Verwaltungsrecht

Keine länderübergreifende Versetzung eines Polizeibeamten bei Farbsinnstörung

Aktenzeichen  3 ZB 15.827

Datum:
13.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105363
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 15

 

Leitsatz

1 Da der neue Dienstherr in die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis eintritt, sind auf die (länderübergreifende) Versetzung die Grundsätze anzuwenden, die für die erstmalige Begründung eines Beamtenverhältnisses gelten. Der aufnehmende Dienstherr ist deshalb nicht an die Bewertung der gesundheitlichen Eignung durch den abgebenden Dienstherrn gebunden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Farbsinnstörung (Rot-Grün-Sehschwäche) schließt nach den Polizeidienstvorschriften der Freien und Hansestadt Hamburg die Polizeidiensttauglichkeit aus. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 K 13.576 2015-02-24 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die ohne Benennung eines ausdrücklichen Zulassungsgrunds der Sache nach geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bzw. rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die auf länderübergreifende Versetzung gerichtete Verpflichtungsklage des Klägers, der als Polizeiobermeister bei der Polizeiinspektion F. eingesetzt ist und zur Polizei der Beigeladenen aus persönlichen Gründen versetzt werden will, zu Recht abgewiesen. Deren Begründung für ihre Weigerung, den Kläger in ihren Polizeivollzugsdienst zu übernehmen – dieser leide an einer Farbsinnstörung (Deuteranomalie = Rot-Grün-Sehschwäche), die unabhängig von ihrer Ausprägung nach dem Anomaliequotienten nach der Polizeidienstvorschrift (PDV) 300 der Freien und Hansestadt Hamburg die Polizeidiensttauglichkeit des Klägers ausschließe – sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Rüge des Klägers, entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei Art. 12 Abs. 1 GG bei der Frage, ob ein Anspruch auf Übernahme eines Beamten in den Dienst eines anderen Landes bestehe, zu beachten, wirkt sich nicht auf das Ergebnis des Rechtsstreits aus. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 12 Abs. 1 GG zwar grundsätzlich zunächst einschlägig, Art. 33 Abs. 2 GG ermöglicht jedoch als Spezialvorschrift für alle Berufe des öffentlichen Dienstes weitgehende Sonderregelungen und ermächtigt zu weitergehenden Berufseinschränkungen (vgl. zum Ganzen Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 33 Rn. 8; Umbach/Clemens, GG, 2002, Art. 12 Rn. 30). Dementsprechend erkennt auch der Kläger in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung an, dass sich auch bei der Versetzung die Auswahl von Bewerbern für einen Beamtendienstposten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung richtet.
Ebenso wenig kann der Kläger mit dem Einwand durchdringen, die Beigeladene habe bei der Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung fälschlich die am 15. Oktober 2012 erlassene und am 4. März 2013 in Kraft gesetzte Neufassung der PDV 300 ihrer Entscheidung zugrunde gelegt und nicht die bei der Stellung des Versetzungsantrags am 22. Dezember 2011 geltende Fassung dieser Polizeidienstvorschrift und deshalb einen Ermessensfehler begangen, der sich auf die grundgesetzlich geschützten Bereiche von Familie und Beruf auswirke. Unabhängig von dem Umstand, dass die Beigeladene die Polizeidienstfähigkeit auch nach der alten Fassung der PDV 300 nach Untersuchung des Klägers durch ihren personalärztlichen Dienst verneint hat, der der Kläger einen augenärztlichen Befund mit etwas niedrigeren Anomalie-Quotienten entgegenhält, der erst am 8. April 2013 erhoben worden ist, kommt es bei der Verpflichtungsklage maßgeblich auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Damals galt indes bereits die Neufassung der Polizeidienstvorschrift, die nicht mehr auf bestimmte Anomalie-Quotienten abstellt. Der Kläger, der zutreffend in der Begründung des Zulassungsantrags beschrieben hat, dass nach § 15 BeamtStG der neue Dienstherr in die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis eintritt, so dass auf die Versetzung die Grundsätze anzuwenden sind, die für die erstmalige Begründung eines Beamtenverhältnisses gelten, zeigt keinen Grund auf, warum der aufnehmende Dienstherr an die Bewertung der gesundheitlichen Eignung durch den abgebenden Dienstherrn gebunden sein soll (vgl. Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 15 BeamtStG Rn. 19 m.w.N.). Dem Umstand, dass der Kläger in Bayern Beamter auf Lebenszeit ist, kommt daher keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
Soweit der Kläger bemängelt, das Erstgericht habe sich nicht der Frage gestellt, ob zur Berufszulassung die Vorschriften der Beigeladenen entsprechend der PDV 300 zulässig seien, da im Falle des Klägers eine subjektive Zulassungsschranke vorliege und ihm der Zugang zum angestrebten Arbeitsplatz zur Zusammenführung mit der Lebenspartnerin unmöglich gemacht werde, benennt er nicht, was der Anwendung der Polizeidienstvorschrift entgegenstehen soll. Für die vom Kläger ins Gespräch gebrachte Versetzung „zunächst im Rahmen einer Probezeit“ gibt es keine rechtliche Grundlage.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen erstattet. Zwar führt die Antragstellung des Beigeladenen im Zulassungsverfahren nicht dazu, dass sich die Beigeladene damit selbst einem Kostenrisiko im Sinne von § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hätte (BayVGH, B.v. 11.10.2001 – 8 ZB 01.1789 – NVwZ-RR 2002, 786), indes ist die Beigeladene durch den Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung angehört worden. Sie hat sich daraufhin ausführlich zur Streitsache geäußert (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 17).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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