Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Vorrücken auf Probe in die 8. Jahrgangsstufe

Aktenzeichen  M 3 K 14.4501

Datum:
28.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 53 Abs. 6 BayEUG

 

Leitsatz

1 Schülerinnen und Schülern, die infolge nachgewiesener erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen die Voraussetzungen zum Vorrücken nicht erfüllen, kann das Vorrücken auf Probe gestattet werden, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann. Die Einschränkungen müssen ausschließlich oder maßgeblich ursächlich dafür sein, dass die Voraussetzungen zum Vorrücken nicht erfüllt werden konnten. (Rn. 21 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der zu treffenden Prognoseentscheidung steht der Lehrerkonferenz ein pädagogischer Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Schule darf eine Vorrückensentscheidung nicht maßgeblich oder ausschließlich auf Aspekte des Wohls des Schülers stützen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Entscheidung der Lehrerkonferenz des …Gymnasiums … vom 22. Juli 2014 sowie der Widerspruchsbescheid des …Gymnasiums … vom 16. September 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Vorrücken auf Probe in die 8. Jahrgangsstufe.
Die Möglichkeit eines probeweisen Vorrückens gemäß Art. 53 Abs. 6 Satz 1 BayEUG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 GSO in der bis 31. Juli 2016 gültigen Fassung (aktuell § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO) besteht im Falle des Klägers nicht, da diese nur solche Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 9 erfasst, die das Ziel der jeweiligen Jahrgangsstufe erstmals nicht erreicht haben. Der Kläger hat jedoch das Ziel der 7. Jahrgangsstufe bereits zum zweiten Mal nicht erreicht.
Gemäß Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG kann Schülerinnen und Schülern, die infolge nachgewiesener erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen die Voraussetzungen zum Vorrücken nicht erfüllen (z.B. wegen Krankheit), das Vorrücken auf Probe gestattet werden, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 GSO entscheidet darüber auf Empfehlung der Klassenkonferenz die Lehrerkonferenz.
Die ablehnenden Entscheidungen der Lehrerkonferenz vom 22. Juli 2014 und vom 15. September 2014, ein Vorrücken auf Probe in die 8. Jahrgangsstufe abzulehnen, die mit der Empfehlung der Klassenkonferenz in Einklang stehen, sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Aus den beiden vorgelegten ärztlichen Attesten ergibt sich zum einen schon nicht, dass die Voraussetzungen des Art. 56 Abs. 6 Satz 2 BayEUG vorliegen. Selbst wenn sich aus der ärztlichen Bescheinigung des Sozial-Pädiatrischen Zentrums I.-S., A. vom 9. Juli 2014 ergibt, dass die emotionale Störung des Klägers negative Auswirkungen auf seine Aufmerksamkeitsleistung hatte und daraus insgesamt eine starke Einschränkung seiner kognitiven Leistungsfähigkeit resultierte sowie die schulische Leistungsfähigkeit damit ebenfalls stark reduziert war, ist daraus nicht zu ersehen, für welche Zeiträume diese Einschränkungen bestanden, nachdem sich der Kläger erst seit 15. April 2014 zunächst in Diagnostik und später dann in Therapie befand. Ebenso ergibt sich daraus nicht, dass diese Einschränkungen ausschließlich oder maßgeblich ursächlich dafür waren, dass der Kläger die Voraussetzungen zum Vorrücken nicht erfüllt hat. Dies wäre jedoch notwendig, um die Voraussetzung des Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG „ohne eigenes Verschulden“ zu erfüllen.
Darüber hinaus steht bei der zusätzlich gemäß Art. 56 Abs. 6 Satz 2 BayEUG zu treffenden Prognose der Lehrerkonferenz ein pädagogischer Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Da es sich dabei um eine Prognoseentscheidung handelt, hatte die Schule diese aufgrund der Tatsachengrundlage des Schuljahresendes 2013/2014 zu treffen. Entwicklungen, die sich daraus ergaben, dass der Kläger zunächst im darauffolgenden Schuljahr bis zur Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren noch zum Unterricht der 8. Jahrgangsstufe zugelassen worden war, waren dabei nicht zu berücksichtigen. Ungeachtet dessen waren diese Entwicklungen im Gegensatz zum Vortrag des Klägers für diesen nicht nur positiv, da die Schule in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass der Kläger an den zu Beginn der 8. Jahrgangsstufe stattfindenden Jahrgangsstufentests in den Fächern Deutsch und Mathematik teilgenommen und in beiden Fächern nur die Note 5 erzielt hat.
Insbesondere in der Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers hat die Lehrerkonferenz anschaulich dargelegt, warum sie der Auffassung war, dass nach dem Gesamtbild aller erzielten Leistungen des Antragstellers nicht erwartet werden konnte, dass dieser im nächsten Schuljahr das Ziel der Jahrgangsstufe erreichen würde. Dies ergibt sich aus den umfangreichen Erwägungen im Protokoll der Lehrerkonferenz vom 15. September 2014.
Dabei hat die Lehrerkonferenz die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Antragstellers, die sich aus der Bescheinigung des Sozial-Pädiatrischen Zentrums I.-S, ergaben, berücksichtigt und in die Entscheidung mit einbezogen.
Sie hat aber auch zu Recht die Leistungen, die der Antragsteller seit der 6. Jahrgangsstufe erbracht hat, und seine seitdem aufgetretenen, von den Lehrern festgestellten Defizite berücksichtigt.
Aufgrund dieser Erwägungen ist nachvollziehbar, dass die Lehrerkonferenz zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Voraussetzung des Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG, dass zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht wird, nicht gegeben ist.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Leistungen des Klägers und die dabei aufgetretenen Probleme und Defizite ausschließlich auf die in der zweiten Hälfte des Schuljahres festgestellten krankheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit zurückzuführen wären, ist es schlüssig und nachvollziehbar, wenn die Lehrerkonferenz beim seinerzeitigen Leistungsstand des Klägers nach der Wiederholung der 7. Jahrgangsstufe prognostisch davon ausging, dass die entstandenen Lücken neben dem in der 8. Jahrgangsstufe zu erwartenden neuen Lernstoff nicht geschlossen werden könnten. Immerhin hatte der Kläger nicht nur in den Fächern Englisch und Geographie jeweils die Note 5 erzielt, sondern war auch im Fach Deutsch (4,5) im Grenzbereich zu einer mangelhaften Note.
Auch der Vortrag des Klägers, die Schule argumentiere in ihrer Entscheidung wiederholt in rechtlich unzulässiger Weise damit, dass die getroffenen Entscheidung im Interesse und zum Wohl des Klägers ergangen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass die Schule eine derartige Vorrückensentscheidung nicht maßgeblich oder ausschließlich auf Aspekte des Wohls des Schülers stützen darf. Da jedoch, wie oben dargestellt im Fall des Klägers die Voraussetzungen für ein probeweises Vorrücken nicht vorlagen und die Schule entscheidend auch mit dessen Leistungsstand argumentierte, ist es unschädlich, wenn die Schule lediglich ergänzend ihre Entscheidung auch damit begründete, dass diese aus ihrer Sicht auch zum Wohle des Klägers sinnvoll war.
Aus den dargestellten Gründen war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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