Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für ein Masterstudium nach erfolgreichem Bachelorstudium

Aktenzeichen  B 4 S 16.502

Datum:
8.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
AufenthG AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Die Verlängerung einer zum Bachelorstudium erteilten Aufenthaltserlaubnis zur Ermöglichung eines Masterstudiums scheidet aus, da der Inhalt des Aufenthaltszwecks einer Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken durch die Fachrichtung bestimmt wird und das angestrebte Masterstudium im Hinblick auf ein vorangehendes Bachelorstudium eine andere Fachrichtung darstellt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … 1987 geborene Antragsteller ist kamerunischer Staatsangehöriger. Er reiste am …2008 in die … ein.
Am 11.12.2008 wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines Sprachkurses mit anschließendem Studium an der Universität B. erteilt. Am 12.11.2009 verzog der Antragsteller nach G., wo ihm eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums der Biotechnologie/Biopharmazeutischen Technologie für die Zeit bis 11.12.2011 erteilt wurde. Diese Aufenthaltserlaubnis wurde sukzessive bis zum 30.04.2015 verlängert.
Am 01.04.2015 verzog der Antragsteller in den Landkreis G., wo er am 29.04.2015 abermals einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken stellte. Zur Sicherung des Lebensunterhalts legte er sowohl Lohnabrechnungen als auch Kontoauszüge vor. Er gab an, im Mai 2015 sein Studium abschließen zu wollen. Ihm wurde eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt, die dreimal verlängert wurde, zuletzt bis 30.06.2016.
Am 06.04.2016 verzog der Antragsteller nach … und beantragte einen Aufenthaltstitel zum Zwecke des Masterstudiums an der Universität … Nachdem er trotz Aufforderung vom 27.04.2016 keine vollständigen Unterlagen vorgelegt hatte, hörte die Antragsgegnerin ihn zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags an. In einer E-Mail vom 06.06.2016 äußerte der Antragsteller, er habe trotz Zulassung durch die Universität … keine Möglichkeit gehabt, sein Masterstudium offiziell zu beginnen. Er sei auch nicht immatrikuliert und habe deshalb keinen Zugang zu dem Lernportal und den verschiedenen Arbeitsmaterialien. Seine Bachelorarbeit habe er in G. schon im Oktober 2015 abgegeben, aber noch keinen Termin für seine letzte Prüfung bekommen.
Am 07.06.2016 sprach der Antragsteller persönlich im Ausländeramt vor und erklärte, dass er bemüht sei, die fehlenden Prüfungen im Rahmen des Bachelorabschlusses zu absolvieren. Er legte dabei eine Zulassung zum Masterstudium Biotechnologie und Chemische Verfahrenstechnik an der Universität … vom 19.04.2016 vor, sowie eine Versicherungsbescheinigung der …krankenkasse und gab an, dass er an der Universität … nicht immatrikuliert sei.
Mit Bescheid vom 14.06.2016 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 29.04.2015 ab (Ziff. 1) und forderte den Antragsteller auf, die … bis spätestens 30 Tage nach Zustellung des Bescheides bzw. im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung spätestens 30 Tage nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit des Bescheides zu verlassen (Ziff. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung in die Republik Kamerun oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Ziff. 3). Die Wirkung der Abschiebung, gerechnet ab dem Tag des Verlassens des Bundesgebietes, wurde auf ein Jahr befristet (Ziff. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht erfüllt seien. Zwar habe der Antragsteller eine Zulassung zum Masterstudiengang an der Universität …, jedoch habe eine Rückfrage ergeben, dass er sich dort nicht eingeschrieben habe, sondern eine Rückzahlung des Semesterbeitrages beantragt habe. Es liege auch keine Immatrikulationsbescheinigung an der Technischen Hochschule Mittelhessen vor. Zuletzt habe der Antragsteller seinen Lebensunterhalt durch eine Beschäftigung in einer Blutegelzucht in Hessen nachgewiesen. Dieser Aufenthaltsort bestehe aktuell nicht mehr. Hierüber könne der Lebensunterhalt nicht sichergestellt werden. Voraussetzung für diese Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wäre auch, dass der Aufenthaltszweck noch in einem angemessenen Zeitrahmen erreicht werden könnte. Dies sei in der Regel bei maximal zehn Jahren anzusetzen. Der Antragsteller sei seit 01.12.2008 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG. Die zehn Jahre würden damit am 01.12.2018 enden. Für das von dem Antragsteller angestrebte Masterstudium wäre ein Studienabschluss frühestens im Wintersemester 2018/19 zu erwarten. Der Antragsteller habe bereits für das Bachelorstudium mehr als die Regelstudienzeit benötigt und werde nach allgemeiner Lebenserfahrung auch den Masterstudiengang in der Regelstudienzeit nicht erfolgreich abschließen können. Zudem stelle der Wechsel vom Bachelorstudium zum Masterstudiengang einen Wechsel des Aufenthaltszweckes im Sinne des § 16 Abs. 2 AufenthG dar. Ein Zweckwechsel werde in der Regel genehmigt, so lange der Aufenthaltszweck noch innerhalb des angemessenen Zeitraums von zehn Jahren erreicht werden könne. Da der Antragsteller seinen Bachelorstudiengang nach wie vor nicht erfolgreich abgeschlossen habe, sei ein Zweckwechsel ausgeschlossen.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller per Postzustellungsurkunde am 16.06.2016 zugestellt.
Aus einem Aktenvermerk vom 27.06.2016 ergibt sich, dass der Antragsteller den Erhalt des Bescheides telefonisch bestätigt habe. Seine Pläne hätten sich nun aber geändert und er wolle einen neuen Antrag stellen. Er sei darauf hingewiesen worden, dass er einen Rechtsbehelf gegen den ablehnenden Bescheid erheben könne.
Mit Schriftsatz vom 12.07.2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin aufzuheben und sie zu verpflichten, dem Antragsteller die beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Gleichzeitig hat er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Antragsbegründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe am 19.04.2016 von der Universität seine Zulassung zum Masterstudiengang erhalten. Dennoch habe er sich an der Universität nicht einschreiben können, da er hierfür die Genehmigung des Ausländeramts gebraucht hätte. Da die Ausländerakte erst vom Landkreis G. nach … geschickt werden musste, habe man ihm die Frist zur Einschreibung bis zum 09.05.2016 verlängert. Während der gesamten Zeit habe der Antragsteller bereits an den Lehrveranstaltungen teilgenommen. Mangels Einschreibung habe er aber keinen Zugang zu den Lernmaterialien gehabt. Auch die allgemeinen Titelerteilungsvoraussetzungen seien erfüllt. Der Antragsteller habe in … beim Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechniken arbeiten wollen, um sein Studium zum Teil zu finanzieren. Die Arbeitsstelle habe er jedoch nicht antreten können, da die Universität eine offizielle Immatrikulation zur Voraussetzung gemacht habe. Der Antragsteller hätte auch die Möglichkeit, von seiner älteren Schwester eine Bürgschaft zu erhalten. Das Studium in Mittelhessen sei nicht durch sein Verschulden verzögert worden. Erst am 14.06.2016 habe er die mündliche Prüfung ablegen und am 22.06.2016 das Kolloquium absolvieren können.
Am 10.08.2016 legte der Antragsteller sein Bachelorzeugnis vom 22.06.2016 und die Bachelorurkunde der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) vor. Laut Immatrikulationsbescheinigung der THM vom 13.07.2016 befand sich der Antragsteller im Wintersemester 2015/16 im 13. Fachsemester.
Mit Schriftsatz vom 08.08.2016 hat die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es sei festzustellen, dass auch weiterhin keine neuen Nachweise vorgelegt worden seien, aufgrund derer eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erfolgen könnte. Hinsichtlich des Nachweises der Sicherung des Lebensunterhalts sei eine vermeintliche Beschäftigung am Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechniken nicht nachgewiesen. Nachweise über eine finanzielle Unterstützung durch seine Schwester sei der Antragsteller schuldig geblieben. Die dem Gericht vorgelegte Bachelorurkunde sei zur Kenntnis genommen worden. Dies ändere nichts an der Rechtsauffassung, dass der Antrag des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis abzulehnen sei. Er verfüge nach wie vor weder über einen Aufenthaltszweck im Sinne des Aufenthaltsgesetzes noch über eine Sicherung des Lebensunterhalts und könne das Studium auch nicht mehr innerhalb des angemessenen Zeitraums beenden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 12.07.2016 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.06.2016 ist zulässig, aber unbegründet.
a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG statthaft, weil die bis zum 30.04.2015 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG aufgrund des rechtzeitig am 29.04.2015 gestellten Verlängerungsantrags vom Zeitpunkt ihres Ablaufs bis zur ablehnenden Entscheidung der Antragsgegnerin vom 14.06.2016 als fortbestehend galt, der Antragsteller also nicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig war. Gegen den Verlust der mit der Antragsablehnung vom 14.06.2016 endenden verfahrensrechtlichen Fiktion kann der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch nehmen (BayVGH, Beschluss vom 08.12.2006 – 24 CS 06.2260 Rn. 13).
b) Das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt aber nicht das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit seiner Ausreisepflicht, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides vom 14.06.2016 auszugehen ist.
Der Antragsteller hat weder einen Anspruch auf Verlängerung seiner bisherigen Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken noch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen gesetzlich vorgesehenen Aufenthaltszweck, insbesondere zu dem Masterstudium Biotechnologie und Chemische Verfahrenstechnik an der Universität … glaubhaft gemacht.
Nach § 16 Abs. 1 Sätze 1 und 5 AufenthG kann einem Ausländer zum Zwecke des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Ein Wesensmerkmal der Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG ist deren strikte Bindung an einen bestimmten Aufenthaltszweck und das Erreichen dieses Zwecks in angemessener Zeit. Dementsprechend soll eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck in der Regel nicht erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht (§ 16 Abs. 2 AufenthG).
Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Verlängerungsantrag vom 29.04.2015 durch das infolge des Zuzugs in … zuständig gewordene Ausländeramt der Antragsgegnerin war der vom Antragsteller geltend gemachte Aufenthaltszweck auf das Masterstudium an der Universität … gerichtet, für das er eine Zulassung für das Sommersemester 2016 nachweisen konnte.
Da der Inhalt des Aufenthaltszwecks grundsätzlich durch die Fachrichtung bestimmt wird, stellt das angestrebte Masterstudium im Hinblick auf ein vorangehendes Bachelorstudium eine andere Fachrichtung dar. Folglich scheidet eine Verlängerung der dem Antragsteller zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis zum (nunmehr abgeschlossenen) Bachelorstudium aus, vielmehr kommt nur eine (Neu) Erteilung für das Masterstudium gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 AufenthG in Betracht.
Dafür waren die Voraussetzungen weder zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung gegeben, noch liegen sie zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor. Der Antragsteller hat das Masterstudium – unabhängig davon, ob zu vertretende oder nicht zu vertretende Umstände vorlagen – im abgelaufenen Sommersemester 2016 nicht aufgenommen. Vielmehr hat er bereits in seiner E-Mail vom 06.06.2016 erklärt, warum er die Stadt … verlassen müsse. Auch hat er sich den Studentenwerksbeitrag rückerstatten lassen und in einem Telefonat mit dem Ausländeramt am 27.06.2016 von „geänderten Plänen“ gesprochen. Er hat aber auch nach dem endgültigen Abschluss des Bachelorstudiums in G. im Juni 2016 und Vorlage des Zeugnisses an das Gericht am 10.08.2016 nicht dargelegt, dass er einen Studienbeginn in … überhaupt noch anstrebt, bzw. sich hierfür erneut beworben hat.
Daneben fehlt es auch an Nachweisen für die Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Eine Beschäftigung beim Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechniken steht mangels Immatrikulation an der Universität … nicht im Raum; eine angesprochene Bürgschaft von einer älteren Schwester liegt nicht vor.
Angesichts dessen kann dahinstehen, ob der Antragsteller ein weiteres Studium noch „in angemessener Zeit“ (§ 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG; AVwV 16.1.1.7) abschließen könnte.
Gegen die Ziffern 2 bis 4 des Bescheids von 14.06.2016 bestehen keine Bedenken.
2. Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Antragsteller als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzulehnen.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).


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