Aktenzeichen M 2 S 17.46095, M 2 S 17.46098
Leitsatz
1 Die normative Vermutung der Nichtverfolgung im sicheren Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina wird nicht durch eine behauptete Verfolgung durch radikale Muslime (sog. Wahabiten) erschüttert, weil der Staat gegen Übergriffe dieser Gruppen hinreichend Schutz bietet und eine interne Fluchtalternative insbesondere in den größeren Städten besteht. (Rn. 17 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Lebensbedingungen in Bosnien und Herzegowina sind nicht derart schlecht, dass sie den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (Art. 3 EMRK) aufweisen und deshalb zu einem Abschiebungsverbot führen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Verfahren M 2 S 17.46095 und M 2 S 17.46098 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens je zu ¼ zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina. Der Antragsteller zu 1, Ehemann bzw. Vater der Antragsteller zu 2 bis 4, hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, die sämtlich unanfechtbar abgelehnt worden waren. Am 16. Juni 2017 stellte der Antragsteller zu 1 persönlich einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeverfahren). Die Antragsteller zu 2 bis 4 reisten am 2. Juni 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hier am 6. Juni 2017 einen Asylantrag.
Die Antragsteller wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 16. Juni 2017 angehört. Mit Bescheiden vom 13. Juli 2017, den Antragstellern jeweils zugestellt am 17. Juli 2017, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), Asylanerkennung (Nr. 2) und Gewährung von subsidiärem Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Die Antragsteller erhoben zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 20. Juli 2017 Klage, die dort unter M 2 K 17.46094 und M 2 K 17.46096 anhängig sind, und beantragen dabei sinngemäß, die Antragsgegnerin unter Aufhebung der Bescheide vom 13. Juli 2017 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die des subsidiären Schutzstatus, und weiter hilfsweise, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen. Über die Klagen wurde bislang noch nicht entschieden. Zudem wird von ihnen beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung nehmen die Antragsteller Bezug auf ihre Angaben gegenüber dem Bundesamt. Zudem wird zur Erkrankung des Antragstellers zu 3 ein ohrenärztlicher Befund vom 13. Juli 2017 vorgelegt.
Die Antragsgegnerin hat die Behördenakten elektronisch vorgelegt; sie stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 2 K 17.46094 und M 2 K 17.46096 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts nach § 93 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprach es, die Verfahren M 2 S. 17.46095 und M 2 S. 17.46098 mit Blick auf den im Wesentlichen gleichgelagerten Vortrag der Antragsteller aus Gründen möglichst zweckmäßiger Verfahrensgestaltung zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
Die statthaften Anträge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) wurden in der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG erhoben. Sie sind folglich zulässig.
In der Sache bleiben die Anträge allerdings erfolglos.
Die Antrag sind unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide des Bundesamtes vom 13. Juli 2017 bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Grundgesetz – GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
1. Nach Art. 16a GG, § 36 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i.S.d. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG (und sodann auch § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG) vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz sonach zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83– juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag gemäß § 30 Abs. 1 AsylG dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist zudem vom Bundesamt in seiner Entscheidung über einen Asylantrag auch festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine offensichtliche Unbegründetheit einer Asylklage dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – juris).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Bundesamts für die vorliegend allein noch streitige Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes und der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten. An der Richtigkeit der Feststellungen des Bundesamtes bestehen vernünftigerweise keine Zweifel. Bei dem zur Entscheidung gestellte Sachverhalt drängt sich dem erkennenden Gericht die Abweisung der Rechtsschutzbegehren der Antragstellers auf.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen in den Bescheiden des Bundesamts vom 13. Juli 2017 verwiesen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes festzustellen:
2.1 Für das Gericht ist offensichtlich, dass den Antragstellern die geltend gemachte Ansprüche auf Zuerkennung von internationalem Schutz nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG nicht zustehen.
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i.S.d. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland der Antragsteller, Bosnien und Herzegowina, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – Rn. 65). Gegen die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken.
Die Antragsteller haben die normative Nichtverfolgungsvermutung auch nicht ansatzweise durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von ihnen angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen gerade nicht die Annahme, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
§ 3c Nr. 3 AsylG, der gemäß § 4 Abs. 3 AsylG auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes entsprechend gilt, setzt zudem bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung – allein eine solche geben die Antragsteller mit Blick auf die Bedrohung durch sog. Wahabiten pauschal an –, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der bosnischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht ist unter Auswertung der vorhandenen einschlägigen Erkenntnismittel, insbesondere des aktuellen Lageberichts des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 16. Januar 2017, davon überzeugt, dass der bosnische Staat grundsätzlich willens und in der Lage ist, vor Übergriffen im Rahmen von privaten Konflikten Schutz zu bieten bzw. hiergegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen. Es ist mit Blick auf die ruhige und stabile sicherheitspolitische Lage in Bosnien und Herzegowina, auch wenn die Methoden der Sicherheitskräfte mit Blick auf Verhältnismäßigkeit und Willkürfreiheit nicht immer europäischen Standards entsprechen mögen (vgl. Lagebericht, aaO S. 5), für das Gericht nicht ersichtlich, dass die Antragsteller bei den zuständigen Polizei- und Justizbehörden keinen angemessenen Schutz gegen Bedrohungen, die von Seiten privater Dritter aus religiösen Gründen gegebenenfalls gegen sie unternommen würden, finden könnten. Es liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, dass das Polizei- und Justizwesen in Bosnien und Herzegowina strukturelle Defizite und Unzulänglichkeiten in asylrechtlich relevanter Weise aufweisen würde; ausreichend ist – wie hier – vielmehr, dass dort staatlicher Schutz gegen kriminelles Unrecht nichtstaatlicher Akteure in einem in asylrechtlicher Hinsicht hinreichendem Ausmaß gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang darf insbesondere auch nicht übersehen werden, dass kein Staat der Welt, auch nicht die Bundesrepublik Deutschland, in der Lage ist, lückenlosen und uneingeschränkten Schutz gegen jedwedes kriminelle Unrecht zu gewährleisten.
Zudem erschöpft sich der Vortrag, die Antragsteller hätten Schwierigkeiten mit sog. Wahabiten – extremen Muslimen – gehabt, letztlich in Allgemeinplätzen. Der entsprechende, oberflächlich und pauschal gehaltene Vortrag der Antragsteller, der nicht von relevanten Details oder Eigenarten in der Darstellung und im Inhalt geprägt ist, sondern nur eine allgemeine, subjektive Einschätzung zur Religionsfreiheit innerhalb der muslimischen Volksgruppe in Bosnien und Herzegowina wiedergibt, lässt darauf schließen, dass er nicht wahrheitsgemäß ist. Er ist daher bereits unglaubhaft.
Selbst wenn man den Vortrag der Antragsteller zu ihrer Bedrohung durch strenggläubige bzw. radikale Muslime (sog. Wahabiten) – entgegen dem Vorstehenden – sogar als wahr unterstellen würde, so könnte dies dem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Denn sowohl die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch die des subsidiären Schutzes voraussetzen, dass für die Antragsteller keine Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG gegeben ist. Für die Antragsteller besteht zur Überzeugung des Gerichts in anderen Landesteilen von Bosnien und Herzegowina, insbesondere in den größeren Städten, allerdings die Möglichkeit, dort in urbaner Umgebung mit deutlich anonymeren Lebensumständen und vielfältigeren religiösen Ausrichtungen als dies gegebenenfalls in ländlichen Gebieten Bosniens und Herzegowinas noch der Fall sein kann, mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vor der Nachstellung durch strenggläubige bzw. radikale Muslime Sicherheit zu finden. Dabei ist auch davon auszugehen, dass den Antragstellern dort in gleicher Weise wie bisher der Zugang zu einer das Existenzminimum sichernden Erwerbstätigkeit oder nötigenfalls auch (staatlichen) sozialen Absicherung zugänglich ist (vgl. dazu auch nachfolgend unter 2.2).
Nach alledem fehlt es offenkundig an den Voraussetzungen der internationalen Schutzgewährung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG:
2.2 Das Gericht ist ferner davon überzeugt, dass sich für die Antragsteller in Bosnien und Herzegowina weder mit Blick auf die dortige allgemeine wirtschaftliche, soziale und humanitäre Situation noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine im Rahmen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG für den Abschiebungsschutz relevante Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung ergeben wird.
Allein wegen der Lebensbedingungen in Bosnien und Herzegowina vermögen sich die Antragsteller weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse ist nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten, sodass auch nur dann die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff.). Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis im Vollzug der Abschiebung berücksichtigt werden können.
Die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegen auch mit Blick auf die Erkrankung des Antragstellers zu 3 nicht vor.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot kann sich – stets unter der Voraussetzung eines hinreichenden tatsächlichen Nachweises, der sich insbesondere am Maßstab des § 60a Abs. 2c AufenthG orientiert, – auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn sich die Erkrankung im Heimatstaat erheblich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Dabei liegt eine für den Abschiebungsschutz relevante Verschlechterung nicht schon dann vor, wenn „nur“ eine bestmögliche Vorsorge, Linderung oder Heilung eines Krankheitszustands im Abschiebungszielland im Vergleich zu einer (Weiter-)Behandlung im Bundesgebiet nicht zu erwarten ist, sondern vielmehr erst dann, wenn im Fall der Rückkehr alsbald eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung mit der Folge einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben zu befürchten wäre. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG regelt dazu, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vorliegt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine solche lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung ist beim Antragsteller zu 3 nicht gegeben. Ausweislich des ärztlichen Befunds vom 13. Juli 2017 handelt es sich gerade nicht um eine Notfallindikation. Vielmehr hat der Antragsteller zu 3 Zeit seines Lebens mit der Erkrankung seines linken Ohrs in seinem Heimatland gelebt und war dort auch in entsprechender ärztlicher Behandlung. Eine lebensbedrohliche Situation ergibt sich aus der linksseitigen Hörbehinderung zur Überzeugung des Gerichts gerade nicht. Der derzeit neunjährige Antragsteller zu 3 leidet ausweislich des vorgelegten ohrenärztlichen Befunds vom 13. Juli 2017 „lediglich“ an einer Ohrmuschelfehlbildung und einem Gehörsgangsverschluss am linken Ohr mit entsprechender Schwerhörigkeit.
Ausweislich des vorgenannten Lageberichts sind Schüler bis 18 Jahre in Bosnien und Herzegowina im Übrigen gesetzlich krankenversichert. Zwar kann der für viele Gesundheitsleistungen zu erbringende Eigenanteil an den Kosten zu einer eingeschränkten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen führen. Dies deckt sich letztlich auch mit dem Vortrag der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt, wonach die Behandlung der Erkrankung des Antragstellers zu 3 den entscheidenden Grund für den Aufenthalt im Bundesgebiet darstellt. Allein der – durchaus mögliche und mit dem Vortrag der Antragsteller auch zu unterstellende – Umstand, dass die Behandlung des Antragstellers zu 3 in seinem Heimatland in medizinischer Hinsicht jedenfalls ohne entsprechende Eigenanteilsleistung nicht einer im Bundesgebiet vorhandenen bestmöglichen Versorgung und Linderung des Krankheitsbildes entspricht und der Antragsteller zu 3 bei andauernder optimaler medizinischer Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland eine höhere Lebensqualität als in seinem Heimatland erreichen könnte, begründet die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG nicht. Mit Blick auf die normative Wertung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kommt es letztlich auf die Frage, inwieweit die Erkrankung des Antragstellers zu 3 in Bosnien-Herzegowina behandelbar ist und inwieweit ihm die erforderliche Behandlung dort auch individuell – namentlich im Lichte der verfügbaren finanziellen Mittel – zugänglich ist, vorliegend folglich nicht an.
Sonach sind bei der inmitten stehenden Erkrankung des Antragstellers zu 3 keine zielstaatsbezogene Gefahren für Leib und Leben i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG gegeben.
Auch die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht erfüllt. Die Lebensbedingungen sind in Bosnien und Herzegowina grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRGK aufweisen (vgl. Lagebericht, aaO). Dies gilt auch im Fall der Antragsteller. Der Antragsteller zu 1, ein Mann im erwerbsfähigen Alter, hat nach eigenen Angaben bereits in seiner Heimat gearbeitet. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wieso er nicht in der Lage sein sollte, „durch seiner Hände Arbeit“ in seiner Heimat eine zumindest existenzsichernde Grundversorgung auf bescheidenem, landesangemessenem Niveau für sich und seine Familie zu erwirtschaften. Das Gericht verkennt nicht, dass sich das Leben in Bosnien und Herzegowina für die Antragsteller bei ihrer Rückkehr durchaus (wieder) als schwierig und hart erweisen kann. Die asylrechtlich sehr hohen Voraussetzungen, unter denen eine wirtschaftlich schlechte Lage im besonderen Einzelfall ausnahmsweise zu einem nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot führen kann, sind jedoch im Fall der Antragsteller zur Überzeugung des Gerichts nicht erfüllt.
Nach alledem können sich die Antragsteller mit Erfolg weder auf die Gewährung internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG noch auf die Feststellung von nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG berufen. Vor diesem Hintergrund sind die nach §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung und die dazu gesetzte einwöchige Ausreisefrist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die Anträge waren daher mit der Kostenfolge der § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).