Verwaltungsrecht

Im Süden Malis besteht eine innerstaatliche zumutbare Fluchtalternative

Aktenzeichen  Au 5 K 16.32170

Datum:
6.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3c Nr. 3, § 3e Abs. 1, § 4
GG GG Art. 16a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Im Süden Malis besteht eine innerstaatliche zumutbare Fluchtalternative, da dieser Bereich vom Bürgerkrieg nicht betroffen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 5. Oktober 2016 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt: 20
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben über Italien und die Schweiz auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26a AsylG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklich (BVerwG, U.v. 7.11.1995, InfAuslR 1996, 152). Auf den genauen Reiseweg kommt es dabei nicht mehr an.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
a) Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden. Eine politische Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Sein Vortrag gegenüber dem Bundesamt bzw. in der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2017 gegenüber dem Verwaltungsgericht ist insgesamt nicht glaubwürdig. Der Kläger macht insoweit geltend, dass er wegen der Ermordung seines Vaters durch Rebellen im Jahr 2013 in … landesweit gesucht werde. Es existiere in Mali ein Foto von ihm, auf dem er identifiziert werden könnte und deshalb bei einer Rückkehr nach Mali auch mit seiner Ermordung rechnen müsste. Eine landesweite Bedrohung des Klägers aufgrund der Ereignisse im Jahr 2013 lediglich anknüpfend an die Tatsache, dass sein Vater in … als „Ausländer“ aus … gegolten habe und insoweit einer verräterischen Tätigkeit für die Regierung in Mali verdächtigt wurde, erscheint dem Gericht abwegig. Zum einen liegen die Ereignisse, auf die der Kläger Bezug nimmt, bereits knapp vier Jahre zurück. Eine irgendwie geartete politische Tätigkeit des Klägers selbst hat dieser wiederholt verneint. Es ist deshalb auch nicht erkennbar, welches Interesse die Rebellen daran haben sollten, den Kläger ebenfalls zu töten. Dieser hat zu keinem Zeitpunkt eine herausgehobene Stellung innerhalb der Gesellschaft von Mali inne gehabt. Gleiches gilt letztlich auch für den Vater des Klägers. Von daher erscheint die vom Kläger geschilderte zielgerichtete Suche der Rebellen nach Angehörigen seiner Familie und ihm selbst geradezu als abwegig. Dass der Kläger beispielsweise bei einer Rückkehr nach Bamako mit einer Bevölkerungszahl von etwa 2. Mio. Einwohnern einer fortdauernden Bedrohung von Rebellen aus dem Norden Malis ausgesetzt wäre, ist auszuschließen. Auffällig ist auch, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2017 ausgeführt hat, dass er über einen Freund in Facebook, der sich in … befinde, erfahren habe, dass nach wie vor gezielt mit dem sich im Umlauf befindenden Foto nach dem Kläger gesucht würde. Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2017 hat der Bevollmächtigte des Klägers jedoch vorbringen lassen, dass sich dieser Freund des Klägers, mit dem dieser über Facebook in Kontakt stehe, in Bamako aufhalte. Selbst wenn man also das Vorbringen des Klägers für glaubwürdig erachten würde, würde sich eine vom Kläger aufgezeigte Bedrohung allenfalls auf die Stadt … erstrecken, jedoch keine landesweite Bedrohung für diesen bei einer Rückkehr nach Mali nahelegen. Aus diesen Gründen war die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abzulehnen.
b) Zudem steht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls in Teilen im Süden Malis (beispielsweise in Bamako) eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (§ 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung dabei keine Indizwirkung zu (vgl. BVerwG, B.v.27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris; BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn. 7).
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als gesunder junger, alleinstehender Mann ohne Kinder seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass der Kläger selbst aus dem Süden Malis stammt. Ihm ist es gelungen, in Burkina Faso, Niger und Libyen unter schwierigen Bedingungen Arbeit zu finden und dergestalt sein Existenzminimum sicher zu stellen. Es ist deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er durchaus vertraut ist, seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann. Der Kläger hat sich in Mali bereits in der Form beruflich betätigt, dass er zum einen über mehrere Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet hat und über eine Ausbildung als Schneider verfügt. Dem Kläger ist es insoweit gelungen, seine Lebensgrundlage sicher zu stellen. Eine Rückkehr in den Süden Malis ist daher für den Kläger nach Auffassung des Gerichts gefahrlos möglich.
3. Sofern man die Klage dahingehend auffasst, dass dem Kläger hilfsweise auch der subsidiäre Schutzstatus gewährt werden soll, bleibt die Klage ebenfalls erfolglos. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, ist der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion befürchtet, wie bereits ausgeführt, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG).
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht. Obwohl die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht ist (Auswärtiges Amt, Mali: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stand: April 2016), geht das Gericht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat das ihm insoweit zukommende Ermessen erkannt und in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen.
6. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

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