Aktenzeichen 9 ZB 19.31978
Leitsatz
1. Zur Darlegung Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wendet sich der Kläger im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund geltend gemacht (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 4 K 17.33090 2019-04-10 VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones. Er begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 10. April 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage hiergegen ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, der auf alle Zulassungsgründe gestützt ist, hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 19.30606 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
a) Die Fragen, „muss der Kläger im Falle einer Rückkehr mit Verfolgungsmaßnahmen entweder durch den sierra leonischen Staat oder aber durch die Rebellengruppe rechnen?“ und „kann der Kläger auf einen fairen Prozess bezüglich seiner Tätigkeiten im Bürgerkrieg rechnen?“, zeigt schon keine verallgemeinerungsfähige Frage auf, sondern stellt auf den Einzelfall des Klägers ab. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht, das den Feststellungen des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. Mai 2017 folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG), ergänzend festgestellt, dass für den Kläger keine Gefahr einer erneuten Gefangennahme bestehe und der Kläger selbst nichts mit der Regierung zu tun gehabt habe. Insoweit wird im Zulassungsvorbringen nichts anhand überprüfbarer Hinweise auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Tatsachen- und Erkenntnisquellen dargelegt, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren zu einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Entscheidung führen könnte.
b) Die weitere Frage, „muss angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebt, zu dem vorhanden sein Familienangehörige bzw. einer Großfamilie bzw. Feststellungen getroffen wurden, davon ausgegangen werden muss, dass sich der Kläger zumindest sein Existenzminimum sichern kann oder muss davon ausgegangen werden, dass angesichts der Gesamtumstände und auch den speziellen Umstände beim Kläger bei einer Rückkehr davon ausgegangen werden muss, dass er unter dem Existenzminimum (und somit unter den inländischen Maßstäben unter Verstoß eines selbstbestimmten würdevollen Lebens) bleiben muss?“, zeigt ebenfalls keine über den Einzelfall des Klägers hinausreichende Bedeutung auf. Die Frage einer familiären Unterstützung war für das Verwaltungsgericht bereits nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf die schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone abgestellt und ist auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt, dass sich der Kläger als alleinstehender, junger und gesunder Mann mit einer zwölfjährigen Schulbildung, einem Abschluss der Secondary School sowie einer Ausbildung bzw. Lehre im Bereich construction/architecture und einer Beschäftigung im Bausektor ein zumutbares Existenzminimum erwirtschaften könne. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegen getreten.
Insgesamt wendet sich der Kläger vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird allerdings kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund geltend gemacht (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2019 – 9 ZB 19.32756 – juris Rn. 4).
c) Soweit der Kläger anführt, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der Kläger bei Bekanntwerden der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung rechnen muss, kann der Antrag ebenfalls keinen Erfolg haben. Unabhängig davon, dass dieser (neue) Sachvortrag weder im Verfahren der Anhörung vor dem Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Kläger thematisiert wurde und damit im Zulassungsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen sein dürfte (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 1 ZB 17.31272 – juris Rn. 10), genügt dieses Vorbringen jedenfalls auch nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Das Zulassungsvorbringen setzt sich weder mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismitteln auseinander noch zeigt es konkrete Anhaltspunkte auf, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte oder andere Gerichtsentscheidungen oder Erkenntnisse, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Insbesondere wird auch nicht dargelegt, weshalb allgemeiner Klärungsbedarf zur Frage einer Rückkehrgefährdung in Sierra Leone bei Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland besteht (BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 9 ZB 18.32529 – juris Rn. 6).
2. Die Berufung ist nicht wegen Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG zuzulassen.
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2018 – 9 ZB 18.31509 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht, weil weder ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet wird, der von einem Rechtssatz eines Divergenzgerichts abweichen soll, noch angegeben wird, von welchem Rechtssatz welchen Divergenzgerichts abgewichen wird.
3. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht.
Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die allgemein schlechte Wirtschaftslage und der harten Existenzbedingungen darauf abgestellt, dass sich der Kläger aufgrund seiner individuellen Umstände und Erfahrungen ein zumutbares Existenzminimum erwirtschaften könne. Das Zulassungsvorbringen zeigt insoweit keine Anhaltspunkte auf, dass die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze missachtet. Vielmehr wendet sich der Kläger mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte Feststellungen treffen müssen, ob der Kläger im Falle einer Rückkehr mit Unterstützung einer Familie bzw. Freunden rechnen kann bzw. darf, im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, womit jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 9 ZB 19.32442 – juris Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).