Verwaltungsrecht

Keine Flüchtlingsanerkennung wegen privater Landstreitigkeiten in Mali

Aktenzeichen  Au 5 K 16.32802

Datum:
13.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 2, § 76 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EGMR Art. 3

 

Leitsatz

1 Aus dem Vortrag, im Zuge einer privaten Landstreitigkeit in behaupteter Notwehr einen Menschen umgebracht zu haben, ergibt sich keine flüchtlingsrechtliche relevante Verfolgung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Süden Malis, der frei vom Bürgerkrieg ist, besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative, um sich der behaupteten Rache einer verfeindeten Familie zu entziehen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein alleinstehender, junger Mann kann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1 AsylG, § 113 Abs. 5 VwGO). Auf die zutreffenden Begründungen des angefochtenen Bescheids wird in vollem Umfang verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt: 13
1. Die Klage ist offensichtlich unbegründet.
Die Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet mit der Folge der Unanfechtbarkeit der Entscheidung setzt voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei diesem Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsaufassung die Abweisung der Klage für das Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 12.7.1983 – 1 BvR 1470/82 – BVerfGE 65, 76/95 ff.; U.v. 11.12.1985 – 2 BvR 361/83 – BVerfGE 71, 276/293 ff.). Diese Grundsätze gelten nicht nur für das in Art. 16a Abs. 1 GG verankerte Asylgrundrecht und für Verfahren, die auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 3 AsylG gerichtet sind (zur Vorgängervorschrift des § 60 Abs. 1 AufenthG vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146/148), sondern auch für Klagen, soweit sie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zum Gegenstand haben (BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – NVwZ 2007, 1046).
a) Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid zu Recht den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG und auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt keinerlei asylrelevante Tatsachen vorgetragen, die seine Flucht aus Mali rechtfertigen könnten. Er hat sich ausschließlich auf den Konflikt mit einer verfeindeten Familie im Zuge von Landstreitigkeiten berufen. Dabei habe er, nach seinen Angaben in Notwehr, einen Menschen umgebracht und sei dann geflohen. Damit behauptet der Kläger nicht einmal selbst, dass er eine Verfolgung in Mali in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG befürchte.
b) Auch ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG besteht für den Kläger offensichtlich nicht. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylG liegen offensichtlich nicht vor. Der Kläger hat bei einer Rückkehr nach Mali allenfalls zu befürchten, dass er wegen der von ihm begangenen Straftat belangt wird. Der Kläger hat jedoch, wie jeder andere, für die Folgen seines Handelns einzustehen. Anhaltspunkte dafür, dass ihm dabei von staatlicher Seite bei Untersuchung des Tathergangs und bei einem möglicherweise nachfolgenden gerichtlichen Verfahren Gefahren i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylG drohen, gibt es nicht. Sein Vorbringen als wahr unterstellt, hat der Kläger in Notwehr gehandelt.
Soweit der Kläger darüber hinaus die Rache der verfeindeten Familie befürchtet, ist er – sein Vorbringen als wahr unterstellt – jedenfalls auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zu verweisen. Es ist nach Auffassung des Gerichts nicht glaubhaft, dass der Kläger von der Familie des getöteten Jungen nach wie vor landesweit gesucht werde. Die bloße Behauptung des Klägers bei seiner informatorischen Befragung durch das Gericht, er wisse, dass diese Familie auch Angehörige in Bamako habe, rechtfertigt eine derartige Annahme nicht. Wenn die Familie des getöteten Jungen derart einflussreich wäre, wie vom Kläger befürchtet, ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger nach dem Vorfall, bei dem es nach seinen Angaben keine Zeugen gab, unmittelbar in das benachbarte Dorf lief, um dort fremden Menschen von dem Vorfall zu berichten. Damit riskierte der Kläger bewusst eine sofortige Festnahme oder Konfrontation mit der Familie des Getöteten. Viel eher hätte es nahegelegen, zum Onkel nach Hause zu laufen und mit dessen Unterstützung das Heimatdorf zu verlassen, solange der tote Junge noch nicht aufgefunden wurde. Völlig unglaubwürdig ist in diesem Zusammenhang auch die Behauptung des Klägers, eine Familie in dem benachbarten Dorf habe ihm, nachdem er von der Tötung des Jungen berichtet habe, spontan so viel Geld geschenkt, dass er damit über * bis nach Algerien reisen konnte, ohne nochmal nach Hause zurück zu kehren. Im Übrigen ist nach Überzeugung des Gerichts auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger von der Familie des getöteten Jungen im Süden Malis, insbesondere auch in Bamako, gesucht und gefunden werden könnte. Der Ort des angeblichen Geschehens liegt mehr als 400 km von Bamako entfernt. Bamako hat mehr als 1,8 Millionen Einwohner, so dass nicht anzunehmen ist, dass der Kläger dort Jahre nach der Tat gefunden werden könnte. Dies gilt umso mehr, als er den angeblichen weiteren Verwandten der verfeindeten Familie, die in Bamako leben sollen, vom Aussehen her nicht bekannt ist.
Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG liegen offensichtlich nicht vor, weil der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion befürchtet, auch insoweit auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zu verweisen ist (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass er im Süden Malis keine sichere Zuflucht finden könnte.
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender, gesunder junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Der Kläger hat bereits vor der Ausreise in der Landwirtschaft gearbeitet und konnte die Kosten für die Ausreise nach Europa auch durch eigene Arbeit in Algerien und Libyen erwirtschaften. Er hat acht Jahre lang eine Koranschule besucht, dabei auch etwas Französisch und Englisch gelernt und kann auf Arabisch lesen, rechnen und schreiben. Es ist deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er vertraut ist, seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
c) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3EMRK besteht, gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht. Obwohl die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht ist (Auswärtiges Amt, Mali: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stand: April 2016), geht das Gericht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
2. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen.
Damit war die Klage insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 AsylG).
Linder


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