Verwaltungsrecht

Keine Erteilung des Jagdscheins aufgrund Verstoßes gegen das Waffenrecht

Aktenzeichen  M 7 K 16.4911

Datum:
15.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BZRG BZRG § 52 Abs. 1 Nr. 4
BJagdG BJagdG § 17 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2
WaffG WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 2 Nr. 5, § 52 Abs. 1
StPO StPO § 153a Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Verstöße gegen das Waffenrecht, die vorsätzliche Straftaten darstellen, sind regelmäßig gröbliche Verstöße iSv § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG und § 17 Abs. 4 Nr. 2 BJagdG, die zur waffenrechtlichen bzw. jagdrechtlichen Unzuverlässigkeit führen.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein gröblicher Verstoß ist nicht deshalb zu verneinen, weil das Strafgericht das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; er hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 21 B 16.527 – juris Rn. 21) keinen Anspruch auf die Erteilung des begehrten Jagdscheines (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG ist der beantragte Jagdschein bei Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen. Für die Zuverlässigkeit wird in § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG auf § 5 WaffG verwiesen. Weiter zählt das Bundesjagdgesetz in § 17 Abs. 3 und 4 BJagdG selbst Unzuverlässigkeitsgründe auf. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG und § 17 Abs. 4 Nr. 2 BJagdG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, wenn sie wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben.
Ein gröblicher Verstoß liegt vor, wenn er nach seinem objektiven Gewicht und dem Grad der Vorwerfbarkeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung darstellt. Ausgangspunkt der Bewertung, ob eine Verletzung von Vorgaben des Waffengesetzes gröblich ist, ist der ordnungsrechtliche Zweck; das Gesetz will das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering halten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Entscheidend ist, ob die Rechtsverletzung gemessen an den genannten Zielsetzungen objektiv schwer wiegt und in subjektiver Hinsicht im Besonderen dem Betreffenden als grobe Pflichtverletzung zuzurechnen ist, sei es weil er vorsätzlich gehandelt hat oder sich als besonders leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt hat. Verstöße gegen das Waffenrecht, die vorsätzliche Straftaten darstellen, sind regelmäßig gröbliche Verstöße. Die Verwaltungsbehörden bzw. im Streitfall die Verwaltungsgerichte haben bei einer Straftat eigenständig zu beurteilen, ob ein Verstoß im Sinne des Waffengesetzes gröblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12/95 – juris Rn. 24, 25; OVG NRW, U.v. 31.8.2006 – 20 A 524/05 – juris Rn. 29 ff.; BayVGH, B.v. 21.11.2016 – 21 ZB 15.931 – juris Rn. 10).
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen, indem er entgegen § 2 Abs. 3 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.4.1 für Schusswaffen bestimmte Vorrichtungen erworben hat, die das Ziel beleuchten oder markieren. Um für Schusswaffen bestimmte Vorrichtungen handelt es sich, wenn diese durch ihre Konstruktion und/oder Bauart speziell dazu bestimmt sind, als Zielscheinwerfer oder Zielpunktprojektoren zu dienen. Liegt keine konstruktions- oder bauaurtbezogene Zweckbestimmung vor, kommt es darauf an, ob der Erwerber damit zu einem vom Waffengesetz missbilligten Zweck umgehen will (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2009 – 6 C 21/08 – juris Rn. 20, 21). Die Prozessbevollmächtigte im Strafverfahren hat einen Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamts vorgelegt, in dem die Frage, wann es sich um ein für eine Schusswaffe bestimmtes Zielhilfsmittel handelt, weiter konkretisiert wird. Es wird ausgeführt, dass dies nicht nur bei einer Festmontage oder abnehmbaren Montage an einer Waffe der Fall sei, sondern auch wenn korrespondierende Schnittstellen vorlägen und sich die Komponenten Waffe, ggf. Zielfernrohr, und Vorrichtung mit wenigen Handgriffen verbinden ließen und einen bestimmungsgemäßen Gebrauch des montierten Zielhilfsmittels darstellten. Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an. Die vom Kläger erworbenen Gegenstände stellen danach verbotene Zielscheinwerfer und Zielpunktprojektoren für Waffen dar. Sie werden mit Halterungen zur Befestigung an der Waffe oder dem Zielfernrohr geliefert und dies ist nach der mitgelieferten Gebrauchsanweisung auch der vorgesehene Anwendungsfall. Weiter ergibt sich aus den Bildern der Internetauftritte, dass es sich bei den bestellten Gegenständen des Klägers um Vorrichtungen für Schusswaffen handelt. Es kommt daher nicht darauf an, zu welchem Zweck der Kläger die Gegenstände gebrauchen wollte. Das Gericht hält allerdings den Vortrag, dass er die Gegenstände für die Hühnerhaltung benötige, für wenig glaubhaft. Es muss auch nicht abschließend geklärt werden, ob der Kläger bei dem Erwerb vorsätzlich gehandelt hat. Es ist ihm jedenfalls grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Er hat selbst eingeräumt, dass die Gegenstände im Inland nicht in der von ihm gekauften Form erworben werden können.
Ein gröblicher Verstoß ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil das Strafgericht das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt hat. Wie bereits ausgeführt, kommt es nicht auf die strafrechtliche Beurteilung an, sondern im Hinblick auf den ordnungsrechtlichen Zweck auf eine eigenständige Prüfung durch die Verwaltungsbehörden bzw. -gerichte. Im Übrigen hat die Gerichtspraxis bei der Anwendung des § 153a StPO den Bereich der kleineren Kriminalität verlassen und wendet die Vorschrift auch in gewichtigeren Fällen an, eine geringe Schuld ist kein Tatbestandsmerkmal mehr (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12/95 – juris Rn. 25).
Es liegen auch keine besonderen Umstände vor, die es entgegen der Regel des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG und § 17 Abs. 4 Nr. 2 BJagdG rechtfertigen könnten, von der waffenrechtlichen bzw. jagdrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers auszugehen. Ein solcher Ausnahmefall kommt nur dann in Betracht, wenn die konkreten Umstände die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Tat begründeten Zweifel an der vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Tatbezogene Umstände, die einen Ausnahmefall begründen würden, kann das Gericht nicht erkennen. Soweit der Kläger geltend gemacht, dass er die Gegenstände für die Hühnerhaltung bestellt habe und sich mit der Bestellung aus dem Ausland Kosten erspart habe, ist für das Gericht weder der Erwerbszweck noch das Kostenargument nachvollziehbar. Gerade wenn man Kosten sparen will und wenig Geld hat, kauft man keine „Taschenlampe“ für 152,50 USD.
Zusätzlich sieht das Gericht den Unzuverlässigkeitsgrund des § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG, § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG als gegeben an. Danach besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich verwenden werden.
Erforderlich sind konkrete Tatsachen, die den nachvollziehbaren und plausiblen Schluss rechtfertigen, dass der Kläger in Zukunft mit Waffen in einer vom Waffengesetz nicht geduldeten Form umgehen wird. Das mangelnde Potential für gewaltfreie Konfliktlösungen trägt ebenso die Prognose einer missbräuchlichen Verwendung (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2013 – 21 B 12.960 – juris Rn. 30). Bei der zu erstellenden Prognose ist der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG bzw. § 17 Abs. 3 Nr.1 BJagdG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 9; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BVerwG, z.B. B.v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris sowie B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 71).
Mit dem Zerstechen einer Vielzahl von Reifen an BRK-Fahrzeugen und anderen Fahrzeugen mit einem Messer oder anderen geeigneten Werkzeug sowie bei dem Streit mit seiner Ehefrau hat der Kläger ein Verhalten gezeigt, dass die Prognose rechtfertigt, dass er mit einer Waffe nicht ordnungsgemäß umgehen wird. Auch den Sachbeschädigungen ging eine Streitigkeit mit dem BRK-Geschäftsführer und anderen Verantwortlichen voraus. Die beiden Vorfälle belegen klar, dass der Kläger bei Auseinandersetzungen sehr aggressiv und völlig unangemessen reagieren kann. Sie zeigen einen bestehenden Charaktermangel des Klägers auf, der nicht nur vorübergehend gegeben ist. Er hat bei seinem „Ausrasten“ gefährliche Werkzeuge benutzt, bei den Sachbeschädigungen ein Messer oder ein anderes geeignetes Werkzeug, bei dem Streit mit seiner Ehefrau Grillanzünder und Feuerzeug. Die der Verurteilung wegen Sachbeschädigung zugrunde liegenden Tatumstände können berücksichtigt werden, obwohl die Verurteilung nicht mehr im Bundeszentralregister gespeichert ist. Nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG darf eine Tat abweichend von den regulären Löschungsfristen berücksichtigt werden, wenn der Betroffene die Erteilung eines Jagdscheins beantragt und die Erteilung der Erlaubnis zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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