Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für Asylbewerber sunnitischen Glaubens aus der Region Mossul

Aktenzeichen  AN 2 K 16.30525

Datum:
14.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 3c Nr. 2, § 4

 

Leitsatz

Eine Bedrohung im Sinne einer Verfolgung, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich ist, besteht für Rückkehrer in die Region Mossul derzeit grundsätzlich nicht mehr. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die allein auf die Anerkennung als Flüchtlinge gemäß § 3 Abs. 1 AsylG gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des BAMF vom 27. April 2016 ist, soweit den Klägern die Flüchtlingseigenschaft versagt wird, rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
Die Kläger haben keine Umstände dargelegt, die – über den Status des subsidiären Schutzes hinaus – zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen würde. Eine allgemeine Verfolgungsgefahr i.S.v. § 3 AsylG ergibt sich aktuell bei einer Rückkehr der Kläger nach Mossul oder in den nahe Mossul gelegenen Ort Baashiqa nicht mehr. Zugunsten der Kläger kann, wie sie vortragen, zugrunde gelegt werden, dass sie 2009 aus berechtigter Furcht vor Repressalien islamistischer Terroristen (Al-Kaida bzw. ISIS) aus Mossul geflüchtet sind und auch Baashiqa Mitte 2014 wegen des Einmarsches des IS dort verlassen haben. Selbst wenn die ihnen wie auch anderen gemäßigten Sunniten, Schiiten und Nichtmuslimen drohende Gefahr in den IS-Gebieten als Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG qualifiziert werden müsste oder wenn die Kläger aus individuellen Gründen speziellen Bedrohungen durch den IS ausgesetzt gewesen wären, steht dies einer Rückkehr aktuell nicht mehr entgegen, da sich die Lage im Gebiet um Mossul insoweit grundlegend geändert hat und eine Bedrohung im Sinne einer Verfolgung durch den IS dort nicht mehr besteht. Seit Anfang Juli 2017 ist der IS aus dem Gebiet um Mossul durch die irakische Armee und ihre Verbündeten soweit zurückgedrängt worden, dass er dort keine quasistaatliche Macht i.S.v. § 3c Nr. 2 AsylG mehr ausübt, so dass vom IS dort keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinne mehr ausgehen kann. Seit der Rückeroberung der Gebiete durch die Regierungstruppen ist auch nicht mehr mit der im Asylrecht erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass Rückkehrern in die dortigen Gebiete kein staatlicher Schutz gegen eventuelle vereinzelte Übergriffe des IS aus dem Hinterhalt gewährt wird. Eine Bedrohung im Sinne einer Verfolgung, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich ist, besteht nicht mehr.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer besteht im Irak und in der Region Mossul auch keine generelle Verfolgungssituation für Sunniten von staatlicher Seite. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 21.4.2009, 10 C 11/08 – juris) liegt eine asylrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr für Mitglieder einer Gruppe dann vor, wenn Verfolgungshandlungen im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht. Dies gilt nach den vom Gericht beigezogenen Erkenntnisquellen für Sunniten nicht allgemein. Zwar existieren im Irak der Auskunftslage nach mehrere schiitische Milizen, die zum Teil gewaltsam gegen Sunniten vorgehen. Dabei handelt es sich aber – auch in den befreiten Gebieten – um einzelne Übergriffe, die kein solches Ausmaß erreichen, dass ohne Weiteres von einer aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit auszugehen ist.
Die allgemeinen, im Einzelnen noch zum Teil sehr schweren Lebensverhältnisse in den kürzlich vom IS befreiten Gebieten durch die Zerstörungen und mangelhafte Versorgungslage mögen einer Rückkehr im Konkreten durchaus entgegenstehen, können aber nicht die Flüchtlingseigenschaft begründen, sondern sind durch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG in jedem Fall ausreichend abgedeckt. Ohne das Bestehen einer Verfolgung im Rechtssinn ist die Flüchtlingseigenschaft auch dann nicht zu gewähren bzw. aufrecht zu erhalten, wenn die neue Gefahr an die Stelle der Verfolgung getreten ist (vgl. insoweit EuGH,U.v. 2.3.2010, C-175/08 u.a. – juris).
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage resultiert aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.


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