Verwaltungsrecht

Keine Abschiebung im Mutterschutz

Aktenzeichen  M 26 S 18.52227

Datum:
23.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 22654
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34a Abs. 1
MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 60a Abs. 2

 

Leitsatz

Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist, sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht oder gerade stattgefunden hat. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die in Nummer 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 9. Juli 2018 verfügte Abschiebungsanordnung nach Italien wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die Darstellung im Bescheid des Bundesamts vom 8. Juli 2018 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Antragstellerin hat am 17. Juli Klage gegen den genannten Bescheid des Bundesamts erhoben. Zugleich beantragt sie:
Hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Italien wird die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet.
Dem Bundesamt und dem Gericht wurde ein Mutterpass über die Schwangerschaft der Antragstellerin vorgelegt. Zudem wurde ausgeführt, dass sich der Vater des Kindes ebenfalls in Deutschland befinde und die Vaterschaft anerkannt habe. Ein Termin für die Abgabe einer Sorgerechtserklärung sei bereits vereinbart.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet, da mit Beginn der Mutterschutzfrist im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ein Abschiebungshindernis besteht.
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Über den engeren Kreis der durch die Dublin-III VO vorgegebenen Zuständigkeitsaspekte hinaus ist eine Abschiebungsanordnung – schon im Hinblick darauf, dass § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG verlangt, dass die Abschiebung „durchgeführt werden kann“ – dann ausgeschlossen, wenn inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, wie sie in § 60a Abs. 2 AufenthG niedergelegt sind, vorliegen (BayVGH B.v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris Rn. 4; BayVGH B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris Rn. 4).
Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist, sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht oder gerade stattgefunden hat. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) (VG München, B.v. 19.07.2016 – M 12 S 16.50456 – juris Rn. 33). In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und endet acht bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten zwölf Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuSchG). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der vorgelegten Kopie des Mutterpasses als voraussichtlicher Entbindungstermin der 15. September 2018, so dass sich die Antragstellerin derzeit im gesetzlichen Mutterschutz befindet.
Dem zufolge war die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, obwohl das dargelegte inlandsbezogene Abschiebungshindernis ein nur vorübergehendes ist und nach Ablauf der gesetzlichen Mutterschutzfristen eine Abschiebung der Antragstellerin möglicherweise wieder in Betracht kommt. Der Antragsgegnerin bleibt es unbenommen, nach Ablauf der Mutterschutzfrist einen Antrag gem. § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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