Verwaltungsrecht

Inländische Fluchtalternative bei Verfolgung durch Angehörige der Ogboni-Gruppe

Aktenzeichen  M 9 K 17.39609

Datum:
28.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26503
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3c Nr. 3, § 3e Abs. 1, § 78 Abs. 1 S. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Für Asylbewerber, die eine Verfolgung durch die Ogboni-Gruppe geltend machen, besteht eine inländische Fluchtalternative in Nigeria. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Gut ausgebildete, noch junge und arbeitsfähige Asylbewerber sind in der Lage, nach ihrer Rückkehr nach Nigeria ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Über den Rechtsstreit konnte trotz Ausbleibens der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung am 28. September 2018 entschieden werden. In der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (die Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht beantragt), auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 25. April 2017 ist daher rechtmäßig. Es wird insoweit zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) Bezug genommen. Außerdem wird noch das Folgende ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Dabei ist es Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Unabhängig davon, ob das Vorbringen des Klägers glaubhaft ist – zur Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags wird sogleich im Anschluss hieran ausgeführt – kommt eine Flüchtlingsanerkennung des Klägers deswegen nicht in Betracht, weil es in Ansehung des geltend gemachten Vorbringens dazu, warum der Kläger Nigeria verlassen habe, bereits an einer Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG fehlt, unabhängig davon, ob sein Vorbringen dem Kläger geglaubt wird. Nach dem zusammengefassten Vorbringen des Klägers – unterstellt, es wäre glaubhaft – wurde ihm nachgestellt, weil er es abgelehnt habe, im Anschluss an seinen Vater der Ogboni-Gesellschaft beizutreten. Das aber hat mit den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgezählten asylerheblichen Merkmalen nichts zu tun, weil die geltend gemachte Verfolgung, so, wie der Kläger sie schildert, nicht wegen eines der in der o.g. Vorschrift genannten Merkmale erfolgte.
Unabhängig davon hat das Gericht durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des vom Kläger vorgetragenen Vorbringens zu den Gründen seines Weggangs aus Nigeria. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung enthält viele erhebliche Abweichungen sowohl von anderen Angaben in der mündlichen Verhandlung als auch von den Angaben des Klägers in der Anhörung beim Bundesamt und von dem Vortrag in der schriftlichen Klagebegründung, so dass die Angaben des Klägers insgesamt nicht glaubhaft sind. In der schriftlichen Klagebegründung wiederum finden sich viele Umstände, die der Kläger in seiner Anhörung beim Bundesamt entweder nicht oder nicht so gesagt hat, weshalb auch deswegen durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit wegen eines gesteigerten Vorbringens bestehen. Außerdem sind viele der Angaben nicht nachvollziehbar.
Zunächst sind die Angaben des Klägers dazu, ob er einen nigerianischen Reisepass besessen hat, nicht glaubhaft. Auch Widersprüche zu derartigen Umständen, die nicht den Kernbereich des Vortrags der Verfolgungsgründe betreffen, vermögen wie hier die persönliche Glaubwürdigkeit zu erschüttern, so dass auch die übrigen Angaben nicht mehr geglaubt werden können. Während der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die entsprechende Frage des Gerichts angegeben hat, ihm sei sein Reisepass in Frankreich gestohlen worden, hat der Kläger beim Bundesamt auf die ausdrückliche Frage nach Personalpapieren, z.B. einem Pass, dazu nichts angegeben (Bl. 44 der Bundesamtsakte), sondern nur einen Universitätsabschluss genannt, nach dem gar nicht gefragt war (Personalpapiere). Soweit die Klägerbevollmächtigte das mit einem Verweis auf die Antwort des Klägers auf Frage 7 in der Anhörung (ebenfalls Bl. 44 der Bundesamtsakte) erklären wollte, wird dadurch der Widerspruch nicht aufgelöst. Auf Frage 7, in der nach einem Aufenthalt in einem anderen Land vor der Einreise nach Deutschland gefragt wurde, hat der Kläger u.a. angegeben, dass man ihm in Frankreich alle Dokumente abgenommen habe. Dadurch wird aber nicht erklärt, warum der Kläger auf die ausdrückliche Frage (Frage 2 in der Anhörung) nach einem Pass den Besitz eines solchen nicht eingeräumt hat. Dass der Kläger irgendwann einen Pass o.ä. gehabt haben musste, folgt bereits aus dem Umstand, dass der Kläger mit einem Visum nach Europa eingereist ist. Daraus, dass der Kläger in der Anhörung auf die entsprechende Frage den (nach den späteren Angaben in der mündlichen Verhandlung angeblich nicht mehr aktuellen) Besitz eines Passes offensichtlich wahrheitswidrig verschwiegen hat, folgt eine fehlende Glaubwürdigkeit des Klägers und daraus folgend die Unglaubhaftigkeit seiner Angaben.
Auch in inhaltlicher Hinsicht, also bezogen auf das behauptete klägerische Verfolgungsvorbringen, enthält der Vortrag mehrere erhebliche Widersprüche zum Kernbereich seines eigenen Vorbringens, bei dem wegen der Wichtigkeit der Angaben aus der eigenen Sicht des Klägers eine einigermaßen widerspruchsfreie Darstellung erwartet werden kann.
Insbesondere ist der zeitliche Ablauf hinsichtlich des Verfolgungsvorbringens vollkommen widersprüchlich. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung u.a., wiedergegeben auf Seite 4 erster Absatz des Sitzungsprotokolls, auf Nachfrage des Gerichts über wesentlichste Umstände des von ihm geltend gemachten Verfolgungsvorbringens Auskunft gegeben. Auf die Frage, wann das gewesen sei, hat der Kläger sodann angegeben, das sei im Jahr 2015 gewesen, was im Widerspruch steht zu der Angabe auf Seite 3 zweiter Absatz von unten des Sitzungsprotokolls, wonach der Kläger bereits Ende 2014 von Zuhause, wo die oben in Bezug genommenen Geschehnisse nach dem eigenen Vortrag des Klägers stattgefunden haben sollen, nach Lagos gegangen sei. Auf Vorhalt dieses eklatanten Widerspruchs hat der Kläger diesen nicht nachvollziehbar oder überhaupt erklären können, vielmehr hat der Kläger hierauf (vgl. Sitzungsprotokoll Seite 4 dritter Absatz von oben) eingeräumt, dass der zeitliche Ablauf nicht so gewesen sein könne, wie von ihm geschildert.
Außerdem enthält der Vortrag des Klägers eine Vielzahl von Ungereimtheiten und nicht nachvollziehbaren Behauptungen. Das gilt beispielsweise für die Todesfälle der bezogen auf die behauptete Verfolgungsgeschichte des Klägers wichtigsten Bezugspersonen, des Bruders, der Mutter und schließlich eines Pastors, der ihm geholfen habe. Zwar sollen nach Angaben des Klägers mit allen drei Todesfällen die Ogboni zu tun gehabt haben, der Kläger hat jedoch in keinem der Fälle – weder im Zusammenhang noch auf die entsprechende ausdrückliche Nachfrage seiner Bevollmächtigten – konkret gesagt, wie genau diese Todesfälle mit den Ogboni in Zusammenhang stehen sollen. Bezogen auf den Tod des Bruders hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung sogar ausdrücklich gesagt, dessen Tod habe „normal ausgesehen“, er „wisse jedoch, dass das mit den Ogboni zu tun habe“, ohne trotz ausdrücklicher Frage danach auch nur den geringsten Ansatz dafür zu erläutern, woher der Kläger das wisse. Auch für die beiden anderen Todesfälle ist eine Verbindung mit den Ogboni nur ins Blaue hinein behauptet (vgl. Bl. 45 der Bundesamtsakte, zweiter Absatz von oben), ohne irgendwelche konkreten, überprüfbaren, detaillierten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte hierfür, weswegen ebenfalls eine fehlende Glaubhaftmachung im Kernbereich des Verfolgungsvorbringens liegt.
Auch weitere Widersprüche wie diejenigen dazu, ob / wie oft der Kläger bei den Ogboni gewesen sei (vgl. einerseits Sitzungsprotokoll Seite 3: nie bei den Ogboni gewesen und andererseits Bl. 45:„[…] ich war ein- bis zweimal da[…]), können nicht dadurch aufgelöst werden, dass im Nachhinein behauptet wird, man müsse unterscheiden zwischen Rekrutierungsveranstaltungen und den eigentlichen Treffen, wenn der Kläger wie hier diese Unterscheidung bei seiner Anhörung beim Bundesamt, in der der Ausländer gemäß § 25 Abs. 1 AsylG selbst die Tatsachen vortragen muss, die seine Furcht vor Verfolgung begründen und die erforderlichen Angaben machen muss, gerade selbst nicht gemacht hat.
Außerdem sind die Angaben des Klägers zu den Umständen der geltend gemachten Verfolgung insgesamt vollkommen vage, unkonkret und unsubstantiiert, so dass das Gericht überzeugt ist, dass die Geschehnisse sich tatsächlich jedenfalls nicht so wie behauptet zugetragen haben.
Unabhängig davon wiederum ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass in diesem Fall ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht bzw. interner Schutz zur Verfügung steht (§ 3e AsylG). Es steht außer Frage, dass der Kläger nach einer Rückkehr nach Nigeria in einen anderen Landesteil ziehen könnte, wo er von der Ogboni-Gruppe, die ihn zum Beitritt habe zwingen wollen – wiederum unterstellt, dass das insoweit angegebene Verfolgungsvorbringen stimmen würde -, mit asylrechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht belangt werden würde. Die Behauptung, dass die Ogboni-Gruppe auf Grund der Möglichkeit von Voodoo-Zauber überall an ihn herankommen könnte, glaubt das Gericht nicht, weil das Gericht nicht an Voodoo-Zauber glaubt.
Ergänzend wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG), dort Seite 3 unter 1. und 2. bis Seite 4.
2. Den beantragten (unionsrechtlichen) subsidiären Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG kann der Kläger ebenfalls nicht beanspruchen, wofür ergänzend auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe verwiesen wird.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Im Herkunftsstaat hat dem Kläger keine derartige Gefahr gedroht. Weshalb ihm bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden. Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Unabhängig davon gilt die inländische Fluchtalternative auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG.
Ergänzend wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG), dort Seite 4 unter 3.
3. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, soweit das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde.
Bei den national begründeten Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und dem nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16 f.).
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor.
§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris Rn. 14). Ein Abschiebungsverbot infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt nur in Fällen ganz extremer Gewalt in Betracht und auch schlechte humanitäre Bedingungen können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei den in Nigeria vorherrschenden harten Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris LS 3 und Rn. 14; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 38), liegt nicht vor.
Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamts wird auch insofern Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG), dort Seite 4 unten unter 4. bis Seite 7. Ergänzend dazu wird noch ausgeführt, dass auch die wirtschaftliche Situation in Nigeria ein Abschiebungsverbot aus humanitären Gründen nicht rechtfertigen kann. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass nach der derzeitigen Erkenntnislage die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage für die Mehrheit der Bevölkerung in Nigeria problematisch ist. Bei den mit der schwierigen ökonomischen Situation verbundenen Gefahren handelt es sich jedoch um Gefahren, die einen Großteil der Bevölkerung in Nigeria betreffen und die für sich keine Verletzung von Art. 3 EMRK i.S.d. Rechtsprechung des EGMR begründen (vgl. auch dazu BVerwG, B.v. 25.10 2012 – 10 B 16/12 – juris Rn. 8 f.).
Anhaltspunkte für einen besonderen Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe in der Person des Klägers zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung bzw. gegen eine Rückführung nach Nigeria sprechen, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Für den Kläger kann auf Grund seiner individuellen Voraussetzungen und konkreten Lebenssituation bei einer Rückkehr nach Nigeria keine mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende besondere – außergewöhnliche – Gefahrenlage angenommen werden. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben sogar einen Hochschulabschluss (Bl. 44 der Bundesamtsakte). Die Schulbildung des Klägers erweist sich damit für nigerianische Verhältnisse als überdurchschnittlich – die Analphabetenquote beträgt bei Männern 30 Prozent, bei Frauen sogar rund 50 Prozent (s. Auswärtiges Amt, Länderinformation/Nigeria/Kultur und Bildung unter www.auswäertiges-amt.de, Stand: März 2017). Der gut ausgebildete, noch junge und arbeitsfähige Kläger, der nach seinen Angaben Elektroingenieur ist (Bl. 44 der Bundesamtsakte), wird daher auch im Falle der Rückkehr nach Nigeria in der Lage sein, den Lebensunterhalt für sich sicherzustellen.
4. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung nach Nigeria gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist ebenfalls rechtmäßig; die Voraussetzungen hierfür liegen vor, wie sich aus den Ausführungen oben 1. – 3. ergibt. Einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel hat der Kläger nicht.
5. Bedenken gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
6. Die Klage ist offensichtlich unbegründet i.S.v. § 78 Abs. 1 AsylG.
Das gilt jedenfalls für das Klagebegehren bezogen auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, was ausreicht für die Rechtsfolge von § 78 Abs. 1 AsylG (vgl. nur Berlit in: Gemeinschaftskommentar zum AsylG, § 78 Rn. 45; Marx, AsylG, § 78 Rn. 7); die Formulierung „Entscheidung über den Asylantrag“ in § 78 Abs. 1 Satz 2 AsylG betrifft die Asyl- und die internationale Schutzberechtigung.
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt wie hier den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Die vom Kläger geltend gemachten Verfolgungsgründe sind, wie oben ausführlich dargestellt, sowohl vollkommen unglaubhaft als auch bereits mangels irgendeines Ansatzpunktes für die Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal unter keinem Gesichtspunkt geeignet, eine asylerhebliche Verfolgungsgefahr zu begründen. Daher kommt es nicht mehr darauf an, ob auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Schutzalternative die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich ausschließt.
Die Klage wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO und §§ 708ff. ZPO. Das Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylG.


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