Aktenzeichen W 1 K 17.32009
AsylG AsylG § 4
Leitsatz
1. Zwar ergibt sich aus den Erkenntniquellen, dass auch Familienmitglieder von Personen, die sich einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban entzogen haben, im Einzelfall einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein können, jedoch muss ein solcher Einzelfall glaubhaft gemacht werden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Derzeit ist noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in der Zentralregion Afghanistans einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt iSd § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt wäre. Selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch nicht begründet. Den Klägern stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 29. November 2016 ist vielmehr einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780 ff.) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kläger nicht vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist sind. Der Fluchtvortrag kann den Klägern in Gänze nicht geglaubt werden. Zwar ergibt sich aus der Erkenntnismittellage, dass auch Familienmitglieder von Personen, die sich einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban entzogen haben, im Einzelfall einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein können (vgl. UNHCRRichtlinien vom 19.4.2016, S. 51 ff.). Allerdings haben die Kläger einen solchen Einzelfall hier nicht glaubhaft machen können.
So kann den Klägern bereits nicht abgenommen werden, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) wegen einer verweigerten Zwangsrekrutierung durch die Taliban verfolgt worden ist. Der diesbezügliche Vortrag vor dem Bundesamt wie auch in der mündlichen Verhandlung ist sehr pauschal, ohne dass die Klägerin zu 1) die Zwangsrekrutierungsversuche in irgendeiner Weise zeitlich eingeordnet oder inhaltlich nachvollziehbar näher geschildert hätte. Aufgrund der Substanzlosigkeit des Vorbringens kann diesem kein Glauben geschenkt werden. Merkwürdig erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) laut ihrer Aussage vor dem Bundesamt das Land nicht habe verlassen wollen, obwohl er doch angeblich persönlich verfolgt worden sei und hierdurch auch seine Familienmitglieder in Gefahr geraten seien. Verwunderlich ist überdies, dass der Ehemann dann auch bis vor rund drei Wochen in Afghanistan gelebt hat (wenn auch angeblich in einer anderen Provinz). Kann demzufolge bereits der Ansatzpunkt für die Gefährdung der Kläger in Form der Verfolgung des Ehemannes der Klägerin zu 1) nicht geglaubt werden, so gilt dies erst recht für die ins Feld geführte hieran anknüpfende Verfolgung der Kläger im hiesigen Verfahren. Auch steht der Glaubhaftigkeit einer diesbezüglichen Verfolgung entgegen, dass der angeblich seinerzeit ebenfalls mit betroffene Schwiegervater der Klägerin zu 1) bis zu seinem (natürlichen) Tod vor zwei Monaten weiterhin offensichtlich unbehelligt im Herkunftsort gelebt hat ebenso wie die Eltern der Klägerin zu 1) und (bis zu dessen Ausreise nach Pakistan) deren Schwager, was nicht zu erwarten gewesen wäre, wenn die Taliban den Ehemann der Klägerin zu 1) tatsächlich ernsthaft ins Visier genommen und seiner hätten habhaft werden wollen. Denn in diesem Fall wäre zu erwarten gewesen, dass sich die Taliban an diesen Personen rächen bzw. zumindest nach der Ausreise der Kläger noch bei diesen vorstellig werden, um nach dem Ehemann bzw. der gesamten Familie zu suchen, wofür jedoch konkret nichts vorgetragen wurde.
Unabhängig hiervon haben die Kläger auch eine eigene Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Vielmehr hat die Klägerin zu 1) vor dem Bundesamt auf die Frage, ob ihr persönlich vor der Ausreise etwas passiert sei, eindeutig erklärt, dass dies nicht der Fall gewesen sei; die Taliban hätten ihren Mann bedroht. Soweit sie dann in der Folge weiterhin angegeben hat, dass sie sowie ihre Kinder in Kabul auch selbst bedroht worden seien, so erschöpft sich auch dieses Vorbringen in der bloßen Behauptung, ohne dass dafür auch nur ansatzweise Details vorgetragen werden. Die Kläger haben in diesem Zusammenhang insbesondere auch die angeblichen Drohbriefe, die sie dort erhalten haben wollen, im Verfahren nicht vorgelegt. Demgegenüber hat die Klägerin zu 1) vor dem Bundesamt mehrfach betont, dass sie wegen ihrer Kinder nach Deutschland gekommen sei, damit diese keine Analphabeten blieben und hier in Sicherheit leben könnten. Dies gibt nach Überzeugung des Gerichts die Motivationslage für die Flucht aus Afghanistan korrekt, aber auch abschließend wieder; eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung der Kläger hat nach Überzeugung des Gerichts in Afghanistan weder stattgefunden noch hat ihnen eine solche gedroht. Soweit die Klägerin zu 1) sodann in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass die Taliban während der Zeit der Abwesenheit ihres Ehemannes dreimal zu ihrem Wohnhaus gekommen seien, den Schwiegervater nach dem Verbleib des Ehemannes gefragt hätten und sie selbst dabei auch einmal von den Taliban geschlagen worden sei, so stellt dies ein nicht begründetes deutlich gesteigertes Vorbringen gegenüber den Aussagen beim Bundesamt dar, wo derartige Besuche der Taliban keinen Anklang gefunden haben. Überdies setzt sich die Klägerin zu 1) mit den angeblich erlittenen Schlägen durch die Taliban zu ihrer eigenen vorherigen Aussage in der mündlichen Verhandlung in Widerspruch, wonach sie sich während der Besuche der Taliban mit den Kindern jeweils versteckt gehalten habe. Auch aus diesem Grunde kann dem Fluchtvortrag der Kläger nicht geglaubt werden.
Darüber hinaus hat die Klägerin zu 1) im Verfahren auch widersprüchliche Angaben gemacht, die ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit nach Überzeugung des Gerichts entgegenstehen. So hat sie vor dem Bundesamt zunächst erklärt, dass sie und ihr Mann beide keine Schule besucht hätten, während sie später ausgeführt hat, dass ihr Ehemann die Schule bis zur sechsten Klasse besucht hat. Überdies hat sie nach Verwandten im Heimatland befragt sowohl vor dem Bundesamt als auch auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung nicht angegeben, dass sie in Afghanistan eine Schwester habe. Im Rahmen ihrer Ausführungen zu der Frage, wo die Kläger bei ihrem kurzzeitigen Aufenthalt in Kabul gelebt hätten, hat die Klägerin zu 1) jedoch angegeben, dass sie dort in einem Zimmer gewohnt hätten, das ihnen ihre Schwester zur Verfügung gestellt habe. Desweiteren hat die Klägerin vor dem Bundesamt auf die Frage, ob ihr Dorf unter der Herrschaft der Taliban gewesen sei, erklärt, dass diese in ihrem Heimatort keine Macht gehabt hätten, sie seien in Ghorband und Kunduz gewesen. In der mündlichen Verhandlung dagegen hat die Klägerin ausgesagt, dass in ihrem Heimatdorf keine Sicherheit geherrscht habe; es habe keine Polizei gegeben, nur die Taliban hätten die Macht gehabt. All diese widersprüchlichen Angaben zeigen nach Überzeugung des erkennenden Einzelrichters, dass es die Klägerin zu 1) mit wahrheitsgemäßen Angaben nicht sehr genau nimmt, was ihrer Glaubwürdigkeit entgegensteht.
Soweit die Kläger über diejenige Verfolgung hinaus, die sich aus der Verfolgung des Ehemannes der Klägerin zu 1) ergeben habe, in der mündlichen Verhandlung darauf abgestellt haben, dass die Klägerinnen zu 1) und 2) dahingehend persönlich bedroht gewesen seien, dass die Taliban sie aufgrund ihres Geschlechts und sexuellen Motiven hätten mitnehmen wollen, so kann ihnen dieser Vortrag ebenfalls nicht geglaubt werden, da es sich insoweit um eine erhebliche Steigerung im Vorbringen gegenüber den Aussagen vor dem Bundesamt handelt, welche nicht nachvollziehbar erklärt werden konnte. Was die Kläger zu 3) – 5) angeht, so sind diese per se nicht von einer derartigen Verfolgung betroffen, was auch nicht behauptet wurde. Vor dem Bundesamt hat die Klägerin zu 1) die Fluchtgründe der Familie in keiner Weise darauf gestützt, dass weibliche Familienmitglieder von den Taliban hätten mitgenommen werden oder gar zwangsverheiratet werden sollen. Lediglich ganz allgemein findet sich dort der Hinweis, dass die Taliban Mädchen mitnehmen würden und in Afghanistan Vergewaltigungen stattfinden würden. Einen konkreten Bezug zur eigenen Familie hat die Klägerin zu 1) damit ersichtlich nicht hergestellt. Demgegenüber hat sie nunmehr in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass es das eigentliche Ziel der Taliban gewesen sei, dass sie selbst und ihre Tochter, die Klägerin zu 2), von diesen hätten mitgenommen werden sollen. Unabhängig von der bereits erwähnten markanten Steigerung gegenüber dem Vorbringen beim Bundesamt hat die Klägerin zu 1) diesbezüglich auch widersprüchliche Angaben gemacht, indem sie in der mündlichen Verhandlung bei der freien Schilderung ihrer Fluchtgründe zunächst angegeben hat, dass die Taliban gesagt hätten, dass sie, wenn der Ehemann nicht zurückkomme, die Tochter mitnehmen würden. Später hat sie auf die Frage nach einer persönlichen Bedrohung dann angegeben, dass auch sie selbst habe mitgenommen werden sollen. Schließlich hat sie sodann auf eine Frage ihres Bevollmächtigten in diesem Zusammenhang erläutert, dass die Taliban sie einmal festgenommen hätten, um sie mitzunehmen. Von einer solchen Festnahme war jedoch zuvor zu keiner Zeit die Rede. Aus diesem Aussageverhalten wird nach Überzeugung des Gerichts deutlich, dass die Klägerin zu 1) aus asyltaktischen Gründen ihre Aussagen jeweils nach Bedarf der konkreten Frage und Situation anpasst, ohne dass es sich hierbei um die Schilderung von tatsächlichen Erlebnissen handelt. Was die Klägerin zu 2) angeht, so hat die Klägerin zu 1) erklärt, dass sie es daran gemerkt habe, dass die Taliban die Klägerin zu 2) hätten haben wollen, dass die Taliban zweimal bis dreimal bei der Schule gewesen und der Tochter dort gedroht hätten. Die Klägerin zu 2) jedoch hat in Widerspruch hierzu bei ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass der persönliche Kontakt zu den Taliban darin bestanden habe, dass sie mehrmals auf dem Weg von der Schule nach Hause von diesen angesprochen worden sei, warum sie zur Schule gehe; dies sei nicht gut. Selbst wenn man hierin eine bedrohliche Situation, die jedoch bei weitem nicht die Qualität einer Verfolgungshandlung nach § 3a AsylG erreicht, sehen wollte, so wird in keiner Weise ersichtlich, dass die Klägerin zu 2) hätte von den Taliban mitgenommen werden sollen. Schließlich stehen all diese Ausführungen in der mündlichen Verhandlung in deutlichem Widerspruch zum Inhalt des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 11. Dezember 2017, wonach die Klägerin zu 2) in Afghanistan mit einem Talibanmitglied habe zwangsverheiratet werden sollen und die Klägerin zu 1) habe gezwungen werden sollen, die Klägerin zu 2) diesen zu übergeben, was die Klägerin zu 1) nur durch einen Trick habe abwenden können. Diese aufgezeigten erheblichen Widersprüche sowie eine auch im Hinblick auf die angebliche geschlechtsbezogene Verfolgung nur äußerst vage Darstellung durch die Klägerin zu 1) stehen einer Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Angaben diametral entgegen. Zudem existiert auch keine nachvollziehbare Begründung für diesen gesteigerten Sachvortrag. Die Klägerin zu 1) hat auf Vorhalt des Gerichts hierzu erläutert, dass alles, was sie (beim Bundesamt) gesagt habe, nicht protokolliert worden sei. Eine solche Aussage geht ersichtlich an der Realität vorbei und steht zudem in eklatanten Widerspruch dazu, dass die Klägerin zu 1) am Ende ihrer Anhörung vor dem Bundesamt bestätigt hat, dass es bei der in der Sprache Dari durchgeführten Anhörung keine Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher oder Beanstandungen gegeben habe. Zudem wurde ihr die Niederschrift rückübersetzt und sie hat gegen Unterschrift bestätigt, dass das rückübersetzte Protokoll ihren Angaben entsprochen habe und diese vollständig und wahrheitsgemäß gemacht worden seien.
Nach alledem ist das Gericht der Überzeugung, dass die Kläger unverfolgt aus Afghanistan ausgereist sind. Ein hiervon abweichendes Ergebnis ergibt sich schließlich auch nicht aus dem vorgelegten Bestätigungsschreiben des Entwicklungskomitees der Stadt Matik in der Provinz Parwan, wonach die Familie von einer unbekannten Person/Gruppe verfolgt worden sei, deshalb nach Kabul geflohen sei und auch dort mehrfach durch Drohbriefe und telefonisch dahingehend bedroht worden sei, dass man sie umbringen wolle. Das Gericht misst diesem Schreiben vor dem Hintergrund der skizzierten Pauschalität des Vorbringens der Kläger und den zahlreichen aufgezeigten Widersprüchen keinerlei Beweiswert bei. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (vgl. dort S. 25), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in Afghanistan in erheblichem Umfang existieren und es daher kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe.
Die von der Klägerin zu 1) vor dem Bundesamt erwähnte Bombenexplosion vor 16 Jahren, bei der sie verletzt worden sei, war ersichtlich nicht kausal für die Ausreise und überdies nicht gegen die Klägerin zu 1) persönlich gerichtet. Soweit die Kinder drei Monate lang nicht hätten zur Schule gehen können und sie selbst drei Monate nicht habe das Haus verlassen können, so liegt darin unabhängig von der Frage der mangelnden Glaubhaftigkeit dieser Angaben, da auch diese im Zusammenhang mit dem oben dargestellten Fluchtvortrag geäußert wurden, keine rechtlich relevante Verfolgungshandlung, die die erforderliche Qualität nach § 3a AsylG erreichen würde.
Den Klägern droht unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen auch bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch die Taliban oder gegenüber den Klägerinnen zu 1) und 2) aufgrund ihres Geschlechts. Diesbezüglich ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) sich derzeit nur kurzfristig für drei Monate im Iran aufhält und auch jederzeit dorthin zurückkehren kann so dass die Klägerinnen bei lebensnaher Betrachtung in Afghanistan nicht schutzlos sind. Darüber hinaus leben im Heimatland entsprechend der Aussagen in der mündlichen Verhandlung noch die Eltern und der Bruder der Klägerin zu 1), die den Klägerinnen überdies Schutz angedeihen lassen können.
II.
Die Kläger haben weiterhin keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
1. Den Klägern droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihnen ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist bereits nicht glaubhaft gemacht worden. Diesbezüglich wird vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen.
2. Den Klägern droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in ihrer Herkunftsregion, der Provinz Parwan. In der Zentralregion, zu der die Provinzen Parwan ebenso wie die Hauptstadt Kabul gehören, wurden im Jahre 2016 2.348 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11 f.). Die Anschlagswahrscheinlichkeit lag damit für die Zentralregion im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Im Jahr 2017 hat sich diese Zahl (unter Verdopplung der Halbjahreszahlen) bis zur Jahresmitte zwar erhöht. In der Zentralregion wurden im ersten Halbjahr 2017 1.254 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Midyear Report 2017, Juli 2017, S. 10). Jedoch ist auch damit derzeit noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre, zumal der größte Teil der zivilen Opfer in der Hauptstadt Kabul und nicht in der Provinz Parwan zu verzeichnen war. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person der Kläger sind darüber hinaus nicht erkennbar. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus der Abhandlung von Frau F. S. (Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, in: ZAR 5-6/2017, S. 189 ff.). Soweit diese darauf hinweist, dass in den UNAMA-Berichten eine Untererfassung der zivilen Opfer zu besorgen sei, so ist darauf hinzuweisen, dass anderes geeignetes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht und zum anderen auf die von Frau S. alternativ genannte Zahl der kriegsbedingt Binnenvertriebenen angesichts der klaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) nicht abgestellt werden kann. Insoweit weist Frau S. eingangs ihrer Abhandlung auch selbst darauf hin, dass ihre Diskussion nicht den Anspruch habe, die Kriterien einer juristischen Prüfung zu erfüllen (vgl. Fußnote 1). Aber selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.