Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mangels substanziierten Vortrags

Aktenzeichen  M 4 K 16.30109

Datum:
7.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 1
GG GG Art. 16a
Qualifikations-RL Qualifikations-RL Art. 4

 

Leitsatz

Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substanziiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen. Er muss unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters kohärente, plausible wirklichkeitsnahe und im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen (vgl. Art. 4 Qualifikations-RL). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar-

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom … April 2016 entschieden werden, obwohl für die Beklagte niemand erschienen ist. Denn in der ordnungsgemäßen Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG) zu;
Auf die zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Bescheid zur bei Bescheidserlass geltenden Rechtslage wird nach § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
Ergänzend ist auszuführen:
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und damit auf seine Anerkennung als Flüchtling (§ 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG).
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, vgl. §§ 3a, 3b AsylG.
Verfolgung i. S. des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG kann – anders als im Rahmen von Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt – nach § 3c AsylG ausgehen von (Nr. 1) dem Staat, (Nr. 2) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (Nr. 3) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Nummer 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. In allen drei Fällen ist aber eine Verfolgung in diesem Sinn ausgeschlossen, wenn interner Schutz besteht, vgl. § 3e AsylG.
Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, so ergibt sich, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak keine Verfolgung i. S. von § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylG droht.
1. Eine individuelle Verfolgung des Klägers ist nicht festzustellen.
Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. nunmehr auch Art. 4 QualRL sowie bereits bislang BVerfG (Kammer), B. v. 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Auch unter Berücksichtigung des Her-kommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im We-sentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da der Kläger bei seiner Befragung durch das Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung widersprüchliche Angaben gemacht hat, dass das Gericht die behauptete Verfolgungsgeschichte nicht glaubt; z. B. habe der Überfall einmal im Jahr 2013 und einmal 2014 stattgefunden.
Im Übrigen würde es sich – die vorgetragene Geschichte als wahr unterstellt – nicht um eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen i. S. v. § 3 Abs.1 Ziffer 1 AsylG handeln.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.


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