Aktenzeichen M 5 K 16.36157
Leitsatz
1. Einem gesunden und jungen Mann ist zumutbar, sein Existenzminimum an einem anderen Ort in Pakistan, insbesondere einer Großstadt, auch ohne familiäres Netzwerk abzusichern. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Staatlicherseits gibt es in Pakistan keine Diskriminierung von Paschtunen. Sie können sich im ganzen Land frei bewegen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes oder auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen.
1. Der Kläger hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, dass die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde.
a) Zum einen ist der Vortrag des Klägers zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal schon nicht glaubhaft. Selbst auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger nicht schlüssig erklären, warum die Khesadar gerade ihn verdächtigen sollten, in die Ermordung eines ihrer Männer verwickelt zu sein. Allein der Umstand, dass die Khesadar den Kläger gefragt haben sollen, ob er etwas im Hinblick auf diese Ermordung gesehen habe, erklärt die angebliche Beschuldigung des Klägers als Spion und die behauptete anschließende Verfolgung nicht. Auch für die – erstmals in der mündlichen Verhandlung angeführte – angebliche Verfolgung durch die Taliban hat der Kläger keinen (plausiblen) Grund und auch kein konkretes Verfolgungsereignis benannt.
b) Zum anderen knüpft der klägerische Vortrag auch nicht an ein in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG genanntes flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an. Die geschilderte Verfolgung erfolgte nicht „wegen der [zugeschriebenen] Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“.
c) Darüber hinaus besteht für den Kläger jedenfalls eine inländische Fluchtalternative gem. § 3e Asylgesetz – AsylG. Dem Kläger ist zuzumuten, sich in einer (anderen) Großstadt – bspw. in den Großstädten … … … … … – in Pakistan aufzuhalten, wo er in dortiger Anonymität unbehelligt leben kann (Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Pakistan v. 21.8.2018, S. 19; UK Home Office, Country Policy and Information Note – Pakistan: Background information, including actors of protection, and internal relocation v. 6/2017, S. 6 Nr. 2.3.2).
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, er werde in (ganz) Pakistan von den Khesadar und den Taliban verfolgt. Denn bei den Khesadar handelt es sich ausweislich der EASO Herkunftsländerinformation (Pakistan Länderüberblick v. 08/2015, S. 26) um lokale Polizeikräfte in den pakistanischen Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA). Weder aus den vorliegenden Erkenntnismitteln noch aus dem Vortrag des Klägers ist ersichtlich, dass bzw. auf welche konkrete Art und Weise diese Kräfte auch außerhalb ihres Territoriums aktiv wären. Darüber hinaus ist es in einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.000 m², ca. 200 Mio. Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen grundsätzlich möglich, in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines potentiellen Verfolgers – also auch der Khesadar – zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig v. 15.1.2014).
Es ist auch nicht zu befürchten, dass dem Kläger in Pakistan landesweit Verfolgung durch die Taliban droht. Das Auswärtige Amt hat in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht München vom 7. Februar 2018 überzeugend dargelegt, dass es möglich sei, sich durch einen einfachen Umzug in eine der zahlreichen großen Städte und Metropolen für die Taliban unauffindbar zu machen. Von einer systematischen Bedrohung durch die Taliban sei nicht auszugehen. Zwar mögen vereinzelte Sympathisanten der Taliban auch dort leben, diese würden aber auf keinen Fall über ein landesweit funktionierendes Netzwerk verfügen (so auch schon: Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Stuttgart v. 22.8.2011). Zwar wird auch darüber berichtet, dass es schwierig sein könne, sich zu verstecken, wenn die Taliban eine Person gezielt suchten. Gemäß einer Auskunft von Accord führt der Ermittlungsbericht des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in I. vom Juli 2013 jedoch aus, dass selbst eine Person, die vor einem Konflikt mit Taliban fliehe, relativ sicher in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen S. oder P. leben könne. Es sei möglich, sich aufgrund der Größe Pakistans aus dem „Radar der Taliban“ zu begeben. Es sei nicht Strategie der Taliban, einzelne Personen durch das Land zu verfolgen. Allerdings müsse dies in jedem Einzelfall konkret geprüft werden. Eine low-profile Person, die zum Beispiel nach K. flüchte, werde dort von den Taliban nicht aufgespürt werden, da es für diese keine Priorität habe, solche low-profile Personen zu suchen (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Pakistan, 5.2.2015, S. 2). Der Kläger hat für eine mögliche Verfolgung durch die Taliban schon keinen (konkreten) Grund benannt, der eine einzelfallbezogene Low-profil-Prüfung ermöglichen oder seine Einordnung als High-Profil-Person bedingen würde.
Der Kläger ist zudem ein gesunder und junger Mann, dem zuzumuten ist, sein Existenzminimum an einem anderen Ort in Pakistan, insbesondere einer Großstadt, auch ohne familiäres Netzwerk abzusichern. Gründe, die es ihm nicht zumutbar erscheinen ließen, außerhalb seiner Heimatregion zu leben, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Er ist – wie sich aus der ihm möglichen Verständigung mit dem Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung ergibt – insbesondere auch der pakistanischen Landessprache Urdu hinreichend mächtig. Für paschtunische Volkszugehörige ist es grundsätzlich möglich, in anderen Teilen Pakistans unterzukommen. Aufnahmemöglichkeiten gibt es überall, vor allem in den Provinzen S. und P., dort wiederum insbesondere in den Großstädten K. und L. Gerade in der Hafenstadt K. hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine bedeutende paschtunische Gemeinde gebildet. Staatlicherseits gibt es keine Diskriminierung von Paschtunen. Sie können sich im ganzen Land frei bewegen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG München, 7.2.2018; Auskunft an das VG Minden, 28.2.2013).
Im Übrigen wird zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes in dem angegriffenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2. Aus denselben Gründen hat das Bundesamt zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken. Auch insoweit wird zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes in dem angegriffenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO.