Verwaltungsrecht

Inlänische Schutzalternative und keine extreme Gefahrenlage bei Rückkehr eines alleinstehenden, männlichen, arbeitsfähigen, afghanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  W 1 K 16.32746

Datum:
1.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6640
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3c, § 4
AufenthG § 11 Abs. 3, § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 87b Abs. 3, § 114 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Wurde der Familie des Asylbewerbers durch einen Kommandanten entgegen ihrem Willen eines ihrer Landstücke in Afghanistan weggenommen und sind im Rahmen einer mit der Wegnahme in Verbindung stehenden gewaltsamen Auseinandersetzung der Vater und der Bruder des Asylbewerbers zu Tode gekommen, stellt dies keinen Verfolgungsgrund in eigener Person dar. Auch handelt es sich um eine private Fehde um ein Landstück bzw. gar um allgemeine kriminelle Handlungen, die nicht erkennen lassen, dass in diesem Zusammenhang die Verfolgung aus einem der in § 3b AsylG genannten Gründe stattgefunden hätte. (Rn. (Rn. 15 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einem jungen, arbeitsfähigen, afghanischen Mann kann vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich bei einer Rückkehr nach Afghanistan in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif als Orte internen Schutzes niederlässt. (Rn. 27 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nicht entgegenstehend für die Annahme internen Schutzes ist grundsätzlich auch nicht ein langjähriger Aufenthalt des afghanischen Rückkehrers in Europa oder Drittländern, da vielmehr maßgeblich ist, ob der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nach derzeitiger Auskunftslage besteht keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens iSd § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage weder in der Provinz Kabul, noch in den Städten Herat und Mazar-e Sharif als internen Schutzmöglichkeiten. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
5. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, die ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
6. Nach ständiger Rechtsprechung des BayVGH sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. (Rn. 43 – 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 19. Dezember 2016 ist – soweit er noch Gegenstand dieser Klage ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung sowie des festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt der Begründung des Bundesamts in dem angegriffenen Bescheid vom 19. Dezember 2016, § 77 Abs. 2 AsylG. Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl I S. 2780 ff.) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Dies zugrunde gelegt hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
1. Vorliegend hat der Kläger nicht glaubhaft und überzeugend darlegen können, dass er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes auffällt. Er hat zur Überzeugung des Gerichts auch bereits keine Vorverfolgung seiner Person in Afghanistan nachvollziehbar darlegen können. Zwar mag es sein, dass der Familie des Klägers durch den Kommandanten M. entgegen ihrem Willen eines ihrer Landstücke weggenommen wurde und im Rahmen einer mit der Wegnahme in Verbindung stehenden gewaltsamen Auseinandersetzung der Vater und der Bruder des Klägers zu Tode gekommen sind (vgl. zu Landenteignungen gegen den Willen der Eigentümer im Distrikt Paghman: http://www.rawa.org/paghman.htm).
Darüber hinaus hat der Kläger jedoch nicht lebensnah und nachvollziehbar erläutern können, dass auch er selbst in der Folge von Verfolgung durch den Kommandanten M. oder seine Anhänger betroffen war; die diesbezüglichen Ausführungen, insbesondere im Hinblick auf eine Anzeige bei den Behörden, einen Umzug nach Kabul und die dort erhaltenen Drohbriefe und Anrufe erscheinen nicht glaubhaft. Sie bleiben insgesamt vage und wenig substantiiert; insbesondere in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger in diesem Zusammenhang in seinem freien Vortrag zu seinen Fluchtgründen einen detaillierten Vortrag vermissen lassen. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er während seines Aufenthalts in K. auch durch die Taliban bedroht worden sei, was er vor dem Bundesamt in keiner Weise erwähnt hat. Er hat in der mündlichen Verhandlung des Weiteren zunächst erklärt, mit seiner Familie nach Kabul gezogen zu sein, während er in der unmittelbaren Folge dargelegt hat, dass es für ihn dort allein in dem Haus zu gefährlich gewesen sei, was nicht miteinander in Einklang zu bringen ist. Im weiteren Verlauf der Anhörung hat der Kläger erklärt, dass er seit sechs Monaten keinen Kontakt mehr zur Familie habe und nicht wisse, wo sich diese aufhalte. Wenig später wiederum hat er angegeben, dass die Familie ihm mitgeteilt habe, dass sie nach Pakistan geflüchtet sei. Auch dies lässt sich nicht miteinander in Einklang bringen und spricht nach Überzeugung des Gerichts für die mangelnde Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens.
Darüber hinaus ist nach Überzeugung des Gerichts nicht erklärbar, warum der Kläger zunächst noch einen Monat im Heimatort zugewartet haben will und sich auf diese Weise dem leichten Zugriff des Kommandanten ausgesetzt hätte, bevor er nach Kabul umgezogen sein will, um sich dort angeblich vor dem Kommandanten zu verstecken und in Sicherheit zu bringen, während er diesen und seine Leute andererseits als außerordentlich gefährlich schildert und diese unmittelbar zuvor seinen Vater und einen Bruder ermordet haben sollen, vor längerer Zeit bereits ein weiteres Familienmitglied und auch er in Lebensgefahr gewesen sei. In K. hat sich der Kläger dann weitere rund eineinhalb Monate aufgehalten, bevor er schließlich das Land verlassen hat. Das Zuwarten ist auch nicht etwa aufgrund fehlender Geldmittel erklärbar, da der Kläger selbst angegeben hat, dass die Familie in Afghanistan in guten finanziellen Verhältnissen gelebt habe und die Fluchtkosten aus den Einnahmen der beiden Geschäfte der Familie hätten gedeckt werden können. Ein Versteck in Kabul, nur wenige Kilometer und 35 Autominuten vom Herkunftsort entfernt, wäre zudem angesichts eines angeblich sehr mächtigen und gefährlichen Verfolgers ohnehin denkbar ungeeignet, um ernsthaften Gefahren zu entgehen, so dass angesichts dieses Verhaltens bei lebensnaher Betrachtung nicht vom tatsächlichen Bestehen derartiger Gefahren für den Kläger auszugehen ist. Ebenso wenig nachvollziehbar erscheint die in diesem Zusammenhang angeblich durch den Kläger erfolgte Anzeige des Kommandanten, wobei hierzu widersprüchliche Angaben existieren, bei welcher Stelle diese Anzeige letztlich angebracht worden sein soll. Vor dem Bundesamt hat der Kläger hierzu die Bezirksverwaltung angegeben, während der vorgelegte Beschwerdebrief an die Polizei gerichtet ist. In der mündlichen Verhandlung ist wiederum von beiden Institutionen die Rede. Sollte der Kläger den Kommandanten und seine Gefolgsleute tatsächlich für derart gefährlich gehalten haben, wie er darzustellen versucht, so ist es keineswegs lebensnah, dass er dann in Afghanistan eine solche Person bei den staatlichen Behörden anzeigt. Denn es ist dort bekannt, dass hieraus negative Konsequenzen erwachsen können, zumal der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch angegeben hat, dass der Kommandant gute Kontakte zur Polizei habe. Insofern ginge die Anzeige unter Berücksichtigung der von Korruption und fehlender Rechtsstaatlichkeit geprägten Verhältnisse in Afghanistan von vornherein ins Leere.
Darüber hinaus hat der Kläger ebenfalls nicht nachvollziehbar erklären können, aus welchem Grunde der Kommandant, nachdem dieser mit der Landwegnahme sein Ziel erreicht hatte, den Kläger und dessen gesamte Familie weiterhin hat auslöschen wollen. Der Kläger hat diesbezüglich vor dem Bundesamt zunächst ausweichend geantwortet und sodann erläutert, dass der Kommandant Angst gehabt habe, dass in Zukunft eine neue Regierung an die Macht komme und der Kläger seine Rechte geltend machen könne. Zudem habe dieser auch anderweitiges Land der Familie des Klägers besetzen wollen. Letzteres hat der Kläger sodann vor dem erkennenden Gericht nicht mehr ins Feld geführt, sondern lediglich erneut darauf hingewiesen, dass der Kommandant vermutlich Angst gehabt habe, dass der Kläger diesem das Landstück wieder abnehmen werde. Dies erscheint angesichts der durch den Kläger geschilderten großen Machtfülle des Kommandanten und des Vortrages, dass ihm durch die staatlichen Behörden mitgeteilt worden sei, dass man gegen diesen nicht ankomme, konstruiert und abwegig. Schließlich erscheint es angesichts der geschilderten Bedrohungslage auch für die Mutter und die Schwester des Klägers, welche entsprechend der vorgelegten Drohbriefe vergewaltigt bzw. ebenfalls ermordet werden sollten, wenig realitätsnah, diese Familienmitglieder in der Heimat bei dem Schwager, der nur 10-15 km vom Heimatort entfernt wohnen soll, zurückzulassen. Auch der Bruder des Klägers, der sich zunächst mit diesem auf die Flucht begeben hatte, und ebenfalls umgebracht werden sollte, hat sich nach seiner Rückkehr nach Afghanistan zu diesem Schwager begeben. Dies spricht nach Auffassung des Gerichts dafür, dass eine Bedrohungslage für diese Personen, aber auch den Kläger selbst, durch den Kommandanten tatsächlich nicht bestanden hat und weiterhin nicht besteht. Der Erklärungsansatz, dass die weiblichen Familienmitglieder aufgrund der auf der Flucht abstrakt drohenden Gefahren in Afghanistan zurückgelassen worden seien, erscheint angesichts der angeblich sehr konkreten Androhung schwerster Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Tode in der Heimat nicht überzeugend.
Soweit nunmehr in der mündlichen Verhandlung weitergehend mitgeteilt wurde, dass der Kommandant und seine Leute die Familie des Klägers vor rund sechs Monaten im Hause des Schwagers erneut bedroht und in diesem Rahmen auch Handgranaten geworfen hätten, so hält das Gericht auch diesen Vortrag – von dem der Kläger zudem nicht persönlich betroffen war – angesichts vorstehender Ausführungen in der Gesamtschau für konstruiert und nicht glaubhaft, zumal die diesbezüglichen Ausführungen auch nicht, wie vom Gericht aufgegeben, als weiterer Tatsachenvortrag innerhalb der Frist des § 87b Abs. 3 VwGO vorgebracht wurden. Zudem ist es lebensnah nicht nachvollziehbar, dass der Kommandant und seine Leute die klägerische Familie fast zwei Jahre lang (von September 2015 bis etwa August 2017) unbehelligt lassen, sodann aber ohne weiteren Anlass, insbesondere ohne Rücknahmebemühungen hinsichtlich des übernommenen Grundstücks, wiederum nach dem Leben trachten. Dieser Vortrag erscheint dem Gericht asyltaktisch konstruiert.
Eine andere Einschätzung hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben betreffend seine Vorverfolgung ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Drohbriefen des Kommandanten bzw. seiner Gefolgsleute. Diesbezüglich fällt zulasten des Klägers auf, dass er den Erhalt von Drohbriefen im Rahmen seines freien Vortrags zu seinen Fluchtgründen vor dem Bundesamt zunächst gar nicht erwähnt hat, sondern erst auf eine Nachfrage hin. Ebenso auffällig erscheint, dass der Kläger diese Briefe trotz Fristsetzung durch das Bundesamt bis zum 15. Dezember 2016 ohne Benennung von Gründen dort nicht vorgelegt hat, sondern erst erheblich später (und zwar nach Ablehnung des Asylantrages durch das Bundesamt), nämlich erst zum Ende des gerichtlichen Verfahrens hin mit Schriftsatz vom 14. Februar 2018. Nicht nachvollziehbar erscheint ebenso, dass der Kläger vor dem Bundesamt den genauen Inhalt der Drohbriefe auf Nachfrage nicht im Einzelnen darlegen konnte, was angesichts des hohen Bildungsstandes des Klägers und des geringen Inhalts der nunmehr vorgelegten Briefe umso mehr verwundert, zumal diese Drohungen angeblich so bedeutsam waren, dass sie ihn veranlasst haben sollen, sein Heimatland zu verlassen. Wie bereits ausgeführt wird schon im Ansatz in keiner Weise ersichtlich, welche Gefahr für den angeblich mächtigen Verfolger von dem Kläger überhaupt realistischerweise ausgehen sollte, so dass er diesem drohen müsste. In der Gesamtschau sind die Drohbriefe nicht geeignet, eine Vorverfolgung des Klägers glaubhaft zu machen. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (vgl. dort S. 25), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in Afghanistan in erheblichem Umfang existieren und es daher kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe. Nach alledem misst das Gericht den vorgelegten Drohbriefen – ebenso der vorgelegten Anzeige bei der Polizei, bei der es sich ohnehin nur um ein durch den Kläger verfasstes Dokument handelt – keinerlei Beweiskraft bei und hält den Verfolgungsvortrag des Klägers hinsichtlich des Kommandanten und seiner Gefolgsleute insgesamt für nicht glaubhaft.
2. Ebenso wenig glaubhaft erscheint der klägerische Vortrag, dass er eine Tätigkeit als Dolmetscher für eine US-Kompanie in Kandahar ab dem Jahre 2012 sowie eine Tätigkeit als Lehrer ab 2013 ausgeübt habe, in deren Rahmen er sich öffentlich gegen die Taliban ausgesprochen habe, und er aufgrund beider Tätigkeiten durch die Taliban in Form von Drohbriefen und Telefonanrufen wegen des Vorwurfs der Spionage und der Zusammenarbeit mit den USA bedroht worden sei. Denn hierbei handelt es sich um einen erheblich gesteigerten Sachvortrag, welcher erstmals mit Schriftsatz vom 14. Februar 2018 in das Verfahren eingeführt wurde. Für diese erhebliche Steigerung ist auch keine nachvollziehbare Begründung ersichtlich. Soweit der Kläger hierzu auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass er dies vergessen habe anzugeben, nachdem er von der Verfolgung durch den Kommandanten berichtet habe und sich hierbei an den Tod des Vaters und des Bruders erinnert habe, sodass es ihm damals sehr schlecht gegangen sei, so hält das Gericht dies für eine Schutzbehauptung. Ein vorgebliches Vergessen der Erwähnung dieser Teile des Fluchtvortrages erscheint trotz etwaiger belastender Erinnerungen im Rahmen der Anhörung aufgrund der ins Feld geführten zentralen Bedeutung für den Kläger nicht glaubhaft, zumal dem Kläger seine Angaben nochmals rückübersetzt wurden. Spätestens hierbei hätte dem Kläger auffallen müssen, dass er wichtige Teile seines Vortrages nicht angegeben hat. Vielmehr hat er nach der Rückübersetzung unterschriftlich bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, ihm seine Aussagen rückübersetzt worden seien, diese seinen Angaben entsprochen hätten und die Angaben wahrheitsgemäß sowie vollständig abgegeben worden seien (vgl. Bl. 14 der Behördenakte). Unabhängig hiervon wäre es im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt angezeigt gewesen, zumindest die Tätigkeit als Lehrer, die der Kläger bis 2015 ausgeübt haben will, bereits bei Frage 12 zu seinem letzten Arbeitgeber zu benennen. Diese Frage wurde ihm zeitlich vor derjenigen zu seinen Fluchtgründen gestellt, sodass es ihm zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht schlecht gegangen sein kann. Bezeichnenderweise hat der Kläger die angeblichen Drohbriefe der Taliban aufgrund dieser Tätigkeiten auch nicht vorgelegt. Im Ergebnis macht der Kläger auch bereits nicht geltend, dass diese angeblichen Bedrohungen kausal für die Ausreise gewesen sind, sondern nur die Vorfälle um den Kommandanten M., zumal der Kläger nach eigenen Angaben beide erwähnten Tätigkeiten aufgrund der vorgetragenen Bedrohungen auch selbst aufgegeben und damit im Interesse der Taliban gehandelt hat. Schließlich ist der diesbezügliche Vortrag auch sehr vage und unsubstantiiert geblieben, sodass dem Kläger auch aus diesem Grunde nicht geglaubt werden kann. Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich nicht aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgezeigten Lehrerausweis. Aufgrund vorstehender Ausführungen ist das Gericht in der Gesamtschau der Überzeugung, dass diesem keine Beweiskraft zukommt. Dies gilt – wie bereits oben ausgeführt – gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (vgl. dort S. 25), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in Afghanistan in erheblichem Umfang existieren und es daher kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe.
Nach alledem ist der Kläger nicht vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass ihm bei einer Rückkehr dorthin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung drohen würde.
3. Darüber hinaus fehlt es hinsichtlich der vorgetragenen Verfolgung durch den Kommandanten M. auch an einem Verfolgungsgrund nach § 3b AsylG. Diesbezüglich handelt es sich um eine private Fehde um ein Landstück bzw. gar um allgemeine kriminelle Handlungen und es ist nicht im Ansatz erkennbar, dass in diesem Zusammenhang die Verfolgung aus einem der in § 3b AsylG genannten Gründe stattgefunden hätte.
4. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen bestünde jedoch für den Kläger in Afghanistan die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e AsylG in Herat oder Mazar-e Sharif, wenn man – entgegen obiger Ausführungen – davon ausginge, dass der Kläger vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist wäre, indem dieser von dem Kommandanten M. und seinen Gefolgsleuten infolge einer Landstreitigkeit mit dem Tode bedroht wurde. Hinsichtlich der vorgetragenen Tätigkeiten als Dolmetscher für die Amerikaner und als Lehrer sowie der diesbezüglichen Bedrohungen durch die Taliban verbleibt es allein bei der oben beschriebenen Unglaubhaftigkeit des diesbezüglichen Vortrags.
Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen.
Das Gericht geht – auch unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie – davon aus, dass der Kläger in Herat oder Mazar-e Sharif internen Schutz erlangen kann und dort keine Verfolgungsgefahr zu befürchten hat. Es sprechen nämlich stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von einer Verfolgung bedroht würde, wie er sie in seinem Asylverfahren vorgetragen hat. Nach dem klägerischen Vortrag ging es dem Kommandanten im Hinblick auf die Landstreitigkeit allein darum, dass dieser Angst gehabt habe, dass ihm das enteignete Grundstück von der klägerischen Familie wieder entrissen würde. Wenn der Kläger sich aber nicht mehr in Paghman und der näheren Umgebung auffällt, so besteht für den Kommandanten diesbezüglich keine Gefahr mehr. Der Kläger hat es insofern auch selbst in der Hand, ob er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan erneut Anstrengungen unternimmt, um das streitige Grundstück zurückzuerhalten. Dies zu unterlassen ist dem Kläger vor dem Hintergrund der Zielrichtung des Flüchtlingsrechts auch zuzumuten, da dieses weder unmittelbar noch mittelbar dem Schutz von Vermögenswerten dient. Bei einem Aufenthalt in mehreren 100 km Entfernung zum bisherigen Wohnort des Klägers sowie des Kommandanten und einem Wohlverhalten nach der Vorstellung des Kommandanten ist nicht davon auszugehen, dass es zu weiteren Verfolgungshandlungen kommen wird. Angesichts der großen Entfernung ist – trotz der vom Kläger beschriebenen vielfältigen Kontakte und Beziehungen des Kommandanten – realistischerweise bereits nicht davon auszugehen, dass der Kläger dort aufgespürt würde, zumal der Kläger den Kommanten eingangs der mündlichen Verhandlung explizit als einen mächtigen – lokalen – Kommandanten skizziert hat. Jedenfalls aber besteht entsprechend vorstehender Ausführungen nach menschlichem Ermessen keinerlei Anlass für weitere Verfolgungsmaßnahmen. Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger in Mazar-e Sharif oder Herat erneut von einer Verfolgung bedroht wäre.
Der Kläger könnte darüber hinaus sicher und legal nach Herat oder Mazar-e Sharif reisen. Schließlich kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in diesen Städten niederlässt. Erforderlich ist hierfür, dass am Ort des internen Schutzes die entsprechende Person durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor ausgeübt werden können. Nicht zumutbar ist hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 6.6.2016 – 13 A 18182/15.A – juris).
Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan stellt sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familienbzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Aus der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan vom 28. Juli 2017 ergibt sich insoweit nichts grundlegend Abweichendes: In fast allen Regionen werde von der Bevölkerung die Arbeitslosigkeit als das größte Problem genannt. Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen sei im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 25% gesunken. Die afghanische Regierung habe unter Beteiligung der internationalen Geberschaft sowie internationaler Organisationen mit der Schaffung einer Koordinierungseinheit zur Reintegration der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer reagiert. Ein Großteil der internationalen Geberschaft habe zudem beschlossen, die Finanzmittel für humanitäre Hilfe im Rahmen eines Hilfsappells des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Angelegenheit OCHA aufzustocken. Trotz internationaler Hilfe übersteige der derzeitige Versorgungsbedarf allerdings das vorhandene Maß an Unterstützungsmaßnahmen seitens der Regierung.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 14.09.2017, Seite 27 ff.) führt aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt bleibe, wobei der Anteil der notleidenden Bevölkerung im Verlaufe des Jahres 2016 um 13% angestiegen sei; 2017 benötigten 9,3 Millionen Afghanen dringend humanitäre Hilfe. Die Arbeitslosenquote sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte rasant angestiegen und inzwischen auch in städtischen Gebieten hoch. Gleichzeitig seien die Löhne in Gebieten, welche von Rückkehrströmen betroffen seien, signifikant gesunken. Nach wie vor seien die meisten Menschen in der Land- und Viehwirtschaft oder als Tagelöhner tätig. Die zunehmenden Rückkehrströme hätten zu einem enormen Anstieg an Unterkunftsbedarf geführt, weshalb sich insbesondere in der Hauptstadt Kabul die Wohnraumsituation extrem verschärft habe. Rund 68% der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu adäquaten Sanitätsinstallationen und ca. 45% keinen Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser. Rund 40% der Bevölkerung sei von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Die Zahl der von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffenen Menschen steige an und umfasse inzwischen 1,6 Millionen Personen. In Gebieten, die von hohen Rückkehrströmen betroffen waren, seien die Lebensmittelpreise stark angestiegen. Etwa 9 Millionen Menschen, in besonderem Maße Frauen und Kinder, hätten keinen oder nur beschränkten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, welchen es auch an angemessener Ausstattung mangele. Im Jahr 2016 sei der Druck zur Rückkehr auf afghanische Flüchtlinge im Iran und in Pakistan dramatisch angestiegen; Kabul sowie die Provinzen im Norden, Nordosten und Osten des Landes seien in besonderem Maße betroffen gewesen. Rückkehrende fänden oft keine adäquate Unterkunft; sie lebten oft in notdürftigen Behausungen mit schlechten Sanitäranlagen. Der eingeschränkte Zugang zu Land, Nahrungsmitteln und Trinkwasser und die begrenzten Möglichkeiten zur Existenzsicherung stellten eine enorme Herausforderung für diesen Personenkreis dar. Aufgrund der äußerst schwierigen Lebensbedingungen würden Rückkehrende oft zu intern Vertriebenen, deren Zahl Ende 2016 auf etwa 1,4 Millionen Menschen geschätzt worden sei und deren Lage sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert habe. Auch für Flüchtlinge aus Europa gestalte sich eine Rückkehr schwierig. Die Bevölkerung Kabuls solle sich binnen nur sechs Jahren verdreifacht haben. Dort lebten etwa 75% der Bevölkerung in informellen und behelfsmäßigen Behausungen, die oft weder ans Wasserversorgungsnetz noch an die Kanalisation angeschlossen seien. Der Zugang zu Lebensmitteln habe sich rasant verschlechtert, was unter anderem auf die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten zurückzuführen sei. Armut sei weit verbreitet. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung Kabuls könne sich keine medizinische Behandlung leisten. Die große Zahl der Rückkehrenden und intern Vertriebenen führe zur Überlastung der bereits äußerst stark beanspruchten Infrastruktur zur Erbringung der Grunddienstleistungen in der Hauptstadt Kabul aber auch andernorts, insbesondere in den wichtigsten Provinzstädten und Bezirken.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist von dem Kläger vernünftigerweise zu erwarten, dass er sich in H. oder M.-e Sh. niederlässt. Aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen befindet er sich in einer vergleichsweise guten Position. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines ausreichendes Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt –, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 24-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im Jahre 2017 gegenüber dem Vorjahr um 9% gesunken ist (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report 2017, Februar 2018, S. 1). Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Abgesehen davon, dass der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht auch bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz in einer Entscheidung vom 13.10.2017 (Az. D-5800/2016) zu einem anderen Ergebnis kommt und ausführt, ohne besonders begünstigende Faktoren wie das Vorhandensein eines tragfähigen sozialen Netzes in K. sei ein Zurückschicken auch bei gesunden jungen Männern unzumutbar, kann sich dem das Gericht auf der Grundlage der oben aufgezeigten Erkenntnislage nicht anschließen. Mit der Rechtsprechung des Bayer. VGH (vgl. zuletzt B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris), der sich das erkennende Gericht anschließt, sind alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben.
Bei dem Kläger ist darüber hinaus individuell zu berücksichtigen, dass er in Afghanistan die Schule bis zur zwölften Klasse besucht und mit dem Abitur abgeschlossen hat. Danach hat er für drei Monate noch ein Studium der Computerwissenschaften begonnen. Der Kläger verfügt damit über einen für afghanische Verhältnisse sehr hohen Bildungsstand. Er ist gegenüber den vielen Analphabeten in Afghanistan klar im Vorteil und kann ein deutlich größeres Spektrum an Tätigkeiten ausüben, was wiederum seine Chancen auf eine Erwerbstätigkeit spürbar erweitert. Auch aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Kenntnisse befindet sich der Kläger in einer vergleichsweise guten Position. Positiv ist überdies zu erwähnen, dass der Kläger in Afghanistan bereits über berufliche Erfahrungen als Verkäufer verfügt. Zudem hat er Nachhilfe gegeben. Der Kläger hat damit bereits in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, dass er auch unter den schwierigen Bedingungen in Afghanistan in der Lage ist, Strategien für ein wirtschaftliches Überleben zu entwickeln. Zudem hat der Kläger rund 22 Jahre in Afghanistan gelebt und kennt infolgedessen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse seines Heimatlandes. Ohne dass es aus rechtlichen Gründen hierauf noch ankäme, ist darüber hinaus anzunehmen, dass der Kläger im Bedarfsfall auch finanzielle Unterstützung durch die sich aktuell noch in Afghanistan aufhaltenden vier Onkel oder auch seinen Schwager erhalten könnte. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass diese Arbeit haben und als Ladenbesitzer, Polizisten, Landwirt und Krankenpfleger tätig sind auch durchaus realistisch. Denn es ist im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass in Notsituationen über derartige Kontakte Unterstützung geleistet wird und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. Der Vortrag des Klägers, dass diese Verwandten der Kernfamilie aufgrund der Gefahr von Racheakten nicht erlaubt hätten, bei sich zu wohnen, schließt eine rein finanzielle Unterstützung nicht aus. Zudem hat der Kläger angegeben, dass die Familie in guten finanziellen Verhältnissen gelebt hat, u.a. habe sie viele Felder geerbt. Auch wenn sich der Kommandant eines dieser Grundstücke angeeignet hat und der Kläger nicht in die Heimatregion zurückkehren könnte, so wäre es doch nach Überzeugung des Gerichts den dort lebenden Verwandten möglich, die Grundstücke zu veräußern und dem Kläger den Erlös zukommen zu lassen, damit der Kläger diesen ergänzend für seinen Lebensunterhalt verwenden kann.
Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Ebenfalls nicht entgegenstehend für die Annahme internen Schutzes ist der Umstand, dass der Kläger längere Zeit in Europa verbracht hat. Vielmehr wirkt sich dies eher begünstigend auf seine Erwerbsperspektive in Afghanistan aus (vgl. auch OVG NRW, B.v. 20.7.2015 – 13 A 1531/15 A – juris). Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris), der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht, was vorliegend der Fall ist, da der Kläger 22 Jahre in Afghanistan verbracht hat und Dari spricht. Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann und Amnesty International, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt bzw. überholt sei (vgl. Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff.; Amnesty International, Auskunft an das VG Leipzig vom 8.1.2018). Denn nach Überzeugung des Gerichts bieten die geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Mazar-e Sharif oder Herat zumutbar erscheinen zu lassen.
Nach alledem kann der Kläger internen Schutz in Mazar-e Sharif oder in Herat in Anspruch nehmen, so dass auch aus diesem Grunde ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheidet.
II.
Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
1. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist bereits nicht glaubhaft gemacht worden, jedenfalls besteht jedoch eine interne Schutzmöglichkeit in H. oder M.-e Sh. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen werden.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Kabul. Dasselbe gilt für die Städte H. oder M.-e Sh. als internen Schutzmöglichkeiten entsprechend obiger Ausführungen. In der Zentralregion, zu der die Provinz Kabul gehört, wurden im Jahre 2017 2.240 Zivilpersonen getötet oder verletzt, in der Westregion (Herat) 998 Zivilpersonen und in der Nordregion (Mazar-e Sharif) 1.032 Zivilpersonen (vgl. UNAMA, Annual Report 2017 Afghanistan, Februar 2018, S. 7). Die Anschlagswahrscheinlichkeit lag damit sowohl für die Zentral-, West- und Nordregion im Jahr 2017 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Damit ist derzeit noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus der Abhandlung von Frau Friederike Stahlmann (Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, in: ZAR 5-6/2017, S. 189 ff.). Soweit diese darauf hinweist, dass in den UNAMA-Berichten eine Untererfassung der zivilen Opfer zu besorgen sei, so ist darauf hinzuweisen, dass anderes geeignetes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht und zum anderen auf die von Frau Stahlmann alternativ genannte Zahl der kriegsbedingt Binnenvertriebenen angesichts der klaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) nicht abgestellt werden kann. Insoweit weist Frau Stahlmann eingangs ihrer Abhandlung auch selbst darauf hin, dass ihre Diskussion nicht den Anspruch habe, die Kriterien einer juristischen Prüfung zu erfüllen (vgl. Fußnote 1). Aber selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht.
III.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die hier eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Ge-fahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris; B.v. 21.8.17 – 13a ZB 17.30529 – juris; B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 pro – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG Baden-Württemberg, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I. 4. verwiesen werden. Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit in H. oder M.-e Sh. besteht und deren Voraussetzungen über diejenigen im Rahmen des Vorliegens einer extremen Notlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinausgehen, ist auch ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift abzulehnen.
Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG bestehen ebenfalls keine Bedenken.
Der Hilfsantrag, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf null Monate zu befristen, ist ebenfalls unbegründet. Die Entscheidung in Ziffer 6 des angegriffenen Bundesamtsbescheides, die Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate festzusetzen, basiert auf § 11 AufenthG. Nach Abs. 3 der genannten Vorschrift wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Vorliegend wurde eine Frist von 30 Monaten festgesetzt. Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Insbesondere liegt kein Ermessensausfall vor. Der Kläger wurde im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt zu schutzwürdigen Belangen hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbotes befragt und hat die Frage verneint. Insofern erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, die Frist auf 30 Monate und damit auf die Hälfte der Maximalfrist nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463 – juris). Die Formulierung, „die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist im vorliegenden Fall angemessen“, nach dem Zitat des Gesetzestextes des § 11 Abs. 3 AufenthG, scheint im vorliegenden Falle ausreichend, um das Ermessen auszuüben; weitere Erwägungen waren nicht anzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich zwischenzeitlich Änderungen hinsichtlich schutzwürdiger Aspekte ergeben haben. Für eine Befristung auf null Monate, mithin eine Ermessensreduzierung auf null, wie beantragt, ist überdies ohnehin nichts ersichtlich.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.

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