. Nach alledem bleiben gravierende und durchgreifende Zweifel am Bestehen bzw. Fortbestehen einer ernsthaften Bedrohungslage.
Gegen eine ernsthafte Verfolgungsgefahr und begründete Verfolgungsfurcht spricht des Weiteren, dass nach Aussage der Mutter bei ihrer Bundesamtsanhörung am 26. Oktober 2020 (siehe deren Protokoll S. 8) geplant gewesen sei, seinerzeit von G … in den I … zurückzukehren und in T … getrennt vom Vater zu leben. Dieser Aussage der Mutter widersprach die Klägerin, indem sie angab, sie hätten vorgehabt in G … zu bleiben und die Lage zu sondieren. Weiter fällt in dem Zusammenhang auf, dass die Klägerin aus angeblicher Furcht vor den Aufnahmebedingungen in Deutschland, konkret in B …, zunächst ihren Asylantrag zurückgezogen hatte. Sie befürchteten laut Klägerin dort zu erkranken, insbesondere an Hautkrankheiten, und hätten deshalb vorgezogen stattdessen lieber in den I … zurück zu gehen, weil sie sich gedacht hätten, sie könnten dann auch zu Hause sterben, bevor sie in B … sterben würden. Man hätte ihnen richtig Angst eingejagt. Kurz darauf gab die Klägerin aber auch selbst wieder an, sie hätten gedacht, vielleicht könnten sie irgendwo im I … untertauchen.
Aber selbst, wenn man nach dem Vorbringen der Klägerin von einer gewissen Bedrohungslage für sie durch ihren Vater ausgehen wollte, besteht nach Überzeugung des Gerichts für die Klägerin jedenfalls die Möglichkeit einer inländischen Flucht- bzw. Aufenthaltsalternative (§ 3e AsylG, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Die Klägerin muss sich auf eine zumutbare interne Schutzmöglichkeit im Iran verweisen lassen (BayVGH, U.v.29.10.2020 – 14 B 20.30408 – juris Rn. 46). Die Klägerin könnte sich – allein oder zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder – in einen anderen Landesteil oder eine andere Großstadt im I … begeben. Denn im Iran besteht im ganzen Land Bewegungsfreiheit (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 2.7.2021, S. 74). Es ist nicht erkennbar, dass der Vater der Klägerin, von dem die Bedrohung angeblich kam und kommt, überhaupt mitbekommen müsste, dass die Klägerin in ihre Heimat zurückkehrt und dass dieser sie angesichts der Größe I … und der Größe der dortigen Städte entdecken und gefährden könnte, wenn der Vater überhaupt ein fortbestehendes Interesse an der Person der Klägerin hat. Der pauschale Einwand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, der Vater verfüge durch seinen Geschäftspartner bzw. durch Freunde aus seiner Fußballmannschaft über Beziehungen, erscheint nicht plausibel, zumal der Vater sie auch in den letzten zwei Jahren in Deutschland nicht hat ausfindig machen können. Abgesehen davon hat – wie schon ausgeführt – die Mutter der Klägerin bei ihrer Bundesamtsanhörung am 26. Oktober 2020 (siehe deren Protokoll S. 8) ausdrücklich angegeben, sie hätten seinerzeit eine Weile in G … bleiben wollen, anschließend in den I … gewollt und dort in Teheran in einer eigenen Wohnung leben und dort bleiben wollen. Die Mutter hatte sich offensichtlich mit dem Gedanken angefreundet, abseits des Vaters im T … leben zu können, ohne dass sie offenbar unlösbare Probleme damit verbunden sah. Dafür spricht auch die schon erwähnte zeitweilige Absicht der Klägerin, von Deutschland aus freiwillig in den I … zurückkehren und untertauchen zu wollen. Ein Umzug innerhalb I … mag zwar bei einer eventuellen Verfolgung durch staatliche Behörden fraglich sein, ist aber eine zumutbare Lösung bei eventuellen Nachstellungen von Privatpersonen, konkret des Vaters. Die Klägerin könnte sich auch das Existenzminimum an einem anderen Ort im I … sichern, gegebenenfalls auch mittels Unterstützung insbesondere seitens ihrer im Iran lebenden Verwandten bzw. ihres Bruders und ihre Mutter, deren Asylanträge – wenn auch noch nicht bestandskräftig – ebenfalls abgelehnt worden sind (vgl. VG Würzburg, U.v. 11.10.2021 – W 8 K 21.30533 – juris sowie U.v. 22.3.2021 – W 8 K 20.31267 – juris; U.v. 8.3.2021 – W 8 K 20.30921 – juris; U.v. 1.2.2021 – W 8 K 20.31049 – juris; VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 – AN 19 K 20.30605 – juris; BayVGH, U.v. 29.10.2020 – 14 B 20.30408 – InfAuslR 2021, 130).
Das Bundesamt hat weiter zu Recht ausgeführt, dass die Grundversorgung im I … gesichert ist und sich die Klägerin mit oder ohne Hilfe ihrer Verwandten durch eigene Arbeit die Existenz sichern könnte, wobei aber davon auszugehen ist, dass die Klägerin realistischer Weise mit ihrem Bruder und ihrer Mutter in den I … zurückehrt (vgl. BayVGH, U.v. 29.10.2020 – 14 B 20.30408 – juris Rn. 47 und 59). Darüber hinaus gibt es Rückkehr- und Reintegrationsprojekte. Insbesondere IOM ist seit 2014 beteiligt. Auch über REAG/GARB gibt es Hilfen (vgl. dazu auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran, Stand Dezember 2020, vom 5.2.2021, S. 24; IOM, Länderinformationsblatt Islamische Republik Iran 2021; BfA, Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 2.7.2021, S. 79 ff., 82 ff., 83 sowie VG Würzburg, U.v.11.10.2021 – W 8 K 21.30533 – juris; U.v. 22.3.2021 – W 8 K 20.31267 – juris; U.v. 8.3.2021 – W 8 K 20.30921 – juris; U.v. 1.2.2021 – W 8 K 20.31049 – juris).
Die Klägerin kann so bei einer freiwilligen Rückkehr sowohl zusätzlich Start- bzw. als auch Rückkehrhilfen und Reintegrationshilfen in Anspruch nehmen und ihre finanzielle Situation verbessern, um gerade auch Startschwierigkeiten bei einer Rückkehr zu überbrücken. Gegen diese Möglichkeit kann sie nicht mit Erfolg einwenden, dass Start- bzw. Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehr, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückkehr, erfolgen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/19 – juris).
Nach alledem hat das Gericht auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse keine Bedenken, dass die Klägerin sich bei einer Rückkehr in den I … jedenfalls das wirtschaftliche Existenzminimum sichern kann. Erforderlich, aber auch ausreichend hierfür ist die Sicherung der Existenz auf einem Mindestniveau, das eine Verletzung des Art. 3 EMRK vermeidet (BVerwG, U.v. 18.2.2021 – 1 C 4.20 – NVwZ 2021, 878).
Des Weiteren hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund ihres Kontakts und den Aktivitäten im Zusammenhang mit der Religionsgemeinschaft der B … Zwar besteht aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den in den Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ergibt (siehe nur BfA, Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 2.7.2021, S. 57 f.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran, Stand Dezember 2020, vom 5.2.2021, S. 13 f.), im Iran für Mitglieder der Bahá’í eine beachtliche Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Iran. Dies gilt erst recht für Konvertiten, die vom Islam zu den B … konvertiert sind (vgl. allgemein zu Konvertiten VG Würzburg, U.v. 25.1.2021 – W 8 K 20.30746 – juris sowie konkret zu den B … VG Würzburg, U.v. 21.10.2015 – W 6 K 15.30149 – juris; Ue.v. 15.02.2013 – W 6 K 12.30204 und W 6 K 12.30216 – juris; jeweils m.w.N.).
Denn jedenfalls ist eine ernsthafte und nachhaltige Konversion zur Religionsgemeinschaft der B … nach Überzeugung des Gerichts noch nicht glaubhaft vollzogen.
Denn die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt eine echte Glaubensentscheidung der Betreffenden voraus, die im Fall einer Rückkehr trotz der im Iran drohenden Nachteile und Gefahren Bestand hätte und erwarten lässt, dass die Betreffende an ihren neuen Glauben festhält und diesen auch im Iran praktizieren will. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zum B … auf einen ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer festen, identitätsprägenden Überzeugung und nicht bloß auf Opportunitätserwägungen beruht. Denn nur wenn der Glaubenswechsel die religiöse Identität der Schutzsuchenden prägt, ist der betreffenden Person nicht zumutbar, ihre neue Glaubenszugehörigkeit im Herkunftsland zur Vermeidung staatlicher oder nicht staatlicher Repressionen zu verschweigen, zu verleugnen oder aufzugeben. Hierzu gehört nicht nur, dass die Konvertierte mit den wesentlichen Grundelementen ihrer neuen Religion vertraut ist, sondern sie muss auch die Religion verinnerlicht haben, dass es ihr ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Falle einer Rückkehr in den Iran ungehindert leben zu können. Es muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass sich die Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran in einer Art und Weise religiös auch nach außen hin betätigen würde, dass sie der tatsächlichen Gefahr asylrelevanter Verfolgungshandlungen ausgesetzt wäre (vgl. zuletzt nur VG Gießen, U.v. 4.6.2021 – 5 K 513/20.GI.A, 7758789 – juris; VG Hamburg, U.v. 7.10.2020 – 10 A 20/19 – juris; VG Augsburg, U.v. 9.5.2019 – Au 5 K 18.31137 – juris; jeweils m.w.N.).
Erforderlich und ausreichend ist – wie bei der Konversion vom Islam zum Christentum -, dass eine konvertierte Person im I … nach außen erkennbar in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten, wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder sonst zumindest ihrem neu angenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – entsprechend ihrer Prägung sonst aktiv nach außen zeigen will bzw. gezwungenermaßen unter dem Druck drohender Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichten würde. Der Glaubenswechsel muss dabei auf einer festen Überzeugung und einen ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruhen und nunmehr die religiöse Identität prägen. Die Person muss auch gewillt sein, ihre neue Religion in ihrem Heimatstaat auszuüben (vgl. zum christlichen Glauben zuletzt etwa nur VG Würzburg, U.v. 4.10.2021 – W 8 K 21.30835 – juris Rn. 22 f.; BayVGH, U.v. 29.10.2020 – 14 B 19.32048 – juris; jeweils m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Klägerin im vorliegenden Verfahren die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
Denn aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung besteht nach Überzeugung des Gerichts für die Klägerin keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei ihrer Rückkehr in den I …, da sich die Klägerin (noch nicht) aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar endgültig vom Islam abgewandt und ernsthaft und auf Dauer den Glauben der B … angenommen hat. Das Gericht ist weiter nicht davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen religiösen Prägung jetzt schon das unbedingte Bedürfnis hat, ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen öffentlich auszuüben und dass sie ihn auch tatsächlich öffentlich ausübt. Insbesondere ist nicht zu erwarten, dass die Klägerin bei einer angenommenen Rückkehr in ihre Heimat ihrer neu gewonnenen Religion entsprechend leben würde. Das Gericht hat jedenfalls bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht die Überzeugung vom Vorliegen einer vollzogenen Religionskonversion und einer daraus resultierenden Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den I … Gegen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft spricht, dass sich die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts allenfalls auf dem Weg vom Islam hin zu den B … befindet, aber den Schritt noch nicht endgültig vollzogen hat.
Die Klägerin hat erstmals in einem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 21. November 2021 (Sonntag), der dem Einzelrichter erst wenige Stunden vor der mündlichen Verhandlung zuging, erwähnt, dass sie zu den B … konvertiert sei, obwohl sie von Rechts wegen gehalten gewesen war, binnen Monatsfrist nach Zustellung des streitgegenständlichen Bundesamtsbescheids ihre Klagegründe vorzubringen, wie ihr auch in der Rechtsbehelfsbelehrungdes betreffenden Bescheids verdeutlicht worden war. Des Weiteren hatte das Gericht der Klägerin mit Schreiben vom 13. Oktober 2021 eine weitere Frist gemäß § 87b Abs. 3 VwGO bis 8. November 2021 gesetzt, um entsprechende Klagegründe und neue Tatsachen vorzubringen. Auch diese Frist hat sie missachtet.
Erstmals in dem Anwaltsschreiben vom 21. November 2021 sowie in der mündlichen Verhandlung erwähnte die Klägerin, dass sie bei den B … Kurse besuche. Allerdings erklärte sie auch, dass sie überhaupt erst seit ca. 1 ½ Monaten bei den B … sei und den R … 1-Kurs sowie einen weiteren Kurs namens „I …“ besuche. Dabei räumte sie selbst ein, dass sie die Kurse zum einen nur online besuche und zum anderen dies auch nur mache, soweit sie dies mit ihrem Schulbesuch vereinbaren könne.
Das Gericht ist auch sonst nicht davon überzeugt, dass die Klägerin den Abfall vom Islam und die Hinwendung zur Religionsgemeinschaft der B … schon endgültig vollzogen hat. Als Beweggrund für die Hinwendung zu den B … – die erst nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids begonnen wurde -, gab die Klägerin lediglich an, dass ihre Mutter konvertiert sei und diese dadurch Ruhe gefunden habe. Eigene Motive brachte die Klägerin indes nicht vor. Sie erwähnte nur, dass es ein gutes Omen sei, dass sie am 5. November 2019 den Iran verlassen hätten und der 5. November auch der Geburtstag von B … sei. Die Klägerin merkte zwar an, dass es im Islam keine Gleichberichtigung von Mann und Frau gebe. Diese gebe es bei den B … Dann nannte sie aber als eigentlichen Hauptgrund ihrer Konversion wieder die Konversion der Mutter. Die Klägerin konnte trotz gerichtlicher Nachfrage keine eigenen religiösen Beweggründe für ihre Abwendung vom Islam und ihrer Hinwendung zur Religionsgemeinschaft der B … sowie für sie wesentliche Unterschiede der beiden Religionen benennen. Das Gericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung den Eindruck, dass die Klägerin letztlich nicht aus eigenem Gewissensentschluss, sondern vielmehr in Gefolgschaft ihrer Mutter Kontakt zu den B … aufgenommen hat.
Darüber hinaus offenbarte die Klägerin keine weitergehenden Glaubenskenntnisse über die religiöse Gemeinschaft der B …, etwa wie die Schriften des B … Die Klägerin gab lediglich an, seit kurzem Kurse online zu besuchen. Sie habe noch an keinen Zusammenkünften der B … teilgenommen. Sie räumte ein, weder an irgendwelchen Andachten, Zeremonien oder sonstigen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Klägerin gab zudem an, es gebe zwar in B … das Fasten und das Beten. Sie sei aber noch nicht so weit, deshalb nehme sie noch nicht daran teil. Sie bete ab und zu für sich, gerade an Tagen, an denen sie das Bedürfnis habe, Ruhe zu finden oder sich für etwas zu bedanken. Feiertage und Kalender der B … kenne sie nicht. Sie sei noch nicht soweit; sie sei ganz neu dazugekommen.
Das Gericht hat nach alledem nicht den Eindruck, dass die Klägerin schon die fundamentalen Unterschiede zwischen dem Islam und ihren neuen Glauben verinnerlicht hat. Die Klägerin ließ sich nicht näher zu den Lehren des B … aus und kannte auch nicht etwa die wichtigsten Glaubensgrundsätze der B … Sie wusste nicht, dass der Kalender der B … aus 19 Monaten zu je 19 Tagen sowie aus vier bzw. fünf weiteren Tagen besteht. Sie kannte nicht die Veranstaltungen, die alle 19 Tage stattfinden. Sie konkretisierte nicht die Ge- und Verbote sowie die verschiedenen Gebete, großes, mittelgroßes, kleines Gebet. Auch die Feiertage waren ihr fremd. Die Klägerin wusste nichts von üblichen Riten ihrer Glaubensgemeinschaft in ihrem Alltag. Bislang fehlen grundlegende Glaubenskenntnissen und ein eindeutiges und überzeugendes Bekenntnis zum Glauben der B … Das Gericht hat vielmehr den Eindruck, dass bei der Klägerin die Teilnahme an den Kursen nicht aus ernsthaften Gewissensgründen, sondern aus anderen Gründen erfolgt.
Voraussetzung für die Konversion zu der Religion der B … ist indes die Akzeptanz des B … als Manifestation Gottes, der Wunsch nach seiner Lehre zu leben und der B …-Gemeinde anzugehören. Dass diese Voraussetzungen (jetzt schon) bei der Klägerin vorliegen, hat sie nicht hinreichend substanziiert.
Des Weiteren ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Klägerin bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran ihren eventuellen Glauben an die Religionsgemeinschaft der B … einem identitätsprägenden Bedürfnis entsprechend öffentlich ausüben würde, weil es bei ihr gerade an einer andauernden entsprechenden religiösen Prägung mangelt. Zudem praktiziert die Klägerin eine öffentliche und außenwirksame Religionsausübung nicht einmal in Deutschland. Der alleinige Besuch von Onlinekursen wäre ihr auch im Iran gefahrlos möglich.
Erheblich gegen eine bereits vollzogene Konversion spricht auch die bislang fehlende Aufnahme in die Religionsgemeinschaft der B … Das Aufnahmegespräch stellt das zentrale Element der Religionsgemeinschaft der B … gerade bei Ausländern aus dem Iran dar.
Denn nach der Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der B … in Deutschland an das Bundesamt für … vom 16. November 2011 wird beim Aufnahmegesuch jeder Fall einzeln sorgfältig geprüft. Dabei werden in einem persönlichen Gespräch zwischen zwei Beauftragten und den Bewerbern versucht, die Person kennenzulernen und ihre Motive einzuschätzen. So werde in Erfahrung gebracht, wie und wo die Person den B …-Glauben kennengelernt habe, wie die Lebensumstände und der Aufenthaltsstatus seien und ob über einen längeren Zeitraum hinweg das Interesse am Glauben deutlich geworden sei, ob Kenntnisse über den Glauben vorhanden seien und eine regelmäßige Teilnahme an den B …-Aktivitäten vorliege. Ziel sei es ohnehin, sich ein Bild von der Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit des Verhaltens zu machen. So würden auch Auskünfte vor Ort eingeholt. Eine Aufnahme in die Gemeinde erfolge nur, wenn keinerlei Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung bestünden und der Nationale Geistige Rat sich von der Aufrichtigkeit der Motive habe überzeugen können. Es müsse deutlich sein, dass Beweggrund ausschließlich die Anerkennung des B … sei. Andere Beweggründe würden nicht akzeptiert. Wo dies nicht eindeutig der Fall sei, seien Anträge auf Aufnahme in die Gemeinde abgelehnt oder zur erneuten Prüfung nach mehreren Monaten zurückgestellt worden (vgl. auch Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der B … in Deutschland vom 5.9.2012 an das VG Regensburg).
Das Vorstehende hat der Sekretär des Nationalen Geistigen Rates der B … in Deutschland bei einer Zeugenaussage am 15. Februar 2013 im Verfahren W 6 K 12.30204, auf die Bezug genommen wird, ausdrücklich bestätigt. Der Zeuge wies darauf hin, dass es bei der Aufnahme von Bewerbern in der Religionsgemeinschaft der B … Besonderheiten gebe für Personen, etwa aus Ländern wie dem Iran, in dem Verfolgung herrsche. Deshalb würden bei diesen Personen die Aufnahmevoraussetzungen besonders geprüft. Gerade auch um Missbrauch vorzubeugen, gehe es bei der Aufnahmeprüfung darum, die Aufrichtigkeit der Beweggründe festzustellen und zu prüfen, ob sich die innere Glaubensüberzeugung manifestiert habe. Es gehe auch darum, andere Absichten auszuschließen. Um Missbrauch von Bewerbern mit asyltaktischen Motiven auszuschließen, würden sie prüfen, ob der Bewerber B … sei. Bei Zweifeln würden die B … die Aufnahme zurückstellen und den Bewerber bitten, sich nach sechs Monaten nochmals zu melden. Sie würden regelmäßig Bewerber ablehnen, auch zum zweiten Mal, von denen sie nicht überzeugt seien, dass sie aufrichtige B … seien. Ausschlaggebend für eine vollzogene Religionskonversion ist nach alledem jedenfalls nicht allein der Aufnahmewunsch des Betreffenden.
Mangels Aufnahmegespräch und Aufnahme in die Religionsgemeinschaft der B … fehlt es des Weiteren vor allem auch an einer nach außen getragenen Manifestation der behaupteten Konversion. Zwar ist aus der Sicht des iranischen Staates bei der Konversion vom Islam zu einer anderen Religionsgemeinschaft nicht auf einzelne förmliche Akte der neuen Religion abzustellen, sondern auf den nach außen getragenen Abfall vom Islam unter Hinwendung zu einer anderen Religion. Jedoch ist grundsätzlich erforderlich, die Lösung vom Islam nach außen zu manifestieren und zu verfestigen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Betreffende sich nachhaltig und auf Dauer sowie nach außen hin erkennbar ernstlich vom moslemischen Glauben abgewandt hat (vgl. HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120 veröffentlicht auch unter: https://www.asyl.net/rsdb/m16712/ bzw. https://www.asyl.net/fileadmin/user_upload/dokumente/16712.pdf; vgl. auch Dickten in BeckOK AuslR, Kluth/Heusch 31. Edition, Stand: 1.10.2021, § 71 AsylG Rn. 12a). Das Auswärtige Amt hat in seiner Auskunft an das VG Schwerin vom 25. August 2015 ausdrücklich angemerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird. Daran fehlt es bei der Klägerin.
Solange das Aufnahmegespräch nicht stattgefunden hat und auch keine positive Entscheidung zur Aufnahme seitens der Religionsgemeinschaft der B … gefallen ist, sieht das Gericht dies als weiteres starkes Indiz an, dass die Religionsgemeinschaft der B … selbst noch Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Konversion hat. Dafür sprechen die oben zitierten Aussagen des Nationalen Geistigen Rates der B … Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass die förmliche Aufnahme zur Religionsgemeinschaft der B … eine reine Formalie sei. Angesichts der Aussagen aus den Reihen des Nationalen Geistigen Rates der B … ist davon auszugehen, dass dieser selbst noch nicht von einer nachhaltigen und endgültigen vollzogenen Konversion und von einer nach außen getragenen Manifestation der Konversion überzeugt ist.
Auch nach der Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 20.12 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 15 sowie EuGH, U.v. 5.9.2012 – C 71/11 und C 99/11 – ABl. EU 2012, Nr. C 331, 5 – ZAR 2012, 433) ist für die Annahme einer Verfolgungsgefahr erforderlich, dass für die Klägerin eine öffentliche Glaubensbetätigung als zentrales Element ihrer religiösen Identität für sie unverzichtbar ist. Daran hat das Gericht zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei der Klägerin noch durchgreifende Zweifel. Wie ausgeführt, sprechen schon die Angaben zu ihren bisher nur dürftigen religiösen Aktivitäten und zur bislang unterbliebenen öffentlichen Glaubensbetätigung sowie ihre fehlenden Glaubenskenntnisse gegen eine Konversion. Die Klägerin erweckte nicht den Eindruck, dass sie den neuen Glauben schon nachhaltig und endgültig verinnerlicht hat und deshalb bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran als unverzichtbares Element ihre neue Glaubensüberzeugung auch öffentlich betätigen müsste. Zurzeit ist nach Überzeugung des Gerichts nicht davon auszugehen, dass zu erwarten ist, dass die Klägerin bei einer eventuellen Rückkehr in den I … entsprechend des neuen Glaubens der B … leben und nicht doch zum Islam zurückkehren würde. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu erwarten, dass die iranischen Behörden von der Konversion Kenntnis erlangen und darauf repressiv reagieren würden.
Nach alledem erschließt sich für das Gericht nicht, dass die Klägerin jetzt schon das Bedürfnis hat, den neuen Glauben der B … in der Öffentlichkeit zu leben. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin schon zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar endgültig vom islamischen Glauben abgewandt und dem Glauben der B … angenommen hat. Insbesondere hat das Gericht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – noch Zweifel, dass der Hauptbeweggrund zum Wechsel der B … ausschließlich die Anerkennung B … und seine Lehre ist und nicht andere Beweggründe inmitten stehen. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass sie abgesehen von wiederholten Besuchen von Onlinekursen der B … in Deutschland ihre Lebensführung an grundlegenden religiösen Geboten ihrer jetzigen Glaubensvorstellung ausgerichtet hat. Vielmehr erscheinen soziale, persönliche und familiäre Gründe nichtreligiöser Art vorzuwiegen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin einen weiteren Asylantrag (Folgeantrag) stellen kann, wenn die Aufnahme in die Religionsgemeinschaft der B … erfolgt ist und sie sich – nicht nur aus opportunistischen, asyltaktischen oder sonstigen Gründen – dem Glauben der B … endgültig zugewandt hat.
Nach alledem fehlt es zurzeit an einer Grundlage, die als Basis für die Annahme einer möglichen und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung der Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran dienen könnte.
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass der Klägerin sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen seines Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Nur in Einzelfällen ist es zu einer Befragung durch Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt gekommen. Bisher ist kein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Abgesehen davon akzeptiert die iranische Regierung unter Verweis auf die Verfassung grundsätzlich ausschließlich freiwillige Rückkehr (Freizügigkeit). Nur bei unterstützter Rückkehr (also im weiteren Sinne auch Umwandlung von Abschiebung in „freiwillige“ Rückkehr durch finanzielle oder sonstige Anreize) ist eine Kooperation realistisch. Konsularkonsultationen über eine Zusammenarbeit bei der Rückführung sind noch am Laufen und insbesondere hinsichtlich der Rücknahme schwerer Straftäter spezifiziert (siehe zum Ganzen Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran, Stand Dezember 2020 vom 5.2.2021, S. 25 f.; OVG NRW, U.v. 6.9.2021 – 6 A 139/19.A – juris Rn. 74; vgl. im Übrigen VG Würzburg, U.v. 2.1.2020 – W 8 K 19.31960 – juris; U.v. 19.8.2019 – W 8 K 19.30846 – juris m.w.N. zur Rspr.).
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG vorliegen, weil wie schon ausgeführt bei der Klägerin ein ernsthafter Schaden nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht und zudem eine inländische Aufenthaltsalternative besteht.
Des Weiteren bestehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wie das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ebenfalls schon zutreffend ausgeführt hat.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich schließlich auch nicht aus der weltweiten COVID-19-Pandemie, weil nach den aktuellen Fallzahlen im I … – auch im Vergleich zu Deutschland -, wie sie das Gericht in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat (siehe S. 2 des Sitzungsprotokolls), keine hohe Wahrscheinlichkeit der Gefahr der Ansteckung oder sogar eines schweren oder lebensbedrohlichen Verlaufs besteht, so dass nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin bei einer Rückkehr in den I … krankheitsbedingt einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben oder sonst einer extremen materiellen Not mit der Gefahr der Verelendung ausgesetzt wäre. Dies gilt erst recht, wenn die Klägerin die vom iranischen Staat getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sowie individuelle Schutzmaßnahmen (Einhaltung von Abstand, Hygieneregeln, Mund-Nasen-Schutz-Masken usw.) beachtet und die bestehenden Hilfemöglichkeiten in Anspruch nimmt, zumal der iranische Staat nicht tatenlos geblieben ist und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sowie Hilfsmaßnahmen getroffen hat.
In dem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der I … etwa mit Ausgangssperren, örtlichen Lockdowns, Maskenpflicht, Reiseeinschränkungen, Verbot von Feierlichkeiten und dergleichen reagiert hat. Weiter wurden Schulen und Universitäten geschlossen, Freitagsgebete sowie Kultur- und Sportveranstaltungen wurden abgesagt, Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt. Des Weiteren rufen die Behörden dazu auf, möglichst soziale Kontakte zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu meiden bzw. bei deren Nutzung eine Gesichtsmaske zu tragen (vgl. BAMF, Briefing-Notes vom 11.10.2021, 13.9.2021, 6.9.2021, 16.8.2021, 9.8.2021, 2.8.2021, 26.7.2021, 5.7.2021, 7.6.2021, 10.5.2021, 19.4.2021, 12.4.2021, 22.3.2021, 1.3.2021, 22.2.2021, 15.2.2021, 8.2.2021, 1.2.2021, 18.1.2021, 11.1.2021, 16.11.2020, 26.10.2020, 5.10.2020, 28.9.2020, 17.8.2020, 27.7.2020, 20.7.2020, 13.7.2020 sowie Auswärtiges Amt, Iran: Reise- und Sicherheitshinweise [COVID-19-bedingte Reisewarnung], aktueller Stand; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 2.7.2021, S. 6 und 7 ff.; Länderinformation – Iran, Gesundheitssystem und COVID-19-Pandemie, November 2020; Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand 06/2020, S. 30 ff.; Kurzinformation der Staatendokumentation, Zone Russische Föderation/Kaukasus und Iran, COVID-19-Informationen vom 9.6.2020, S. 2 f.).
Abgesehen davon hat die Klägerin keinerlei Angaben gemacht, wie sich aktuell die Lage zur Ausbreitung von COVID-19 im I … – vor allem in ihrer Heimatregion – darstellt, insbesondere wieviele Menschen sich dort mit dem zugrundeliegenden Krankheitserreger SARS-CoV-2 infiziert haben, hierdurch schwer erkrankt oder gar verstorben sind, von wievielen Ansteckungsverdächtigen derzeit auszugehen ist, welche Schutzmaßnahmen mit welcher Effektivität der iranische Staat zur Eindämmung der Pandemie ergriffen hat, um beurteilen zu können, ob und welche Wahrscheinlichkeit für eine möglicherweise befürchtete Ansteckung mit COVID-19 im Falle einer Rückkehr besteht. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalles abzustellen, zu der auch eine eventuelle – bei der Klägerin nicht gegebene – Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe gehört (vgl. OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris konkret zum I ).
Überdies käme hinsichtlich der Corona-Pandemie ein Abschiebeverbot nur bei einer extremen allgemeinen Gefahrenlage in Betracht, wenn die drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Betreffenden die begründete Furcht ableiten ließe, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssten mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Eine Abschiebung müsste nur dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam den sicheren Tod oder schwerste Verletzungen ausgeliefert würde“, wobei sich diese Gefahren auch alsbald nach der Rückkehr realisieren würden. Dass die Klägerin bei Rückkehr in den I … eine derart extreme allgemeine Gefährdungslage ausgesetzt sein könnte, ist nicht vorgebracht und insbesondere mit Bezug auf die vorstehenden Ausführungen betreffend die Corona-Pandemie auch nicht ersichtlich (vgl. OVG NRW, U.v. 6.9.2021 – 6 A 139/19.A – juris Rn. 86 ff. m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.3.2021 – 14 ZB 20.31824 – juris Rn. 6 f., 20 ff.).
Schließlich sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.