Verwaltungsrecht

isolierte Zwangsgeldandrohung, Tierhaltungsverbot, angekündigter Verstoß, nachträgliche Behauptung einer Prognoseänderung, bestandskräftiger Grundverwaltungsakt

Aktenzeichen  B 1 K 20.1004

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22527
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG Art. 29, 31
BayVwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Abs. 5
BayVwZVG Art. 38 Abs. 1 S. 3
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 2

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO in analoger Anwendung). Ergänzend ist zur Sache noch Folgendes auszuführen:
a. Die Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Verwaltungsakte, mit denen die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gefordert wird, können mit Zwangsmitteln vollstreckt werden (Art. 29 Abs. 1 BayVwZVG). Als Zwangsmittel nennt das Gesetz in Abs. 2 Nr. 1 das Zwangsgeld und bestimmt in Abs. 3 Satz 1, dass das Zwangsmittel in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck stehen muss. Nach Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG kann die Behörde den Pflichtigen durch Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten, wenn er seiner Pflicht nicht oder nicht zur gehörigen Zeit nachkommt. Das Zwangsgeld beträgt bis zu 50.000 Euro (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG) und soll das nach Ermessen zu schätzende wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG). Zwangsmittel können solange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG).
Nach diesen Grundsätzen ist das mit Bescheid vom 30. September 2020 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro nicht zu beanstanden.
aa. Vorangestellt ist anzumerken, dass nach dem Eintritt der Bestandskraft des Grundverwaltungsaktes vom 19. Dezember 2018 im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens von der Wirksamkeit der Anordnung auszugehen ist. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes ist damit nicht Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens, soweit sich der Grundverwaltungsakt nicht als nichtig darstellt (vgl. VG Augsburg, U.v. 27.1.2012 – 1 K 12.118 – BeckRS 2012, 48157 Rn. 43), wofür keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Die Einwände gegen das Tierhalte- und Betreuungsverbot vermögen der Klage daher nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die bestandskräftig festgestellte Verpflichtung der Klägerin kann im vorliegenden Verfahren nicht mehr in Frage gestellt werden. Daher ist der gesamte Vortrag der Klägerin zu den ausreichenden Zuständen ihrer vergangenen Tierhaltung unbehelflich.
bb. Das Zwangsgeld wurde schriftlich angedroht, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG. Eine Fristsetzung i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG ist bei Unterlassungspflichten entbehrlich.
cc. Die Zwangsgeldandrohung ist hinreichend bestimmt, Art. 36 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG. Art. 36 Abs. 5 BayVwZVG verlangt, dass die Androhung eines Zwangsgeldes „in bestimmter Höhe“ erfolgt. Die Bestimmtheit dient dem Zweck, dem Betroffenen zu erkennen zu geben, für welchen Fall der Nichterfüllung einer Anordnung aus dem streitgegenständlichen Bescheid ihm ein Zwangsgeld in welcher Höhe droht. Das entspricht rechtsstaatlichen Anforderungen, wie es der Gesetzgeber in Art. 36 Abs. 5 BayVwZVG eindeutig zum Ausdruck gebracht hat (vgl. VGH BW, U.v. 17.8.1995 – 5 S 71/95 – NVwZ-RR 1996, 612).
Eine Androhung zur Durchsetzung mehrerer Verpflichtungen muss erkennen lassen, ob sie sich auf Verstöße gegen jede einzelne Verpflichtung bezieht oder nur auf Verstöße gegen alle Verpflichtungen zugleich (vgl. BVerwG, Gb.v. 26.6.1997 – 1 A 10/95 – NVwZ 1998, 393). Entscheidend ist, dass eindeutig erkennbar sein muss, für welche Anordnungen welches Zwangsgeld angedroht ist. Hier ist eindeutig, dass das Zwangsgeld sich lediglich auf Verstöße gegen Ziffer 2 des Bescheids vom 19. Dezember 2018 bezieht und dass für jeden unzulässig gehaltenen Hund oder Heimtier ein Zwangsgeld von 500 Euro droht, sodass die Klägerin nicht davon ausgehen kann, dass sie bei der zeitgleichen Haltung oder Betreuung mehrerer Tiere lediglich insgesamt 500 Euro auslöst.
dd. Das Landratsamt hat sich auch ermessensfehlerfrei zur Zwangsmittelandrohung entschlossen und das Zwangsgeld ermessensfehlerfrei ausgewählt.
Wie bei der Verknüpfung einer Zwangsmaßnahme unmittelbar mit dem zu vollstreckenden Bescheid (Art. 36 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG) ist auch im Falle einer isolierten Zwangsgeldandrohung kein konkreter Anlass erforderlich (BayVGH, U.v. 2.8.2016 – 9 BV 15.1034 – BeckRS 2016, 53249 Rn. 32). Besonders fällt daher ins Gewicht, dass das Zwangsmittel erst angedroht wurde, als ein Verstoß gegen das Tierhalte- und Betreuungsverbot zu erwarten war und damit trotz der Möglichkeit einer Verbindung mit dem zu vollstreckenden sofort vollziehbaren Verwaltungsakt hiervon abgesehen wurde. Dem Schreiben der Klägerin vom 16. September 2020 war mit Deutlichkeit zu entnehmen, dass sie keine andere Entscheidung als eine Wiedergestattung der Hundehaltung akzeptieren will und ihr Ziel notfalls auch ohne positive Antwort verwirklichen will. Es war also nicht davon auszugehen, dass die Klägerin einvernehmlich zur Einhaltung ihrer Pflichten aus dem Bescheid vom 19. Dezember 2018 bewegt werden kann. Insoweit ist unerheblich, dass die Klägerin nun vortragen lässt, es sei nicht zu einem Verstoß gekommen. Das Vorbringen der Klägerin in den Schreiben an den Landrat zu den ausreichenden Zuständen ihrer vergangenen Tierhaltung zeigt eine fehlende Einsichtsfähigkeit.
Es verfängt auch nicht, wenn die Klägerbevollmächtigte meint, es hätten sich seit der Feststellung der Verstöße Anhaltspunkte ergeben, die zum jetzigen Zeitpunkt die Hundehaltung wieder ermöglichen würden. Zwar muss Vorbringen, welches erst nach Bestandskraft des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entsteht (Art. 21 Satz 2 BayVwZVG), von der Behörde im Rahmen des Ermessens bei der Vollstreckung (Art. 19 Abs. 1 BayVwZVG: ”Verwaltungsakte können vollstreckt werden,…”) angemessen berücksichtigt werden. Ein Anspruch auf Einstellung der Vollstreckung ergibt sich daraus im Verfahren gegen die Vollstreckungsmaßnahme nicht (BayVGH, B.v. 11.9.1998 – 1 ZS/ZE 98.2211 – BeckRS 1998, 18323 Rn. 3 zur Beitreibung von zuvor angedrohten Zwangsgeldern). Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage könnte allein im Rahmen einer etwaigen Verpflichtung der Behörde auf Einstellung der Vollstreckung gemäß Art. 22 VwZVG oder des Verfahrens nach Art. 21 VwZVG von Bedeutung sein (BayVGH, B.v. 21.12.2005 – 20 ZB 05.3015 – juris Rn. 5).
Vorliegend wird die Ermessensentscheidung über die Zwangsmittelandrohung aber ohnehin im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (hier am 30. September 2020) überprüft. Zu diesem Zeitpunkt fehlte es – obwohl das vom Landratsamt erläutert wurde – an Angaben und Nachweisen dazu, dass die Klägerin nunmehr in der Lage ist den tierschutzrechtlichen Anforderungen nachzukommen und wie sie dies zu tun gedenkt, sodass eine Veränderung in der Prognose des Landratsamtes nicht eingetreten gewesen schien. Die Klägerin hatte lediglich ihre – nachweislich nicht – tiergerechte Haltung behauptet. Auch ihr geschilderter Gesundheitszustand nach der Fortnahme der Tiere konnte nicht dazu führen, dass ihr allein deswegen erneut Tiere anvertraut würden. Von einer artgerechten Haltung konnte daher in diesem Zeitpunkt auch in Zukunft noch nicht ausgegangen werden.
ee. Das angedrohte Zwangsgeld begegnet auch hinsichtlich seiner Höhe keinen rechtlichen Bedenken. Es ist vor dem Hintergrund, dass die bestandskräftig festgestellte Unterlassungspflicht ohne zeitliche Begrenzung beachtet werden muss, nicht willkürlich hoch, sondern ermessensgerecht und verhältnismäßig. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG soll der Wert des wirtschaftlichen Interesses an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung erreicht werden. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, soll das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15 Euro bis 50.000 Euro) ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigten sind. Eine besondere Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – BeckRS 2010, 31731 Rn. 23). Vorliegend orientiert es sich an den durchschnittlichen Kosten für die Hundehaltung, was nicht zu beanstanden ist.
b. Die Kostenentscheidung ist nicht zu beanstanden.
3. Die Kostentragung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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