Verwaltungsrecht

Keine Durchführung eines Asylfolgeverfahrens bei substanzlosem Sachvortrag (Herkunftsland Äthiopien)

Aktenzeichen  AN 3 K 16.30256

Datum:
11.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11, § 60 Abs. 5, 7
AsylG AsylG § 71
VwVfG VwVfG § 48, § 49, § 51

 

Leitsatz

Die Zulässigkeit eines Asylfolgeantrags nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG erfordert bei der Berufung auf den Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG die schlüssige und fristgerechte Behauptung, dass sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Begründet ist ein Asylfolgeantrag dann, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage tatsächlich vorliegt und diese geeignet ist, eine für den Asylbewerber günstigere Sachentscheidung herbeizuführen. (red. LS Clemens Kurzidem)
Bei einem pauschalen und substanzlosen Vortrag im Asylfolgeverfahren ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht vorliegen. (red. LS Clemens Kurzidem)
Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG im Asylfolgeverfahren nicht vor, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach § 51 Abs. 5 VwVfG iVm §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. (red. LS Clemens Kurzidem)
Führt das Festhalten an einer bestandskräftigen negativen Entscheidung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis, reduziert sich das Widerrufs- bzw. Rücknahmeermessen dann auf Null, wenn der Ausländer bei einer Abschiebung einer extremen, individuellen Gefahrensituation ausgesetzt würde, sodass ein Absehen von der Abschiebung verfassungsrechtlich zwingend geboten wäre. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 8. März 2016 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sind nicht erfüllt.
Gemäß § 71 AsylVfG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Hierfür ist erforderlich, dass der Folgeantrag binnen drei Monaten nach Bekanntwerden des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt wird (§ 51 Abs. 3 VwVfG) und der Antragsteller ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG).
Als Wiederaufgreifensgründe kommen nach § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG nur eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen, das Vorliegen neuer Beweismittel oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO in Betracht.
Werden als Wiederaufnahmegründe erst nach unanfechtbarem Abschluss des früheren Verfahrens eingetretene Veränderungen geltend gemacht, sind diese substantiiert und glaubhaft darzulegen (BVerwG, Urteil vom 23.6.1987 – 9 C 251/86, BVerwGE 77, 323; Urteil vom 30.8.1988 – 9 C 47/87, NVwZ 1989,161). Die Verwaltungsgerichte sind im Übrigen nicht befugt, andere als vom Antragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (st.Rspr., vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 21.4.1982 – 8 C 75/80, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 11).
Die Zulässigkeit des Antrags an die Behörde erfordert bei dem insoweit einschlägigen Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zunächst die schlüssige und fristgerechte Behauptung, dass sich die Sach- und Rechtslage geändert habe. Begründet ist der Antrag sodann, d. h., er vermag die Bestandskraft des ursprünglichen Verwaltungsaktes zu durchbrechen, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage tatsächlich vorliegt und diese geeignet ist, eine neue für den Asylbewerber günstigere Sachentscheidung herbeizuführen (vgl. BVerwG vom 3.5.2000 – 8 B 352.99, DVBl 2001, 305; vom 25.6.1991 – 9 C 33.90, EZAR, 212 Nr. 8, und vom 23.6.1987 – 9 C 251.86, EZAR 224 Nr. 16; BayVGH vom 24.4.1997 – 8 B 96.30918).
Vorliegend beruft sich die Klägerin schon nicht auf die Änderung der Sachlage nach Abschluss ihres ersten Asylverfahrens am 27. November 2012.
Denn der Vortrag der Klägerin zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 -3 VwVfG erschöpfte sich sowohl bei der Antragstellung als auch im gerichtlichen Verfahren in unsubstantiierten Behauptungen zum Vorliegen (im Vergleich zum Erstverfahren unveränderter) exilpolitischer Betätigung. Bei pauschalem und substanzlosem Vortrag im Folgeverfahren ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht vorliegen (VG Münster, B. v. 12.4.2000 – 7 L 414/00.A-, juris).
Insbesondere ist die zur Begründung angeführte, seit Abschluss des Erstverfahrens unverändert fortgesetzte, exilpolitische Betätigung schon begrifflich nicht geeignet, eine Änderung der dem Bescheid des Bundesamtes aus dem Erstverfahren zugrundeliegenden Sachlage herbeizuführen. Darüber hinaus spricht wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Aufforderung der Ausländerbehörde, die Klägerin solle ein Rückflugticket nach Äthiopien erwerben und der Folgeantragstellung viel dafür, dass der Folgeantrag ausschließlich zur Vermeidung der Ausreise gestellt wurde, vgl. auch § 30 a Abs. 1 Nr. 5 AsylG i. d. F. des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016, BGBl. I S. 390.
Außerdem hat die Klägerin – entgegen der Ankündigung ihrer Prozessbevollmächtigten- auch nach der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei weitere Anstrengungen unternommen, um den weiteren Asylantrag zu begründen, sondern sich ins Kirchenasyl begeben.
Die nun mit Telefax vom 10. Mai 2016 eingereichten Unterlagen sind schon deshalb nicht geeignet, zur Durchführung eines Folgeverfahrens zu führen, weil die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht eingehalten ist. Dies gilt – unabhängig von der inhaltlichen Aussagekraft – auch für das Unterstützungsschreiben der EPPFG vom 10. Januar 2016.
2.
Gründe, die die Zuerkennung des begehrten subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. 4 Abs. 1 AsylG tragen könnten, wurden von der Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
3.
Die Klägerin hat auch gemäß § 51 Abs. 5, § 48 Abs. 1, § 49 Abs. 1 VwVfG keinen Anspruch auf eine gerichtliche Abänderung des ablehnenden Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Hinblick auf die begehrte Feststellung, dass in ihrer Person internationale bzw. nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen.
Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit §§ 48,49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz zurückgenommen bzw. widerrufen wird (§ 13 Abs. 2 AsylG); insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung (vgl. BayVGH, U. v. 6.6.2002 – 23 B 02.30222, juris; BVerwG, U. v. 21.3.2000 – 9 C 41/99 und U. v. 20.10.2004 – 1 C 15/03, juris). Die Ermessensentscheidung kann vom Gericht nur in den Grenzen des § 114 VwGO überprüft und beanstandet werden.
Eine abschließende gerichtliche Entscheidung zugunsten des Ausländers ist nur dann geboten, wenn ein Festhalten an der bestandskräftigen negativen Entscheidung zum Bestehen von nationalen Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz zu einem schlechten unerträglichen Ergebnis führen würde und das Ermessen deshalb auf Null reduziert ist. Dies kommt in Betracht, wenn der Ausländer bei einer Abschiebung einer extremen individuellen Gefahrensituation – der Schwere nach vergleichbar einer extremen allgemein Gefahrensituation im Sinne der Rechtsprechung zu § 53 Abs. 6 Satz eins AuslG a. F. – ausgesetzt würde und das Absehen von einer Abschiebung daher verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.
Für das Bestehen einer solchen extremen Gefährdungssituation für die Klägerin im Heimatland wurde nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich; vielmehr machte die Klägerin auf dem ihr vorgelegten Fragebogen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG keinerlei Angaben (siehe Blatt 15 ff. der Behördenakte).
4.
Die ausgesprochene Abschiebungsandrohung findet ihre Grundlage in §§ 71 Abs. 4, 34 AsylG und § 59 AufenthG.
5.
Auch die nach § 11 Abs.1, 2 AufenthG vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise (§ 11 Abs. 2 S. 2 AufenthG).
Das Bundesamt ist gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG für die Entscheidung über die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 2 AufenthG zuständig.
Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten.
Die Beklagte hat die Frist in Falle der Klägerin auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Dies hat sie damit begründet, dass Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange weder ausreichend vorgetragen worden seien noch nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vorlägen.
Die Klägerin machte in der hierzu erfolgten Anhörung mit Fragebogen vom 7. März 2016 keine Angaben zu persönlichen Gründen, die für die Bemessung dieser Frist bedeutsam sein könnten (Blatt 17 der Behördenakte), weshalb keine Anhaltspunkte für Ermessensfehler bei der Befristungsentscheidung bestehen.
Im Übrigen wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR (§ 30 Abs. 1 Satz 1 RVG).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde angreifbar, § 80 AsylG.


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