Verwaltungsrecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Kroatien

Aktenzeichen  M 18 S 16.50812

Datum:
31.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 27a, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin-III-VO Art. 3 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Im Rahmen des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens und dem Konzept der normativen Vergewisserung obliegt es den nationalen Gerichten zu prüfen, ob die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte entspricht, widerlegt wird. (redaktioneller Leitsatz)
Im kroatischen Asylsystem und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber sind keine systemischen Mängel erkennbar, bei denen ein Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist am … … 1979 geboren und syrischer Staatsangehöriger. Am 25. Februar 2016 stellte er im Bundesgebiet Asylantrag.
In einem persönlichen Gespräch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 22. März 2016 (Erstbefragung) gab der Antragsteller u. a. an, er sei von Syrien über die Türkei, Griechenland, Serbien, Kroatien und Österreich nach Deutschland gekommen. Internationalen Schutz habe er in keinem anderen Staat beantragt.
Für den Antragsteller wurde ein EURODAC-Treffer in Kroatien (… …) ermittelt. Am 12. April 2016 richtete das Bundesamt ein Aufnahmegesuch an Kroatien. Mit Schreiben vom 9. Juni 2016 erklärten sich die kroatischen Behörden zur Aufnahme des Antragstellers bereit.
Mit Bescheid vom 22. September 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Kroatien an. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem Antragsteller gegen Postzustellungsurkunde am 27. September 2016 zugestellt.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 30. September 2016, der als Vorabfax am gleichen Tag bei Gericht einging, ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 22. September 2016 erheben (M 18 K 16.50811) und gleichzeitig beantragen, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf einen gesonderten Schriftsatz verwiesen, der bislang bei Gericht nicht einging.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung sind nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung gegeben. Danach ist Kroatien aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Die kroatischen Behörden haben sich mit Schreiben vom 9. Juni 2016 zur Aufnahme des Antragstellers bereit erklärt. Da für den Antragsteller ein EURODAC-Treffer der Kategorie 2 (vgl. Art. 24 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 603/2013) ermittelt wurde, und da der Antragsteller bei der Erstbefragung selbst angegeben hat, aus Serbien, einem Drittstaat, nach Kroatien eingereist zu sein, ist Kroatien nach Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers. Somit steht grundsätzlich fest, dass die Abschiebung nach Kroatien durchgeführt werden darf.
Die Überstellung an Kroatien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i. S.v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Kroatien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. VG Saarland v. 22.07.2016 – 5 L 974/16 – juris).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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