Aktenzeichen M 4 S 16.36186
Leitsatz
1 Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Werden keine Umstände vorgetragen, die eine von der allgemeinen Lage abweichende Beurteilung rechtfertigen, sind der Asylantrag und der Antrag auf Flüchtlingsschutz offensichtlich unbegründet. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keinen Schutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Eine extreme Gefahrenlage kann nicht angenommen werden, wenn der Antragsteller als junger arbeitsfähiger Mann seinen Unterhalt dort durch eigene Tätigkeit sicherstellen kann. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragsteller behauptet ohne Vorlage irgendwelcher Legitimationspapiere, ja nicht einmal unter Glaubhaftmachung seiner Identität, ein am … Februar 1997 geborener senegalesischer Staatsangehöriger zu sein. In seiner Erstbefragung am …. Februar 2016, an dem er auch Asylantrag gestellt hat, gibt er an, am …. November 2014 seine Heimat verlassen zu haben und über Mali, Burkina Faso, Nigeria, Niger, Libyen und Italien nach Österreich gereist zu sein. Am …. August 2015 sei er in Deutschland eingereist. In Italien habe er sich drei Monate auf Sizilien aufgehalten.
In seiner Anhörung am …. März 2016 vor dem Bundesamt gab er an, seinen Personalausweis, seinen Führerschein und seine Geburtsurkunde beim Einsteigen ins Boot, das ihn von Libyen nach Italien habe bringen sollen, verloren zu haben. Auch soweit er Reisetickets oder ähnliches gehabt habe, habe er diese in Deutschland verloren. Spätestens ab Libyen sei er illegal und ohne Papiere gereist. In Italien habe er Fingerabdrücke abgeben müssen. Er sei drei Jahre zur Schule gegangen und habe sie ohne Abschluss verlassen. Er habe weder eine Ausbildung gemacht noch einen Beruf erlernt. Er sei sieben Jahre lang als Automechaniker angelernt worden. Sein Einkommen und seine Lebensgrundlage seien mal gut mal schlecht gewesen. Es sei immer so gegangen. Er habe in Senegal mit niemand Probleme gehabt, er habe nur ein Problem mit sich selbst. Er sei krank und habe deshalb den Senegal verlassen müssen. Er leide an Bauchweh. Ärztliche Atteste oder einen medizinischen Bericht aus dem Senegal könne er auch nicht vorlegen. Auch habe er im Senegal einen Verkehrsunfall gehabt und sein Haus sei eingestürzt und er könne es mangels Geld nicht mehr aufbauen. Die letzten sechs Monate habe er bei einem Freund im selben Dorf gelebt.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2. des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4. des Bescheids), der Antragsteller wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angeordnet (Ziffer 5. des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6. des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Ziffer 7. des Bescheids).
Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG. Er habe nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei als offensichtlich unbegründet, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes als unbegründet abzulehnen. Auch individuelle Gefahren, die das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes begründen könnten, seien nicht erkennbar.
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
Am 22. Dezember 2016 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesamtes fristgerecht Klage (M 4 K 16.36194).
Mit dieser Klage wird unter Aufhebung des Bescheids die Verpflichtung der Beklagten ihm die Asylanerkennung sowie die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen begehrt. Sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Hilfsweise die Feststellung des subsidiären Schutzstatus bzw. des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geltend gemacht.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine auf den Antragsteller bezogene Begründung wurde nicht vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2017 legte der Antragsteller ein Schreiben des Landratsamtes Mühldorf am Inn an ihn selbst vor. Es handelt sich dabei um einen Kostenübernahmebescheid hinsichtlich einer Hoden-OP. Beigefügt ist ein kurzer Arztbericht des Kreiskrankenhauses … … … vom März 2016.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert, sie hat die Behördenakten vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der – nach Auslegung – zulässig erhobene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt erfolglos. Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 7. des Bescheids) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B.v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B.v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
Der ansonsten auslegungsbedürftige (§ 88 VwGO) Eilantrag ist in der Sache darauf gerichtet, dass das Gericht die kraft Gesetzes nach § 75 Asylgesetz (AsylG; ohne weitere Übergangsregelung auch für die vorher anhängig gewordenen Asylverfahrens in Kraft seit 24.10.2015 aufgrund von Art. 1, 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl I S. 1722) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. Satz 2 des Bescheids) und die nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6. des Bescheids) nach § 80 Abs. 5 VwGO anordnen soll.
Dieser Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Der Antrag bleibt erfolglos.
a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
b) Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte.
Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
bb) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die von der Bevollmächtigten des Antragstellers weiter geltend gemachten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 mit Abs. 4 AufenthG sind erkennbar nicht einschlägig.
Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
(1) Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015 (Stand August 2015), dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d. h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m. w. N.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20).
(2) Das kann beim Antragsteller nicht angenommen werden.
Dieser ist als junger arbeitsfähiger Mann in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar. Auch die vom Antragsteller belegte Hoden-OP im März 2016 ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Operation ist offensichtlich günstig verlaufen und der Antragsteller ist durch sein Leiden nicht mehr in seiner Lebensführung eingeschränkt. Auch hat er in der Vergangenheit bewiesen, dass er weder beim Bestreiten seines Lebensunterhaltes in Senegal beeinträchtigt war noch ihn seine Erkrankung davon abgehalten hat, eine monatelange beschwerliche Reise vom Senegal nach Deutschland auf sich zu nehmen. Allein dies beweist, dass der Antragsteller jung, gesund und leistungsfähig ist.
cc) Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).