Verwaltungsrecht

Kein relevantes Verfolgungsschicksals iSd AsylG aufgrund angeblicher Bedrohung wegen eines Voodoo Zaubers

Aktenzeichen  M 4 S 17.33052

Datum:
8.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a Abs. 3 S. 1, Art. 19 Abs. 4 , Art 103 Abs. 1
AsylG AsylG § 3, § 3c, § 4, § 29a Abs. 1, Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 36 Abs. 4 S. 1
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 7, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer angeblichen Bedrohung wegen eines Voodoo Zaubers im Herkunftsland Senegal handelt es sich offensichtlich nicht um eine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure aus asylrelevanten Gründen (§§ 3, 3c AsylG), sondern – falls überhaupt – um kriminelles Unrecht.  (redaktioneller Leitsatz)
3. Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller gibt an, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein. Eigenen Angaben zufolge verließ er sein Heimatland im Jahr 2012 und reiste am … Januar 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier stellte er am 11. Mai 2015 einen Asylantrag.
Bei seiner persönlichen Anhörung am … Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er aufgrund familiärer Konflikte aus dem Senegal ausgereist sei. Die Familie seiner Frau habe ihn nicht für würdig befunden, sie zu ehelichen. Daraufhin hätten sie seine Frau mit einem Voodoo-Zauber belegt; sie könne seitdem nicht mehr laufen. Auch er sei durch den Voodoo-Zauber zu Schaden gekommen und habe davon eine Narbe am Schienbein. Die Familie seiner Frau habe ihn geschlagen und ihm angedroht, man werde ihn durch Voodoo-Zauber töten. Die Polizei habe er nicht eingeschaltet, auch habe er nicht darüber nachgedacht, an einem anderen Ort im Senegal zu leben. Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller keine schutzwürdigen Belange angegeben habe. Beim Senegal handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Mit Telefax vom 16. Februar 2017 erhob der Antragsteller Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid (Az. M 4 K 17.33051) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trug er vor, dass sein Antrag jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet sei. Er beziehe sich auf seine bisher getätigten Angaben.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Im Übrigen wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG).
Eine Asylanerkennung kommt schon offensichtlich nicht in Frage, da der Antragsteller auf dem Landweg eingereist ist.
Hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft enthält der Vortrag des Antragsteller offensichtlich keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Der Antragsteller hat sich zur Begründung seines Asylantrags im Wesentlichen auf eine angebliche Bedrohung wegen eines Voodoo Zaubers berufen. Dabei handelt es sich offensichtlich nicht um eine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure aus asylrelevanten Gründen (§ 3 AsylG, § 3c AsylG), sondern – falls überhaupt – um kriminelles Unrecht. Jedenfalls besteht in Fällen wie dem vorliegenden – also Bedrohungen durch nichtstaatliche Akteure – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative und steht damit interner Schutz zur Verfügung (§ 3e AsylG). Der Antragsteller kann nach einer Rückkehr in den Senegal in einen anderen Landesteil ziehen, insbesondere in eine Großstadt, wo er vor der Familie seiner Frau mit asylrechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht ausfindig gemacht werden kann. Der Senegal hat rund 14 Millionen Einwohner und verfügt über mehrere Großstädte.
Auch die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG liegen offensichtlich nicht vor. Insofern wird hinsichtlich der Inanspruchnahme internen Schutzes (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG) auf die obigen Ausführungen verwiesen.
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei Rückkehr sind keine Anhaltspunkte gegeben, insoweit wird auf die bereits getätigten Ausführungen zur inländischen Fluchtalternative verwiesen.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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