Aktenzeichen AN 6 S 16.30154
Leitsatz
Schutzsuchende, die sich der staatlichen Gewalt durch Eintritt in sog. „Kirchenasyl“ bewusst entziehen, haben kein anerkennenswertes Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf eine Klage gegen eine Umverteilungsentscheidung. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind nach ihren Angaben Staatsangehörige Serbiens bzw. Albaniens und der Volksgruppe der Roma zugehörig. Sie wenden sich mit Anfechtungsklage und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen ihre Umverteilung in die „AE Ankunfts- und Rückführungseinrichtung …“ in B. (ARE II). Diese Umverteilung wurde mit Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 28. Januar 2016 verfügt unter Bezugnahme auf § 50 AsylG, § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 DVAsyl i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 AufnG i. V. m. § 47 Abs. 1a AsylG. Die Antragsteller wurden zum Einzug in die Unterkunft im Erlenweg 4 in 96050 Bamberg spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheides verpflichtet. Der Bescheid wurde den Antragstellern am 29. Januar 2016 zugestellt. Dies ergibt sich aus Fristennotierungen auf den der Klageschrift beigelegten Anlagen. Der Beklagte hat dem Gericht trotz Aufforderung die Akten bisher nicht übersandt.
Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl daran, die Antragsteller von der Anschlussunterbringung in die zuständige Aufnahmeeinrichtung umzuverteilen und dadurch der Wohnpflicht des § 47 Abs. 1a AsylG Geltung zu verschaffen. Die Antragsteller fielen unter die Verpflichtung nach § 47 Abs. 1a AsylG. Da über ihren Asylantrag noch nicht positiv entschieden worden sei, fielen sie unter den betroffenen Personenkreis als Staatsangehörige des sicheren Herkunftsstaates Serbien. Die ARE II in B. verfüge über freie Kapazitäten und § 47 Abs. 1a AsylG sehe für Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat die Verpflichtung vor, bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrages nach § 29a AsylG als offensichtlich unbegründet oder nach § 27a AsylG als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Ein etwaiges Vertrauen darauf, in der Anschlussunterbringung zu verbleiben, müsse angesichts des vorstehend dargelegten erheblichen öffentlichen Interesses zurücktreten. Gründe, die dafür sprächen, von einer Umverteilung abzusehen, seien nicht ersichtlich. Ein soziales, medizinisches und gegebenenfalls adäquates unterrichtliches Angebot sei auch im Raum der ARE II sichergestellt.
Zur Begründung der beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingelegten Klage vom 4. Februar 2016 (dortiges Az. B 3 K 16.30214, nunmehr AN 6 K 16.30155) wurde ausgeführt, für die Antragstellerin zu 2) sei vor dem Verwaltungsgericht Ansbach ein Klageverfahren anhängig (AN 6 K 15.31132). Es gehe in der Sache um die Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG, da die Antragstellerin unter einer erheblichen posttraumatischen Belastungsstörung leide. Auf Bescheinigungen und Gutachten des Hausarztes … … und der Psychiaterin … … werde Bezug genommen. Demnach leide die Antragstellerin zu 2) infolge abscheulicher Geschehnisse in ihrer Heimat an einer massiven posttraumatischen Belastungsstörung und einer hochgradigen Zwangsstörung mit zunehmend depressiver Entwicklung. Außerdem wurde Bezug genommen auf eine Stellungnahme des Sozialpädagogen, der die Familie seit langem begleite, Herrn … ….
Die Antragsteller ließen darüber hinaus beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Nach Verweisung des Rechtsstreits durch das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 10. Februar 2016 an das Verwaltungsgericht Ansbach teilte die Regierung von Oberfranken mit, aus verfahrensökonomischen Gründen werde von einer Vorlage der Akten abgesehen, das Ermessen sei im Bescheid ausreichend ausgeübt und dargestellt worden und es werde zugesichert, auf die Anwendung von unmittelbarem Zwang bis zur Entscheidung des Gerichts in diesem Verfahren zu verzichten. Die Antragstellerin zu 2) könne auch im Raum Bamberg einen Psychiater aufsuchen, die Bewohner der ARE II dürften sich im Stadtgebiet Bamberg frei bewegen und dabei auch Arzttermine wahrnehmen.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, abzulehnen.
Das Vollzugsinteresse überwiege vorliegend das Aussetzungsinteresse der Antragsteller.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2016, dem Gericht im Verfahren AN 6 K 15.31132 übermittelt durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, teilte das Pfarramt … mit, dass die Antragsteller aufgrund eines Beschlusses des Kirchenvorstands der Kirchengemeinde … vom 4. Februar 2016 dort in „Kirchenasyl“ genommen worden seien. Die Antragsteller halten den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch nach Hinweis auf eine deshalb anzunehmende Unzulässigkeit aufrecht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der fristgerecht erhobenen Klage gegen den Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 28. Januar 2016 anzuordnen, ist bereits deshalb insgesamt abzulehnen, weil er sich aufgrund des Verhaltens der Antragsteller mangels des allgemeinen Zulässigkeitserfordernisses eines anerkennenswerten Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig erweist.
Die Antragsteller haben einerseits jeweils ihre Person der staatlichen Gewalt, die die staatliche Rechtsordnung gewährleistet, durch Eintritt in sog. „Kirchenasyl“ bewusst entzogen. Sie können dann nicht andererseits gleichzeitig Rechtsschutz in aufenthaltsmäßiger Hinsicht durch staatliche Rechtsorgane, hier die Klage und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zum staatlichen Verwaltungsgericht gegen eine Umverteilungsentscheidung, beanspruchen. Dies stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.