Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Übernahme von Schülerbeförderungskosten

Aktenzeichen  W 2 K 16.727

Datum:
26.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV SchBefV § 2 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 1 – 4, § 4
BayEUG BayEUG Art. 9 Abs. 3 S. 1
SchKfrG SchKfrG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1 S. 1
GSO § 15 Abs. 1
GKG GKG § 63

 

Leitsatz

Das Vorliegen einer eigenen Ausbildungseinrichtung im Sinne des Schülerbeförderungsrechts richtet sich nach formellen Kriterien. Maßgeblich ist, ob das schulische Konzept im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) oder in der Schulordnung als Ausbildungs- oder Fachrichtung festgelegt wurde. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 11. April 2016 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 17. Juni 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für ihre Tochter M. zum …Gymnasium in Würzburg im Schuljahr 2016/2017 (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Die ablehnende Entscheidung ist auch nicht ermessensfehlerhaft (§ 114 VwGO).
1.1. Gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG hat der Landkreis des gewöhnlichen Aufenthalts des Schülers die Aufgabe – die hier gem. Art. 17, 77 Abs. 2 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (Landkreisordnung – LKrO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 826), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 2016 (GVBl. S. 335) i.V.m. § 2 Nr. 3 der Unternehmenssatzung für das Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg auf die Beklagte übertragen wurde –, die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg u.a. zu einem Gymnasium sicherzustellen. Eine Beförderung durch öffentliche oder private Verkehrsmittel ist nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG notwendig, wenn der Schulweg in eine Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht eine Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule. Diese nächstgelegene Schule ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist.
Vorliegend hat die Tochter M. der Kläger zum Schuljahr 2016/2017 vom wirtschaftswissenschaftlichen Zweig auf den sprachlichen Zweig am …Gymnasium gewechselt, der dort mit der Sprachenfolge dreier moderner Fremdsprachen (Englisch – Französisch – Spanisch) angeboten wird.
Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger stellt die Sprachenfolge dreier moderner Fremdsprachen jedoch keine eigene Ausbildungsrichtung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV dar, sondern lediglich einen Unterfall des sprachlichen Gymnasiums gem. § 9 Abs. 3 Nr. 1 BayEUG.
Für die Frage, ob eine eigene Ausbildungsrichtung im Sinne des Schülerbeförderungsrechts vorliegt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs auf eine formelle Sichtweise an (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2008 – 7 B 06.2008 – juris Rn. 24). Entscheidend ist nicht, inwiefern ein schulisches Konzept inhaltlich eine eigene Ausbildung- oder Fachrichtung bildet, sondern inwiefern das Konzept durch den Gesetzgeber im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) oder den Verordnungsgeber in der entsprechenden Schulordnung als Ausbildungs- oder Fachrichtung festgelegt wurde (VG Ansbach, U.v. 23.2.2017 – AN 2 K 16.00058 – juris Rn. 21). Indem eine formelle Verankerung der in Streit stehenden besonderen Ausrichtung der Schule gefordert wird, wird vermieden, dass die zuständigen Behörden inhaltliche Einzelfallprüfungen mit ggf. wertendem Charakter durchführen müssen. Müsste für alle Fälle, in denen einzelne Schulen besondere Fächerkombinationen, Wahlfächer oder sonstige inhaltliche Eigenheiten anbieten, untersucht werden, ob die Abweichung von dem Angebot anderer Schulen so groß ist, dass eine andere Ausbildungsrichtung oder Fachrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV anzunehmen ist, wäre dies zum einen mit einem großen Verwaltungsaufwand verbunden, zum anderen unter dem Aspekt einer einheitlichen Anwendung des § 2 Abs. 1 SchBefV problematisch. Dies würde im Widerspruch dazu stehen, dass die Regelungen zur Schülerbeförderung in mehrfacher Hinsicht pauschalisiert sind, um den Vollzug durch die Behörden praktikabel zu gestalten (VG Ansbach, U.v. 23.2.2017 – AN 2 K 16.00058 – juris Rn. 23).
Hinsichtlich der Sprachenfolge dreier moderner Fremdsprachen fehlt es an einer entsprechenden formellen Verankerung als eigene Ausbildungsrichtung. Weder in Art. 9 Abs. 3 BayEUG noch in der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung GSO) vom 23. Januar 2007 (GVBl. S. 68), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 193), wird diese als eigene Ausbildungsrichtung aufgeführt. Aus dem Hinweis in Anlage 1 Fn. 5 2.HS zu § 15 Abs. 1 GSO betreffend die Stundentafeln an sprachlichen (einschließlich humanistischen) Gymnasien, wonach auf Antrag vom Staatsministerium eine Sprachenfolge von drei modernen Fremdsprachen genehmigt werden kann, geht vielmehr hervor, dass der Verordnungsgeber die Sprachenfolge dreier moderner Fremdsprachen als Spezifikation des sprachlichen Gymnasiums sieht. Das hat dieser im Übrigen auch mit Schreiben vom 21. August 2007 ausdrücklich klargestellt.
Die von den Klägern empfundene „Benachteiligung“ der Sprachenfolge der drei modernen Fremdsprachen in schulbeförderungsrechtlicher Hinsicht gegenüber dem humanistischen Profil liegt darin begründet, dass der Gesetzgeber in Bezug auf das humanistische Profil in § 2 Abs. 1 Satz 4 SchBefV eine Sonderregelung getroffen hat, das dieses in schülerbeförderungsrechtlicher Hinsicht als eigene Ausbildungsrichtung gilt. In Bezug auf die Sprachenfolge dreier moderner Fremdsprachen fehlt es dagegen an einer vergleichbaren Regelung durch den Gesetzgeber.
Maßgebliche Ausbildungsrichtung ist daher vorliegend die des sprachlichen Gymnasiums gem. Art. 9 Abs. 3 Nr. 1 BayEUG. Da die Tochter M. weder mit Latein noch Französisch, sondern Englisch als erste Fremdsprache begonnen hat, findet § 2 Abs. 1 Satz 5 SchBefV keine Anwendung. Auf die weiteren Fremdsprachen kommt es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an. Somit ist das Gymnasium M* … und nicht das …Gymnasium in Würzburg nächstgelegene Schule i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 SchBefV. Eine Beförderungspflicht zu letzterem – und damit Pflicht zur Kostenerstattung nach Art. 3 Abs. 2 SchKrG, § 4 SchBefV – durch die Beklagte besteht daher nicht.
1.2. Die Kläger können sich auch nicht auf eine Unzumutbarkeit des Schulwechsels gem. § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV berufen.
Zwar hat die Tochter M. im Rahmen der bisher gewählten wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildungsrichtung am …Gymnasium als zweite Fremdsprache Französisch gelernt, so dass sie bei einem Wechsel auf das – infolge des Ausbildungsrichtungswechsels nunmehr nächstgelegene – sprachliche Gymnasium in M* … zwei Schuljahre Latein nachlernen müsste, da Latein dort zwingend zweite Fremdsprache ist. Jedoch haben die Kläger und ihre Tochter diesen Umstand durch den – nicht zwingend erforderlichen – Wechsel der Ausbildungsrichtung vom wirtschaftswissenschaftlichen auf den sprachlichen Zweig selbst herbeigeführt.
Wie die Beklagte zutreffend ausführt, mussten die Kläger bei der Anmeldung ihrer Tochter M. für den wirtschaftswissenschaftlichen Zweig des …Gymnasiums, zu dem die Beklagte als nächstgelegenes Gymnasium dieser Ausbildungsrichtung die Beförderungskosten übernommen hatte, davon ausgehen, dass im Falle eines späteren Wechsels der Ausbildungsrichtung der Anspruch auf Kostenübernahme entfallen kann. Hierauf hatte die Beklagte im Antragsformular auf Übernahme der Schulwegkosten unter Ziffer 2 ausdrücklich hingewiesen. Da die Kläger dieses Risiko gleichwohl in Kauf genommen haben, können sie nun nicht geltend machen, dass ihrer Tochter infolge des freiwilligen Ausbildungsrichtungswechsels ein Schulwechsel an das (nunmehr) nächstgelegene Gymnasium der neuen Ausbildungsrichtung aufgrund einer anderen Sprachenfolge hinsichtlich der zweiten Fremdsprache als im bisher gewählten Zweig unzumutbar wäre. Mit der Festlegung auf eine Ausbildungsrichtung sind stets Einschränkungen und Erschwernisse in Bezug auf einen späteren Ausbildungsrichtungswechsel verbunden, was bereits bei deren Wahl – auch im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Schulwegs – zu berücksichtigen ist. Der Tochter M. bleibt es im Übrigen unbenommen, den sprachlichen Zweig des …Gymnasiums unter eigener Kostentragung für den Schulweg zu besuchen. Eine Unzumutbarkeit des Schulwechsels kann vor diesem Hintergrund vorliegend daher nicht bejaht werden.
1.3. Auch die Härtefallregelung in § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV (vgl. BayVGH, U.v. 12.2.2001 – 7 B 99.3719 – BayVBl 2001, 308) findet zugunsten der Kläger keine Anwendung. Es besteht keine Zustimmung des betroffenen Aufwandsträgers in Gestalt der Beklagten für eine Beförderungsübernahme. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung der Beklagten liegt vor. Die Beklagte hat erkannt, dass ihr ein Ermessensspielraum zusteht und diesen nicht überschritten. Ihre ablehnende Entscheidung hat sie mit dem Überwiegen des Interesses an einer wirtschaftlichen und kostengünstigen Schülerbeförderung begründet; mit den von den Klägern erst nach Bescheidserlass vorgetragenen Problematik der unterschiedlichen Sprachenfolge bezüglich der zweiten Fremdsprache am sprachlichen Zweig des …Gymnasiums sowie dem Gymnasium M* … hat sich die Beklagte mit Schriftsätzen vom 9. und 23. Mai 2016 auseinandergesetzt und sich bei der Verneinung eines Härtefalls an den – nicht abschließenden – Regelbeispielen in ihrer Ermessensrichtlinie vom 14. April 2014 orientiert. Diese Entscheidung ist sachlich gerechtfertigt. Hierbei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Bestimmungen über die Kostenfreiheit des Schulwegs nicht nur eine finanzielle Entlastung der Schüler und Eltern bezwecken, sondern zugleich die optimale Organisation der Schülerbeförderung sichergestellt werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 7 ZB 14.2300 – juris; U.v. 13.4.2011 – 7 B 10.1423 – BayVBl 2011, 572; U.v. 11.2.2008 – 7 B 06.1390 – juris). Dementsprechend verfolgen die Vorschriften über die Kostenfreiheit des Schulwegs auch den Aufbau eines Schülertransportnetzes, das den Schulen tragfähige Einzugsbereiche sichert und das Entstehen unzumutbar langer Schulwege verhindert (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.1999 – 7 ZB 99.1103 – juris; U.v. 11.2.2008 – 7 B 06.1390 – juris). Dem öffentlichen Interesse der auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung und den Interessen der beteiligten Aufgabenträgern, die auch bei geringerer Schülerzahl die notwendige Beförderung zu den nächstgelegenen Schulen sicherzustellen haben, widerspricht es daher, eine Beförderungspflicht auch zu entfernter liegenden Schulen anzunehmen, ohne dass hierzu durchgreifende Gründe seitens des zu befördernden Schülers geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 7 ZB 14.2300 – juris; B.v. 10.12.2012 – 7 ZB 12.1623 – juris).
Nach alledem bleibt die Klage sowohl im Hauptals auch im Hilfsantrag ohne Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Abs. 2 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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