Aktenzeichen Au 5 K 17.31149
Leitsatz
Ein Vortrag ist nicht glaubhaft, wenn die Aussagen gegenüber dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht erheblich divergieren und diese Divergenz nicht aufgelöst werden kann. Für einen jungen gesunden Mann ist es möglich, sich in einer der größeren afghanischen Städte wie Kabul, Herat, Kandahar oder Mazar-e-Sharif niederzulassen ohne der ernsthaften Gefahr einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein, da diese Städte eine schützende Anonymität bieten. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtkosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der nach § 76 Abs. 1 AsylG zuständige Einzelrichter konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte in der Ladung auf die Tatsache, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, ausdrücklich hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2017 ist, soweit er mit der Klage angegriffen wurde, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist ihm weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, noch liegen in seiner Person nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vormals nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG, nunmehr nach § 3 Abs. 1 AsylG) ist weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, für dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86 u.a. – BVerwGE 80, 315).
Teilweise geht der Internationale Flüchtlingsschutz im Ergebnis der Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU über den Schutz des Asylgrundrechts hinaus. So begründen nach Maßgabe des § 28 Abs. 1a AsylG auch selbstgeschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 3c Nr. 3 AsylG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt, ein Abschiebungsverbot. Ferner stellt § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG klar, dass eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn Anknüpfungspunkt allein das Geschlecht ist. Schließlich umfasst gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Schutz vor Verfolgung wegen der Religion im Ergebnis der Umsetzung von Art. 10 Abs. 1b der Richtlinie 2011/95/EU auch die Religionsausübung im öffentlichen Bereich sowie sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen, die sich auf eine religiöse Betätigung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.
Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft und der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2012 – 10 C 7/11 – juris). An dessen Stelle gilt nunmehr nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Hierdurch wird den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigemessen (vgl. EuGH, U.v. 2.3.2010 – Rs. V 175/08 u.a., Abdullah). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür vorzulegen, dass sich verfolgungsbegründende bzw. schadensstiftende Umständen bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Dessen ungeachtet ist es Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU. Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.
Beruft sich der Ausländer indes zur Begründung seiner Verfolgungsfurcht auch auf Vorgänge und Geschehensabläufe nach dem Verlassen seines Herkunftsstaates, so gilt die das Maß der Darlegungsanforderungen bestimmende Beweiserleichterung nicht, weil nicht mehr davon auszugehen ist, dass die für Vorgänge in dem „Verfolgerstaat“ bestehenden Beweisschwierigkeiten außerhalb des Herkunftsstaates fortbestehen. Der Flüchtling hat vielmehr die Umstände, aus denen er seine begründete Furcht vor Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ableitet, zu beweisen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Nachfluchtgründe in einem Verhalten des Ausländers bestehen, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung ist, § 28 Abs. 1a AsylG. Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 28 Abs. 1a AsylG ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch Nachfluchttatbestände ohne eine entsprechende Vorprägung im Heimatland beachtlich sein können.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes.
Eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist gegenüber dem Kläger nicht festzustellen. Der Kläger konnte gegenüber dem Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2017 nicht glaubhaft machen, dass bei ihm ein Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegt. Insoweit ist der Vortrag des Klägers bereits in mehreren Punkten widersprüchlich und folglich das Vorbringen des Klägers unglaubwürdig. So hat der Kläger gegenüber dem Bundesamt sein Alter mit 19 Jahren angegeben. In der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2017 hat er sich dahingehend eingelassen, dass er bereits 23 Jahre alt sei. Widersprüchlich sind auch die Angaben des Klägers zu dessen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland. Bei seiner persönlich Anhörung gegenüber dem Bundesamt hat der Kläger ausgeführt, dass er Afghanistan bei seinem letzten Ausreiseversucht im September 2015 verlassen habe. Eingereist in die Bundesrepublik Deutschland sei der Kläger hingegen erst im Januar 2016. In der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2017 daraufhin befragt, wie lange seine Reise gedauert habe, hat der Kläger erklärt, dass die Reise nur einen Monat gedauert habe. Auch die Angaben des Klägers zu den aufgewendeten Kosten der Reise und seinen sich noch in Afghanistan befindlichen Familienangehörigen differieren deutlich. Auch die Tatsache, dass zur Finanzierung der Reise das in … besessene Anwesen der Familie verkauft worden sei, wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Aufgrund der erheblich divergierenden Aussagen des Klägers gegenüber dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung erachtet das Gericht das Vorbringen des Klägers insgesamt als nicht hinreichend glaubwürdig.
Letztlich bedarf dies jedoch keiner vertiefenden Betrachtung, da selbst wenn man das Vorbringen des Klägers als glaubhaft erachten würde, dieser Afghanistan unverfolgt verlassen hat. Eine persönliche Bedrohung seitens der Taliban hat gegenüber dem Kläger zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Die Schilderungen des Klägers hinsichtlich der angeblichen Drohanrufe nach dem Tod seines Vaters sind äußert detailarm und wirken konstruiert. Eine fortdauernde Bedrohung des Klägers nach dem Tod von dessen Vater erscheint dem Gericht auch nicht naheliegend, da der Kläger gerade keine Tätigkeit zugunsten ausländischer Streitkräfte erbracht hat. Der Kläger war zu jedem Zeitpunkt lediglich als Taxifahrer beschäftigt und insoweit auch nach seinen Aussagen keiner Bedrohung ausgesetzt. Überdies fällt auf, dass, sofern man davon ausgeht, dass der Vater des Klägers im April 2015 ermordet worden ist, der Kläger noch fünf Monate in Afghanistan verblieben ist. Erst im September 2015 ist die Ausreise des Klägers nach dessen Angaben erfolgt. Sofern es nach dem Tod des Vaters des Klägers eine virulente Bedrohungssituation gegeben hätte, hätte sich diese nach Auffassung des Gerichts bereits kurze Zeit nach dem Tod des Vaters realisiert. Das Leben des Klägers hat aber in dieser Zeit, in der er noch in Afghanistan verblieben ist, keine wesentliche Veränderung erfahren. Der Kläger ist weiter mit seiner verbliebenen Familie in … wohnhaft geblieben und ist seiner Tätigkeit als Taxifahrer unverändert nachgegangen. Auch dieser Umstand lässt eine fortdauernde Bedrohungssituation für den Kläger bei einer eventuellen Rückkehr nach Afghanistan als nicht naheliegend erscheinen.
Unter Zugrundlegung der Voraussetzungen der § 3 AsylG konnte das Gericht daher nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Kläger vor seiner Ausreise eine solche Verfolgung erlitten hat oder von einer solchen Verfolgung unmittelbar bedroht war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auch auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 21. Februar 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden geht dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c – e AsylG entsprechend. Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist – wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft – der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377 ff.).
Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG hat der Kläger bereits nicht geltend gemacht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG liegen nicht vor, weil der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG zurückgreifen kann.
Nach § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Klägers zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 20; U.v. 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 35). Die Beurteilung erfordert dabei eine Einzelfallprüfung (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 13A ZB 13.30185 – juris Rn. 5). Dabei sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte des Klägers in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen. Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicher Ort das wirtschaftliche Existenzminimum des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 22.8.2013 – 5A K 156/11.A – juris Rn. 38).
Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass für den Kläger eine Rückkehr nach … zumutbar erscheint.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger bei einer Rückkehr erneut in … niederlassen kann und er dort verfolgungssicher ist. Daneben dürfte es für den Kläger als jungen gesunden Mann auch möglich sein, in einer anderen größeren afghanischen Stadt außerhalb von, sich ein Existenzminium zu sichern. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (Lagebericht S.18). Eine schützende Anonymität bieten nach Auffassung des Gerichts daher insbesondere die Städte Kabul, Herat oder Kandahar. Dort könnte sich der erwerbsfähige Kläger niederlassen, ohne der ernsthaften Gefahr einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein. Der Kläger ist gesund und mit einem angegebenen Alter von 23 Jahren in der Lage, eine Arbeit zu finden, von der er leben kann. Für eine zumutbare Rückkehr spricht auch, dass der Kläger in Afghanistan die Schule mindestens 11 Jahre besucht hat und sich bereits längere Zeit als Taxifahrer betätigt hat und mit dieser Tätigkeit ein ausreichendes Auskommen erzielt hat. Dies gilt ungeachtet des vorgetragenen Verkaufs des vormals besessenen Fahrzeugs. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen, dass es für eine Tätigkeit als Taxifahrer nicht erforderlich ist, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. Diese Tätigkeit kann auch im Angestelltenverhältnis ausgeübt werden. Erforderlich sei lediglich eine Lizenz zum Führen des jeweiligen Fahrzeuges, über die der Kläger verfügt. Weiter spricht für eine zumutbare Rückkehr nach Afghanistan, dass der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen sein ganzes bisheriges Leben in … verbracht hat.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, weil dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keinen erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt landesweit drohen. Insoweit folgt das Gericht den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Kein anderes rechtliches Ergebnis rechtfertigt sich aus den Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016. Stellungnahme und Einschätzungen von Organisationen wie UNHCR und Pro Asyl beruhen auf von diesen Organisationen selbst angelegten Maßstäben, die aber nicht den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts entsprechen. An dieser Rechtsprechung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch im Nachgang der vom Antragsteller maßgeblich angeführten Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 mehrfach festgehalten. Auf die Entscheidungen vom 8. Februar 2017 (BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 13a ZB 17.30016 – juris Rn. 7) und vom 25. Januar 2017 (BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – juris Rn. 11) wird verwiesen. Ungeachtet neuer Erkenntnismittel hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gerade nicht zu einer Neubewertung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG hinsichtlich eines landesweit existierenden innerstaatlich bewaffneten Konflikts in Afghanistan veranlasst gesehen.
3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen ebenfalls nicht.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sie aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Fällen, in denen gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris).
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine solche Abschiebestoppanordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Auch ist das Gericht der Auffassung, dass die allgemeine Gefahr in Afghanistan sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 13A ZB 13.30119 u.a. – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 27.4.2012 – A 11 S 3079/11 – juris). Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer reinen quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssten jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. So besteht eine extreme Gefahrenlage dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen und sicheren Hungertod nach erfolgter Abschiebung ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226).
In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z.B. B.v. 19.2.2014 – 13A ZB 14.30022 – juris) geht das Gericht davon aus, dass derzeit für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende, unverheiratete, männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige, zu denen auch der Kläger zu rechnen ist, in Afghanistan nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG führt. Gegen das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes spricht beim Kläger zudem, dass dieser nach seinem eigenen Vorbringen noch über mehrere Familienangehörige in Afghanistan (…) verfügt, die den Kläger bei einer Rückkehr erneut unterstützen könnten. Damit droht dem Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Zwar gestaltet sich die allgemeine Versorgungslage nach wie vor schwierig. Trotz dieser kritischen Versorgungslage muss nicht jeder Rückkehrer aus Europa generell im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung erleiden. In der Gesamtschau der ins Verfahren eingeführten aktuellen Auskünfte ist nicht davon auszugehen, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste (vgl. BayVGH, U.v. 20.1.2012 – 13A B 11.30425 – juris Rn. 32 ff.). Nur für besonders schutzwürdige Rückkehrer wie alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, unverheiratete Frauen mit und ohne Kinder, Familien und Personen, die aufgrund persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen oder die über keinen aufnahmebereiten Familienverbund verfügen, lässt sich eine extreme Gefahrenlage begründen. Für alleinstehende, junge und arbeitsfähige Männer ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, besteht die Möglichkeit, sich eine neue Existenz in Kabul oder einer anderen größeren Stadt aufzubauen (stRspr. des BayVGH, beispielsweise U.v. 15.3.2012 – 13a B 11.30439 – juris Rn. 25).
Auch die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts zu Afghanistan geben keinen Anlass zu einer Neubewertung der bekanntlich angespannten Sicherheitslage. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung eine Indizwirkung nicht zu (BayVGH, B.v.22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn.7; BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris; die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, B.v. 14.10.2015 – 2 BvR 1626/13).
Der Kläger verfügt darüber hinaus über einen Rest-Familienverbund in Afghanistan, auf den er nach seiner Rückkehr zurückgreifen kann. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Afghanistan durchaus sichern kann. Im Übrigen verweist das Gericht auf mögliche Rückkehr- und Starthilfen für freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan nach dem REAG/GARP-Programm. Darüber hinaus werden Leistungen nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ gewährt (vgl. Auskünfte der Regierung von Schwaben vom 17. August 2016 und des Bundesamtes vom 12. August 2016 an das Verwaltungsgericht Augsburg).
Eine eventuelle Heirat des Klägers und die bevorstehende Geburt seines Kindes stellen mögliche zukünftige inlandsbezogene Abschiebungshindernisse dar, die von der Ausländerbehörde bei einer Abschiebung des Klägers von dieser zu beachten sind.
4. Das von der Beklagten verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Einwände hiergegen hat der Kläger auch nicht erhoben.
5. Nach allem erweist sich die Klage zwar als zulässig, aber unbegründet. Sie war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.