Verwaltungsrecht

inländische Fluchtalternative – Pakistan

Aktenzeichen  M 19 K 16.36491

Datum:
4.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46744
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 77 Abs. 2, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs.7
VwGO § 154 Abs. 1
ZPO § 708
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen oder zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Nr. 5) sowie der Befristungsentscheidung (Nr. 6) bestehen keine Zweifel. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG) verwiesen.
1. Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren regeln die §§ 3a bis d AsylG.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft liegen nicht vor. Denn das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan dort Verfolgung droht. Für die Beurteilung dieser Frage gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris Rn. 24; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 23; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – juris Rn. 17).
a) Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist. Die insoweit vorgetragenen Gründe rechtfertigen nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Kläger schilderte lediglich Belästigungen, die schon von ihrer Intensität her nicht geeignet sind, Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG darzustellen. Während des angeblichen Steinangriffs auf sein Haus im Jahr 2008 war er nicht vor Ort, sondern hielt sich berufsbedingt in Dubai auf.
b) Der Kläger kann sich nicht auf eine Gruppenverfolgung als Mitglied der Glaubensgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat (im Folgenden: Ahmadiyya) berufen. Das Gericht geht in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung davon aus, dass Angehörige der Ahmadiyya in Pakistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit allein wegen ihres Glaubens und der Praktizierung ihres Glaubens einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind (VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 59 ff.; VG Augsburg, U.v. 18.1.2019 – Au 3 K 16.31570 – juris Rn. 17; VG München, U.v. 18.10.2018 – M 10 K 17.30895 – juris Rn. 18). Die Auswertung der vorliegenden aktuellen Erkenntnismittel ergibt keine Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung. Zwar werde die Ahmadiyya von der pakistanischen Verfassung als nicht-muslimisch kategorisiert und schränkten Zusätze zum Strafgesetz deren Religionsfreiheit ein (§ 298c Pakistanisches Strafgesetzbuch). Ahmadis würden auf einer gesonderten Wählerliste geführt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan, Stand: August 2018, S. 6, 13 f. – Lagebericht). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet im Rahmen ihrer Schnellrecherche (7.5.2018, S. 7, 8) von einer Kultur der religiösen Intoleranz, Drangsalierungen und Tötungen von Ahmadis. Jedoch lebe der größte Teil der Ahmadis friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen (Lagebericht S. 13). Die Lage der Ahmadis in Pakistan habe sich in letzter Zeit sogar eher verbessert (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Fact Finding Mission Report – Pakistan, September 2015, S. 59).
c) Der Kläger gehört schließlich auch nicht zu dem Kreis von Glaubensangehörigen der Ahmadiyya, für die eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist und die sich deshalb in Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sehen. Nach herrschender Rechtsprechung muss für aktiv bekennende Ahmadis, für die die öffentliche Glaubensbetätigung zur Wahrung ihrer religiösen Identität besonders wichtig ist, von einem realen Verfolgungsrisiko ausgegangen werden (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 12.6.2013 – juris Rn. 116). Anknüpfungspunkt für die Verfolgungsgefahr ist dabei die Furcht vor einem Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Hierzu gehört nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v.5.9.2012 – C-71/11 – juris Rn. 62, 63) nicht nur die Freiheit, Religion im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch die Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben. Dabei stellt nicht jeder Eingriff in die geschützte Religionsfreiheit auch eine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG dar. Um als Verfolgung qualifiziert zu werden, muss es sich um eine schwerwiegende Rechtsverletzung handeln, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 23 f.).
Ob die behauptete Gefahr derart schwerwiegend ist, ist anhand von objektiven und subjektiven Kriterien zu prüfen. Es kommt also – neben der objektiv zu beantwortenden Frage, wie schwer die drohenden Rechtsgutsverletzungen sein werden – als subjektives Element darauf an, dass für den Betroffenen zur Wahrung seiner religiösen Identität die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit besonders wichtig ist. Entscheidend ist, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem individuellen Glaubensverständnis als zentrales Element seiner religiösen Identität unverzichtbar ist (EuGH, U.v.5.9.2012 – C-71/11 – juris Rn.70; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn.28 f.).
Die Tatsache, dass der Kläger die konkrete, nach außen gerichtete, religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als derart identitätsstiftend erfährt, dass ihm ein Verzicht hierauf oder eine zumindest wesentliche Beschränkung nicht zuzumuten ist, muss der Asylbewerber zur vollen richterlichen Überzeugung nachweisen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 30). Sein religiöses Selbstverständnis lässt sich nur aus dem klägerischen Vorbringen sowie durch Rückschluss von äußeren Anhaltspunkten auf seine innere Einstellung feststellen. Zur Ermittlung und Einschätzung dieser inneren Tatsachen ist eine Gesamtwürdigung des klägerischen Vortrags und der vorgelegten Unterlagen vorzunehmen. Es ist auf das religiöse Selbstverständnis des Klägers in seinem Heimatland und nun in Deutschland abzustellen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie der Kläger seinen Glauben konkret ausgeübt hat, ausübt und inwieweit dies für ihn zur Wahrung seiner religiösen Identität elementar ist, oder möglicherweise nur aus asyltaktischen Erwägungen erfolgt.
Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft zugehörig ist. Es ist jedoch nicht davon überzeugt, dass gerade die öffentliche Ausübung seines Glaubens für ihn unverzichtbarer Bestandteil seiner religiösen Identität ist.
Zu dieser Einschätzung gelangt es insbesondere aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Auch die vorgelegten Unterlagen und die beim Bundesamt vorgetragenen Umstände haben in die Entscheidungsfindung Eingang gefunden. Der Kläger hat eine Mitgliedsbescheinigung vom 23. März 2017 der Ahmadiyya vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er von Geburt an Ahmadi ist, regelmäßig an Gebeten in der Moschee sowie an lokalen und zentralen Gemeindeveranstaltungen teilnimmt, seine Beiträge bezahlt und ehrenamtliche Hilfsdienste erledigt. Ferner wurden zwei umfangreiche Dokumentationsmappen vorgelegt, die die Aktivitäten des Klägers in seiner oberbayerischen Gemeinde und die Teilnahme an regionalen und überregionalen Veranstaltungen der Ahmadiyya belegen sollen. Diese Unterlagen lassen zwar den Rückschluss zu, dass der Kläger sich in Deutschland aktiv am Gemeindeleben beteiligt. Sie stützen den Vortrag des Klägers, sich seinem Glauben verbunden zu fühlen und seit 2015 auch immer wieder an Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Sie bieten aber keine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass gerade die Öffentlichkeit seines Bekenntnisses für ihn identitätsstiftend ist. Diese – innere – Tatsache konnte der Kläger auch in seinem persönlichen Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
In Pakistan hat der Kläger seinen Glauben nur im häuslich-nachbarschaftlichen Bereich und gemeindeintern gelebt. Er hatte innerhalb seiner Gemeinde keine besondere Funktion inne. Er hat den Gebetsraum der Gemeinschaft täglich besucht. Darüber hinaus hatte er keine – insbesondere keine nach außen erkennbar werbende – Tätigkeit für seine Gemeinde ausgeübt. Auch während seines zehnjährigen Aufenthalts in Dubai hat er seinen Glauben privat im Kreise seiner Glaubensbrüder gelebt. Öffentliche religiöse Betätigungen in Pakistan oder in Dubai hat der Kläger nicht geschildert. Er hat insbesondere nicht deutlich gemacht, dass es ihm in der Vergangenheit wichtig gewesen wäre, mit anderen Menschen über seinen Glauben zu sprechen und diese von der Ahmadiyya als dem „wahren Islam“ zu überzeugen.
In Deutschland nimmt der Kläger an Veranstaltungen der Gemeinde teil und besucht auch die Moschee in Neufahrn. Dies wird durch die umfangreiche Fotodokumentation (seit 2015) belegt. Dabei wird die Aussagekraft dieser Dokumentation dadurch relativiert, dass eine Reihe von Fotos den Kläger gar nicht abbilden bzw. mehrere Fotos den gleichen „Sachverhalt“ wiedergeben. Zwar legen die Fotos nahe, dass der Kläger in Deutschland seinen Glauben auch in die Öffentlichkeit trägt. Dies z. B., durch die Teilnahme an einem „Charity Walk“ und diversen Flyer-Verteilaktionen. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte er, dass er dies tue, weil er dazu angehalten werde; die örtliche Gemeindeverwaltung der Ahmadiyya erhalte von der Zentrale der Ahmadiyya in Frankfurt Anweisungen, solche Aktionen durchzuführen, um Geld für Bedürftige zu sammeln und die Glaubensgemeinschaft in der Öffentlichkeit vorzustellen.
Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung als einen durchaus mit seinem Glauben verbundenen Mann erlebt. Er hat dargelegt, dass es ihm wichtig ist und war (auch schon in Pakistan und auch während seines Aufenthalts in Dubai) etwa seine im muslimischen Glauben wurzelnden Gebetsverpflichtungen zu erfüllen. Die Teilnahme an Gemeindeveranstaltungen und die Übernahme von Aufgaben für die Gemeinde ist ihm ein Anliegen. Er richtet sein spirituelles Leben nach den Grundsätzen der Ahmadiyya aus. Das Gericht bezweifelt nicht, dass der Kläger in Deutschland mit anderen Menschen über seinen Glauben spricht. Er hat vorgetragen, sich u.a. regelmäßig mit der Familie G. zu treffen und sich auch über die unterschiedlichen Religionen zu unterhalten. Offen bleibt, ob dieser Kontakt aus einer inneren Verpflichtung des Klägers zum Weitertragen seines Glaubens heraus erfolgt, oder – und dafür sprechen die vorgelegten Bilder und die Erklärung der Familie G. – ob diese Begegnungen im Rahmen eines freundschaftlichen interkulturellen Austauschs und der Integrationsbemühungen des Klägers in Deutschland stattfinden.
Das Gericht gewann nicht die Überzeugung, dass der Kläger die beschriebenen „missionarischen Tätigkeiten“ aus einem intrinsischen und von ihm als für sich bindenden religiösen Antrieb heraus wahrnimmt, sondern dass es sich dabei um Verpflichtungen handelt, die für alle Ahmadis Geltung beanspruchen und denen er – aus einer grundsätzlich jedoch eher passiven Haltung – nachkommt, weil dies so erwartet wird und üblich ist. Seine Aussagen zu seinem religiösen Selbstverständnis waren zwar verbal aussagestark („Religion ist für mich alles. Leben und Sterben für die Gemeinde ist mein Inhalt“), ließen jedoch – auch auf mehrere Nachfragen des Gerichts hin – einen inneren Gehalt bzw. eine Nachdrücklichkeit und Authentizität vermissen, die unbedingt zu erwarten wäre, würde der Kläger tatsächlich eine innerliche Gebundenheit erleben und nach außen hin leben. Dieser Eindruck wurde im Lauf der mündlichen Verhandlung an mehreren Stellen deutlich: Die Ausführungen des Klägers erfolgten bei Nachfragen zu seinem persönlichen Erleben und den Gründen für das Nach-außen-Tragen seines Bekenntnisses wiederholt im Plural („Wir müssen die Botschaft…in der Welt verbreiten“; „Wir fühlen uns verpflichtet…zu verbreiten“). Er formulierte formal und stereotyp („Leben und Sterben“). Dies erschien allein bei der Beschreibung des Aufeinandertreffens mit dem derzeitigen Kalifen der Glaubensgemeinschaft anders. Dieses Aufeinandertreffen und die dadurch beim Kläger erlebten Empfindungen geben jedoch gerade keinen Aufschluss über seine innere Verpflichtung zu einer öffentlichkeitswirksamen Praktizierung seines Glaubens.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass zum einen die Situation in der mündlichen Verhandlung für den Kläger durchaus herausfordernd ist und dass dieser zudem aus einem anderen Kulturkreis stammt. Deshalb ist nicht ohne Weiteres zu erwarten, dass er von sich aus breite Ausführungen zu seinem inneren Erleben macht. Das Gericht und auch sein Bevollmächtigter haben den Kläger jedoch intensiv befragt. Gleichwohl blieben seine Angaben zur hier entscheidenden Frage, ob gerade das öffentliche Leben seines Glaubens ein Kernbestandteil seiner Persönlichkeit ist, weitgehend ohne Überzeugungskraft. Das Gericht hat nicht den Eindruck gewonnen, dass er hierzu intellektuell nicht in der Lage wäre, sondern dass es dem Kläger von sich aus hierauf nicht im Besonderen ankam.
Unter Gesamtwürdigung seines Vortrags geht das Gericht nicht davon aus, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan und der dort eingeschränkten Möglichkeit, seinen Glauben öffentlichkeitswirksam nach außen zu tragen, in einen schweren inneren Konflikt geraten wird. Er nimmt die Möglichkeiten, die sich ihm hier in Deutschland bieten zwar wahr. Das Gericht ist jedoch nicht davon überzeugt, dass diese konkrete Glaubenspraxis für ihn grundsätzlich zentrales Element seiner religiösen Identität und damit für ihn unverzichtbar ist.
d) Ferner muss sich der Kläger auf die Möglichkeiten einer inländischen Fluchtalternative (§ 3e AsylG) verweisen lassen. Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 20; Stellungnahme an VG Leipzig vom 15.1.2014) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität unbehelligt leben. Vor diesem Hintergrund geht das Gericht davon aus, dass der Kläger nach einer Wiedereinreise nach Pakistan in einer dieser Millionenstädte sicher leben könnte. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche: 880.000 km², ca. 200 Mio. Einwohner) ohne funktionierendem Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines potentiellen Verfolgers zu entgehen. Gründe, die es ihm nicht zumutbar erscheinen ließen, außerhalb seiner Heimatregion zu leben, hat der Kläger nicht vorgetragen. Unter Berücksichtigung des dargestellten Risikoprofils (Ahmadi, der seinen Glauben nicht öffentlich bekennt) ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Kläger nicht in Anonymität verstecken, sondern allenfalls eine gewisse Vorsicht walten lassen muss, sodass ihm auch die Teilnahme am Erwerbsleben möglich sein wird.
Insbesondere wäre ihm ein Umzug nach Rabwah (Chenab Nagar), dem religiösen Zentrum der Ahmadiyya, zuzumuten (so auch VG Frankfurt, U.v. 9.8.2017 – 4 K 5804/16.F.A – juris Rn. 28; VG München, U.v. 21.9.2017 – M 1 K 16.35606 – Juris Rn. 17 f.; VG Oldenburg, U.v.30.1.2017 – 5 A 513/14 – juris LS 2; VG Augsburg, U.v. 10.3.2016 – Au 3 K 16.30051 – juris Rn 16; aA: VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 121). Rabwah bietet Ahmadis einen erheblichen Schutz, da sie dort weitgehend unter sich sind (Bevölkerungsanteil von ca. 95%). Ahmadis könnten sich in Rabwah relativ sicher fühlen, obwohl es auch dort zu Bedrohungen komme (Lagebericht, S. 2; UK Home Office, Country Policy and Information Note Pakistan: Ahmadis, März 2019, S. 23, 24, abrufbar unter: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/790304/CPIN-Pakistan-Ahmadis-v4.0_Mar_19.pdf). Die Stadt Rabwah bietet Ahmadis jedoch ein großes Maß an Freiheit, um ihre religiösen Aktivitäten durchführen zu können (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Pakistan, Stand: 22. 3 2017, S. 77).
Der Kläger kann sich also den behaupteten Bedrohungen dadurch entziehen, dass er sich in einem anderen Landesteil, insbesondere aber in der Stadt Rabwah niederlässt.
2. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes hat die Beklagte zutreffend verneint. Dabei hat sie die Erkenntnisse über die aktuelle Situation in Pakistan umfassend zu Grunde gelegt. Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen an (§ 77 Abs. 2 AsylG). Änderungen der Sachlage haben sich zwischen dem Erlass des Bescheids und der mündlichen Verhandlung nicht ergeben.
3. Die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Der Kläger ist ein junger, offenbar gesunder und arbeitsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung, von dem zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt in Pakistan wird sichern können.
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordung (ZPO).


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