Verwaltungsrecht

Keine politische Verfolgung von Christen in Mali

Aktenzeichen  M 21 S 17.39720

Datum:
20.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 3, § 30 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei und stellt eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 3e AsylG dar.(Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wegen fehlender Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung von Christen in Mali ist nach derzeitiger Auskunftslage für die Qualifikation eines Eingriffs in das Recht auf Religionsfreiheit als Verfolgungshandlung iSd § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die erforderliche objektive Schwere der bei einer Rückkehr drohenden Verletzung der Religionsfreiheit nicht gegeben. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger. Er reise am 25. Dezember 2015 von Italien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 29. August 2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 6. Oktober 2016 brachte der Antragsteller zur Begründung seines Asylbegehrens vor, er sei in Mali immer mit einem Freund in die Kirche gegangen. Irgendwann hat dies jemand seinen Eltern erzählt. Daraufhin habe sein Vater ihn aus dem Haus geworfen und ihn geschlagen. Er sei dabei auf dem linken Auge fast erblindet. Er sei dann zu seinem Onkel geflohen, wo er etwa eine Woche gelebt habe. Dort habe er eine Ziege gestohlen, um eine Fahrkarte nach B1. finanzieren zu können. In B1. habe er auf der Straße gelebt und eine Weile gearbeitet, um eine Fahrkarte in den Niger bezahlen zu können. Bei einer Rückkehr fürchte er, sein Vater könne ihm Schlechtes antun. Überdies habe er sich in Italien taufen lassen. Deshalb drohe ihm in Mali Gefahr.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2017, zugestellt am 6. Mai 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 bis 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung nach Mali angedroht (Nr. 5). Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, bei einer Rückkehr nach Mali habe der Antragsteller keine Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat zu befürchten. Eine gezielte und systematische Verfolgung bestimmter Gruppen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung durch die Regierung in Mali finde nicht statt. Bezüglich der vom Antragsteller dargelegten Verfolgungshandlungen privater Dritter sei, ebenso unter dem Gesichtspunkt anderer Gefahren im Sinne von § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, unabhängig von asylrechtlich relevanten Gefahren, für den Antragsteller eine inländische Fluchtalternative gegeben, zumal sich keine Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Vater des Antragstellers diesen landesweit suche. Zudem sei davon auszugehen, dass der Antragsteller als alleinstehender, gesunder junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen könne, selbst wenn hierfür mehr zu fordern sei als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Der Antragsteller habe bereits in seinem Heimatland in der Landwirtschaft gearbeitet um seinen Lebensunterhalt für sich zu bestreiten und sei mit den Lebensgewohnheiten in Mali vertraut. Der Antragsteller sei zudem in der Lage gewesen, seine Ausreise zu organisieren und zu finanzieren. Es sei deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Antragsteller in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er vertraut sei, seinen Lebensunterhalt sicherstellen könne.
Der Antragsteller hat am 11. Mai 2017 durch seine Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17.39718), mit der er (sinngemäß) beantragt, den Bescheid vom 2. Mai 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Gleichzeitig beantragt er, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung lässt er vortragen, in Mali liege derzeit eine dramatische Lage für Christen vor. Der Stamm des Antragstellers lebe in unmittelbarem Grenzbereich zu dem Scharia-Staat, den Tuareg-Rebellen und islamistische Kämpfer im Norden des Landes errichtet hätten. Selbst wenn der Antragsteller eine Fluchtalternative in den Süden des Landes finden könne, fühle er sich dort durch die überall durchsickernden extremistischen Islamisten an Leib und Leben bedroht. Zudem finde er ein gesichertes soziales Netz und Sicherung seiner elementaren Grundbedürfnisse wie Nahrung, Arbeit, Wohnung, medizinische Versorgung und dergleichen nur innerhalb seines geschützten Stammes.
Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 22. Mai 2017 die Akten vorgelegt und sich weder zu der Klage noch zu dem Eilantrag geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Die gerichtliche Überprüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat im Hinblick auf den nach Art .19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen und in Anwendung des materiellen Asylrechts erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren zu erfolgen (BVerfG, B. v. 19.6.1990 – 2 BvR 369/90 – juris Rn. 20). Die Anforderungen entsprechen insofern denjenigen der Ablehnung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet (BVerfG, B. v. 19.6.1990 a.a.O. – juris Rn. 21).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Ausländergesetz 1990 BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft (einschließlich der Voraussetzungen für subsidiären Schutz) offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, B. v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3).
Entsprechend diesem Maßstab begegnet die Entscheidung des Bundesamts keinen ernstlichen Zweifeln. Das Gericht folgt den Gründen des angefochtenen Bescheids, nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und weist ergänzend auf Folgendes hin:
Dem Antragsteller steht nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (§ 3e AsylG). Nach dieser Vorschrift wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft trotz sonst zu bejahender Anspruchsvoraussetzungen nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war im Wesentlichen der Nor-den Malis betroffen, wobei auch dort nunmehr nicht mehr von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen ist. Das Gericht geht auch davon aus, dass der Antragsteller als gesunder junger, alleinstehender Mann ohne Kinder seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums.
Der Rückkehr des Antragstellers in den Süden Malis steht auch seine christliche Religionszugehörigkeit nicht entgegen. Nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie – QualfRL) vom 13. Dezember 2011 (ABl EU Nr. L 337/9) umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Dabei ist nicht jeder Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit, der gegen Art. 10 Abs. 1 der Grundrechtscharta verstößt, bereits eine Verfolgungshandlung i.S. der Qualifikationsrichtlinie. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit vorliegt, der Art. 10 Abs. 1 der Grundrechtscharta verletzt und als Verfolgungshandlung zu qualifizieren ist, sind eine Reihe objektiver wie auch subjektiver Gesichtspunkte zu berücksichtigen (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11, C-99/11 – NVwZ 2012, 1612/1614; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C-23/12 – NVwZ 2013, 936/939 Rn. 28). Objektive Gesichtspunkte sind dabei insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie Leib und Leben. Subjektiv ist zu berücksichtigen, ob die religiöse Handlung, die die Verfolgung auslöst, für den Einzelnen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Maßgeblich ist, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 29). Zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit i.S. von Art. 9 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit, den Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch solche in die Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11, C-99/11 – NVwZ 2012, 1612/1614; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C-23/12 – NVwZ 2013, 936/938 Rn. 24). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C-23/12 – NVwZ 2013, 936/939 Rn. 26).
Gemessen an diesen Maßstäben ist das Gericht der Überzeugung, dass im Fall des Antragstellers die erforderliche objektive und subjektive Schwere der ihm im Falle einer Rückkehr in den Süden Malis drohenden Verletzung seiner Religionsfreiheit nicht vorliegen. Ihm droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Anknüpfung an seine Religionszugehörigkeit. Für eine politische Verfolgung von Christen in Mali ergeben sich nach der Auskunftslage keine Anhaltspunkte. Die islamistischen Übergriffe konzentrierten sich auf den Norden Malis, während die Mehrheit der Christen im Süden lebt (Open Doors, Länderprofil Mali, Stand: November 2016). Die Situation für Christen sei nach den Erkenntnissen von „Open Doors“ zwar auch im Süden als unbeständig zu bezeichnen, allerdings sei der Druck durch Verfolgung im Privatleben und Familienleben am stärksten, im Bereich Leben im Staat dagegen am niedrigsten. Die Bereiche Gesellschaftliches Leben und Kirchliches Leben seien durchschnittlich betroffen. Insgesamt sei die Verfolgung noch nicht durch die stärkste Form des extremistischen Islamismus definiert, sondern eher durch eine gemäßigte, jedoch lasse die immer noch wenig Freiraum für Christen. Damit fehlt es bereits an der erforderlichen objektiven Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Antragstellers bei einer Rückkehr.
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Antragsteller als gesunder junger, alleinstehender Mann ohne Kinder seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Der Antragsteller stammt zwar aus dem Norden Malis. Auch seine Großfamilie lebt noch dort. Da die von ihm behaupteten Bedrohungen jedoch weitgehend aus familiären Umständen resultieren, dürfte eine Rückkehr in die Großfamilie ohnehin für den Antragsteller ausscheiden. Überdies geht das Gericht davon aus, dass der jedenfalls in gewissem räumlichem Abstand zu seiner Großfamilie deren Bedrohungen nicht ausgesetzt ist. Dass der Antragsteller aber auch dazu in Lage ist, ohne die Unterstützung seines Stammes für sein Auskommen zu sorgen, hat er bereits auf seiner Flucht, insbesondere als er sich in den ersten Wochen und Monaten in B1. das Geld für sein Zugticket in den Niger verdient hat, unter Beweis gestellt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsteller etwa durch die Annahme von Gelegenheitsjobs insbesondere in einer Stadt wie B1. nicht (erneut) gelingen werde, sich eine wenn auch bescheidene Existenz aufzubauen, zumal er jetzt deutlich älter und erfahrener ist.
Es besteht darüber hinaus auch kein greifbarer Anhaltspunkt für die Annahme eines Abschiebungsverbots. Die Tatsache, dass die Lebensbedingungen insbesondere in Mali allgemein hart sind, stellt für sich gesehen keine lebensbedrohliche Situation und Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage aus-gesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die Abschiebung wäre nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – NVwZ 2002, 101), also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, a.a.O.).
Das ist bei einem voll erwerbsfähigen jungen Mann wie dem Antragsteller aus oben genannten Gründen nicht anzunehmen.
Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Abschiebungsandrohung mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist damit nicht zu beanstanden.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Ge-richtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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