Verwaltungsrecht

Kein Zurückbehaltungsrecht bei Verpflichtung zur Vorausleistung

Aktenzeichen  Au 7 K 16.1393

Datum:
27.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBestG BayBestG Art. 7
GO Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
BGB BGB § 273
AO AO § 226 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Pflicht zur Entrichtung der Friedhofsunterhaltungsgebühren besteht nicht, wenn der Schuldner nach der Friedhofsgebührensatzung zur Vorausleistung der Friedhofsunterhaltungsgebühr verpflichtet ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Grabnutzungsberechtigten steht grundsätzlich kein subjektiv-öffentliches Recht auf die Durchführung bestimmter Unterhaltungsmaßnahmen auf dem Friedhof zu. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 12. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 2 des Bestattungsgesetzes – BestG – müssen Leichen und Aschenreste Verstorbener grundsätzlich auf Friedhöfen beigesetzt werden. Gemäß Art. 7 BestG sind die Gemeinden verpflichtet, die erforderlichen Bestattungseinrichtungen, insbesondere Friedhöfe und Leichenräume herzustellen und zu unterhalten, soweit dafür ein öffentliches Bedürfnis besteht. Als Trägerin des Friedhofs kann die Gemeinde die Benutzung ihres Friedhofs gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) regeln. Zu diesem Zweck hat der Beklagte seine Satzung über die öffentlichen Bestattungseinrichtungen des Marktes … für die Friedhöfe,, … (Friedhofs- und Bestattungssatzung) vom 25. April 2013 erlassen. Deren § 1 bestimmt, dass die gemeindlichen Friedhöfe mit den einzelnen Grabstätten, die gemeindlichen Leichenhäuser, die Leichentransportmittel und das Friedhofs- und Bestattungspersonal öffentliche Einrichtungen des Beklagten sind. § 3 Abs. 1 Friedhofs- und Bestattungssatzung regelt, dass der Beklagte die Friedhöfe verwaltet und beaufsichtigt (Friedhofsverwaltung), wobei zur Friedhofsverwaltung gemäß Abs. 2 Nr. 2 dieser Bestimmung die Erhaltung und Instandsetzung der Friedhofsmauern, der Leichenhäuser, der Leichentransportgeräte und der Friedhofsanlagen gehört. Dagegen obliegt gemäß § 16 Abs. 4 Friedhofs- und Bestattungssatzung die ordnungsgemäße Pflege und Gestaltung eines Wahlgrabs, zu dem das Familiengrab des Klägers zählt (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 Friedhofs- und Bestattungssatzung), dem Nutzungsberechtigten.
2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes – KAG – können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben.
Insbesondere auf diese Rechtsgrundlage gestützt hat der Beklagte seine Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung seiner Bestattungseinrichtungen sowie für damit im Zusammenhang stehende Amtshandlungen – Friedhofsgebührensatzung – vom 31. März 2015 erlassen.
Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Satzung formell fehlerhaft erlassen wurde.
Auch inhaltlich ist sie nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den hier einschlägigen § 6 Abs. 1 Buchst. c) Friedhofsgebührensatzung, wonach für den laufenden Unterhalt der gemeindlichen Einrichtungen Gebühren (sog. Friedhofsunterhaltungsgebühren) erhoben werden, die für ein Familiengrab 55,00 EUR betragen (§ 6 Abs. 1 Buchst. c, aa) dieser Satzung). Die Friedhofsunterhaltungsgebühr entsteht gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. e) Friedhofsgebührensatzung mit der Erbringung der gebührenpflichtigen Leistung und ist gemäß Abs. 2 Satz 1 dieser Bestimmung im Voraus zu entrichten.
Danach durfte der Beklagte vom Kläger als Grabnutzungsberechtigten für das Familiengrab Abteilung … Grab … auf dem Friedhof … für das Jahr 2016 eine Friedhofsunterhaltungsgebühr in Höhe von 55,00 EUR verlangen bzw. mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 12. September 2016 geltend machen.
Der Kläger bestreitet nicht, dass er als Inhaber eines Grabnutzungsrechts für ein Wahlgrab (hier: Familiengrab) grundsätzlich die satzungsmäßige Friedhofsunterhaltungsgebühr in Höhe von 55,00 EUR jährlich zu leisten hat. Er macht aber geltend, dass der Beklagte ihm gegenüber seine Pflicht zur Unterhaltung der Friedhofsanlagen, nämlich Unkrautbeseitigung im Umgriff der klägerischen Grabstelle und Pflege bzw. Instandsetzung des davor verlaufenden Grünstreifens, verletzt bzw. nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, so dass er die Entrichtung der geschuldeten Friedhofsunterhaltungsgebühr solange verweigern könne, bis der Beklagte die ihm obliegenden Pflichten erfüllt habe.
a) Dieses Vorbringen des Klägers ist rechtlich als Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB zu werten.
aa) Dem Kläger steht ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Pflicht zur Entrichtung der Friedhofsunterhaltungsgebührt aber bereits deswegen nicht zu, weil er gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Friedhofsgebührensatzung zur Vorausleistung der Friedhofsunterhaltungsgebühr verpflichtet ist (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl., § 273 Rn. 13).
bb) Ein Zurückbehaltungsrecht des Klägers nach § 273 BGB scheitert zudem am Rechtsgedanken aus § 226 Abs. 3 AO.
Mit dem Verweis in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG auf § 226 AO hat der Gesetzgeber das Institut der Aufrechnung aus dem Bürgerlichen Recht in das abgabenrechtliche Erhebungsverfahren übernommen und eine sinngemäße Anwendung der §§ 387 ff. BGB angeordnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende Bestimmung enthält § 226 Abs. 3 AO, demzufolge die Abgabenpflichtigen, über die im Zivilrecht geforderte Gleichartigkeit und Fälligkeit hinaus, nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen aufrechnen können. Damit wollte der Gesetzgeber verhindern, dass die Durchsetzung von Ansprüchen aus Abgabeschuldverhältnissen, die bei Fälligkeit sofort vollziehbar sind, allein durch die Behauptung von ungewissen oder zweifelhaften, womöglich erst einer längeren Aufklärung und Feststellung bedürftigen Gegenforderungen gehindert wird. Die Behörde sollte im Erhebungsverfahren nicht mit der Entscheidung darüber belastet werden, ob der Abgabenpflichtige einen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gegenanspruch hat (vgl. BayVGH v. 4.2.2002 – 23 ZS 01.3171 – juris Rn. 5 ff m.w.N.).
Grundsätzlich ist auch im Bereich des öffentlichen Rechts Raum für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB bzw. dem in dieser Bestimmung enthaltenen Grundgedanken. Das Zurückbehaltungsrecht gewährt dem Abgabenschuldner das Recht, die Erfüllung einer Forderung zu verweigern, solange ihm aus demselben rechtlichen Verhältnis ein fälliger Anspruch gegen den Abgabengläubiger zusteht. Das Zurückbehaltungsrecht muss jedoch, wie bei der Aufrechnung gesetzlich geregelt, im Lichte der besonderen Gegebenheiten des Abgabenrechts gesehen werden. Dies bedeutet, dass ein Gegenanspruch nur dann Beachtung finden kann, wenn der Abgabenpflichtige einen unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenanspruch hat. Damit wird vergleichbar der Aufrechnung sichergestellt, dass ein Abgabenschuldner sich seiner Zahlungsverpflichtung nicht durch bloße Behauptung noch klärungsbedürftiger Gegenansprüche entziehen kann. Zugleich wird vermieden, dass eine im Hinblick auf § 226 Abs. 3 AO unzulässige Aufrechnung auf dem Wege des Zurückbehaltungsrechts umgangen werden kann (vgl. BayVGH v. 4.2.2002 – 23 ZS 01.3171 – juris; VG München, U.v. 7.8.2008 – M 10 K 08.1241 – juris Rn. 40; VG München, U.v. 24.4.2008 – M 10 K 07.5363 – juris Rn. 28, 29).
Solche rechtskräftig festgestellten oder unbestrittenen Gegenansprüche stehen dem Kläger gegenüber dem Beklagten nicht zu.
(1) Zum einen bestreitet der Beklagte, dass dem Kläger die angeführten Gegenansprüche – Unkrautbeseitigung durch den Beklagten im unmittelbaren Umgriff seines Grabes, Anspruch auf „bessere“ Unterhaltung des Grünstreifens vor dem Grab – zustehen; diese Ansprüche sind auch nicht rechtskräftig festgestellt.
(2) Zum anderen steht dem Kläger grundsätzlich kein subjektiv-öffentliches Recht auf die Durchführung bestimmter Unterhaltungsmaßnahmen (hier. gärtnerische Pflegeleistungen im Bereich seiner Grabstelle) auf dem Friedhof zu.
Die Friedhofsnutzung ist gemeingebräuchlich und gestattet jedermann ohne Gebühren und ohne vorherige Zulassung durch den Friedhofsträger das Betreten des Friedhofs im Rahmen der Öffnungszeiten und unter Beachtung des Widmungszwecks bzw. der Friedhofsordnung (s. §§ 2, 6 Friedhofs- und Bestattungssatzung). Dieser Gemeingebrauch ist ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht, das für jedermann am konkreten Friedhof – hier Friedhof … – kraft Widmung gegenüber dem Friedhofsträger begründet wird. Es besteht unabhängig vom Bestehen eines Grabnutzungsrechts. Demnach erfolgt die Unterhaltung des Friedhofs und seiner Einrichtungen, um die Nutzung entsprechend dem Widmungszweck und dem öffentlichen Bedürfnis zu gewährleisten. Die Unterhaltung des Friedhofs und seiner Einrichtungen erfolgt daher überwiegend im Interesse der Allgemeinheit und nicht im Interesse des Einzelnen bzw. des einzelnen Grabnutzungsberechtigten. Ein subjektiv-öffentlicher Rechtsanspruch auf bestimmte Unterhaltungsmaßnahmen, hier die vom Kläger geltend gemachten gärtnerischen Pflegearbeiten im Bereich seiner Grabstelle, steht ihm daher nicht zu (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 11. Auflage, Kapitel 2, Rn. 133 ff, insbesondere Rn. 143).
Grabnutzungsberechtigte, wie der Kläger, haben nämlich keine „stärkeren“ Rechte als jedermann. Grabnutzungsrechte als subjektiv-öffentliche Sondernutzungsrechte begründen nur das zusätzliche Recht, einen Verstorbenen auf einer bestimmten Grabstelle zu beerdigen und diese Grabstelle unter Beachtung der Vorgaben der Friedhofsordnung zu gestalten und zu unterhalten (vgl. BayVGH, U.v. 30.4.2008 – 4 B 05.3396 – juris Rn. 25 ff. m.w.N.; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 11. Auflage, Kapitel 1 Rn. 21). Dieses Recht auf ausschließliche Nutzung der Grabstelle (Abteilung … Grab … auf dem Friedhof …) hat der Beklagte dem Kläger eingeräumt. Eine Verletzung dieses subjektiv-öffentlichen Sondernutzungsrechtes ist nicht ersichtlich.
b) Der Pflicht des Klägers zur Entrichtung der Friedhofsunterhaltungsgebühr steht auch nicht der Einwand der Schlechtleistung entgegen.
Nach den hier entsprechend anzuwendenden Grundsätzen des Kommunalabgabenrechts entsteht eine Benutzungsgebühr dann nicht oder nicht in voller Höhe, wenn im Vergleich zu der durch Satzung bestimmten ordnungsgemäßen Leistung des Beklagten tatsächlich eine erhebliche Schlechtleistung erbracht worden ist, d.h. wenn ein grobes Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen bestünde (vgl. dazu BayVGH U.v. 30.4.2008 – 4 B 05.3396 – juris). Das abgabenrechtliche Äquivalenzprinzip ist erst dann verletzt, wenn das Ausgleichsverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leistung „gröblich“ gestört ist. Dementsprechend muss – um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein – eine Leistungsstörung von gewisser Schwere und Bedeutung vorliegen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 13.1. 2010 – 9 LA 205/08 – NVwZ-RR 2010, 329; OVG Koblenz, U.v. 9.2.2006 – 7 A 11037/05 – juris; OVG NW, B.v. 27.5.1994 – 9 A 2235/93 – juris).
Von einem solchen „groben Missverhältnis“ kann hier keine Rede sein.
Die Unterhaltung des Friedhofs (s. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Friedhofs- und Bestattungssatzung) umfasst die Pflicht, die Friedhofsanlage in dem Zustand zu unterhalten, der zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist. Zudem hat der Friedhofsträger für die Verkehrssicherheit auf dem Friedhof zu sorgen. Art und Ausmaß der Unterhaltungsmaßnahmen hat der Friedhofsträger nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen nach pflichtgemäßem Ermessen selbst zu bestimmen (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 11. Auflage, Kapitel 2, Rn. 133 bis 135).
Eine die volle Gebühr rechtfertigende Unterhaltung des Friedhofs wäre nach den obigen Grundsätzen z.B. erst dann nicht erbracht worden, wenn nach Art und Umfang erhebliche Mängel feststellbar wären, z.B. wenn sie ein Ausmaß erreicht hätten, das unter den Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit oder Hygiene nicht hingenommen werden könnte; erst wenn solche Zustände über längere Zeit, d. h. zumindest über mehrere Wochen andauern, kann sich die Frage nach einer Gebührenermäßigung stellen.
Die Unterhaltungspflicht einschließlich der Verkehrssicherungspflicht hat der Beklagte hinsichtlich des Friedhofs … erfüllt, denn selbst der Kläger bestreitet nicht, dass er den Friedhof zum Besuch und der Pflege seiner Grabstätte uneingeschränkt nutzen kann. Die Schadstellen auf dem vor dem Grab verlaufenden Grünstreifen und der Unkrautbewuchs im direkten Umgriff seiner Grabstelle stellen lediglich – abhängig vom subjektiven Empfinden des Einzelnen – eine ästhetische Beeinträchtigung dar und rechtfertigen daher unter keinem sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkt eine teilweise oder – wie hier – völlige Einbehaltung der Gebühr. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger oder der Beklagte zur Unkrautentfernung im direkten Grabumgriff verpflichtet ist oder ob der vor dem Familiengrab des Klägers verlaufende Grünstreifen tatsächlich schlechter gepflegt wird als der Grünstreifen vor den anderen Grabstätten.
II.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.


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