Aktenzeichen Au 6 K 17.33115
Leitsatz
1 Das Land des gewöhnlichen Aufenthalts ist das Land, in dem der Staatenlose tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, dort also nicht nur vorübergehend verweilt, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einleiten. Der tatsächliche Aufenthalt genügt, wenn er von einer gewissen Dauerhaftigkeit geprägt ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Aufenthalt des Staatenlosen rechtmäßig ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat ein Staatenloser im Lauf seines Lebens in mehr als einem Staat nicht nur vorübergehend gelebt, so ist für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr grds. auf das Land seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 In Libyen ist keine gezielte Verfolgung der gesamten Bevölkerungsgruppe der Palästinenser feststellbar. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
4 Während über den asylrechtlichen Abschiebungsschutz nur einheitlich entschieden werden kann, ist beim ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz (jetzt: § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG) in Bezug auf die einzelnen in Betracht kommenden Abschiebezielstaaten jeweils gesondert und ggf. mit unterschiedlichem Ergebnis zu entscheiden; eine Übertragung des asylrechtlichen Subsidiaritätsprinzips kommt nicht in Betracht.(Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes oder auf Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG. Ihm droht in Libyen als Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts keine Verfolgung.
a) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf das Herkunftsland abzustellen.
Herkunftsland ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AsylG das Land, dessen Staatsangehörigkeit der Asylbewerber besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG das Land, in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Abzustellen ist daher bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft grundsätzlich auf das Land, dessen Staatsangehörigkeit der Asylbewerber besitzt. Ist der Asylbewerber staatenlos, so ist auf das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen. Auch Art. 2 Buchst. n Richtlinie 2011/95/EU (EU-Qualifikations-RL) definiert das Herkunftsland als das Land oder die Länder der Staatsangehörigkeit oder – bei Staatenlosen – des früheren gewöhnlichen Aufenthalts; eine parallele Formulierung findet sich in Art. 1 Buchst. A. 2. GK („…sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt (…); oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte (…)“).
Der Kläger ist ausweislich seines widerspruchsfreien Vortrags beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung und ausweislich seines vorgelegten libanesischen Ausweises für palästinensische Flüchtlinge staatenloser Palästinenser, weswegen auf das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG abzustellen ist.
b) Das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts ist für den Kläger Libyen.
Das Land des gewöhnlichen Aufenthalts ist das Land, in dem der Staatenlose tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, dort also nicht nur vorübergehend verweilt, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einleiten. Der tatsächliche Aufenthalt genügt, wenn er von einer gewissen Dauerhaftigkeit geprägt ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Aufenthalt des Staatenlosen rechtmäßig ist. Durch die Formulierung „hatte“ ist klargestellt, dass es insoweit nicht auf den gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik ankommt (BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50/07 – juris Rn. 30 f.; vgl. auch BayVGH, U.v. 14.4.2011 – 2 B 06.30538 – juris Rn. 39).
Bei der Prüfung der Asylanerkennung und des internationalen Schutzes kommt es indes allein auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt an (und damit auf Libyen). Nicht prüfungsrelevant sind demgegenüber weitere (vorletzte oder noch weiter zurückliegende) gewöhnliche Aufenthalte in anderen Ländern (hier: Libanon und Syrien). Daher ist entgegen den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid im Rahmen des internationalen Schutzes auf Libyen abzustellen.
Hat ein Staatenloser im Lauf seines Lebens in mehr als einem Staat nicht nur vorübergehend gelebt, so ist für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr grundsätzlich auf das Land seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen. Zwar vertritt der UNHCR in seinem Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vom September 1979 unter Nr. 104/105 die Auffassung, dass es bei Staatenlosen mehr als ein Land geben könne, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, und dass ihre Furcht vor Verfolgung in Bezug auf jedes dieser Länder begründet sein könne. Ein Wechsel des Aufenthaltsortes beeinträchtige ihre Rechtsstellung nicht. Auch in der ausländischen Rechtsprechung gibt es Entscheidungen, die dieser Auffassung – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – folgen (vgl. Urteil des Federal Court of Canada vom 11. Mai 1998 in der Sache Thabet v. Canada 4 F.C. 21). Diese Auffassung überzeugt indes nicht (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50/07 – juris Rn. 36 f.). Ziel der in der Genfer Flüchtlingskonvention wie im nationalen Recht getroffenen Regelungen ist die möglichst weitgehende Gleichstellung von Staatenlosen und Staatsangehörigen bei der Erlangung von Flüchtlingsschutz. Der Staatsangehörige genießt Verfolgungsschutz im Hinblick auf das Land seiner gegenwärtigen Staatsangehörigkeit, nicht auch im Hinblick auf Länder einer früheren Staatsangehörigkeit. Für den Staatenlosen tritt an die Stelle des Staats der Staatsangehörigkeit das Land seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50/07 – juris Rn. 36 f.; a.A. VG Berlin, U.v. 21.6.2018 – 34 K 63.17 A – juris Rn. 27). Er würde gegenüber Staatsangehörigen besser gestellt, wenn er sich auf Verfolgungsgefahren nicht nur in Bezug auf das Land seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts, sondern auch in Bezug auf Länder seines früheren gewöhnlichen Aufenthalts berufen könnte. Daran ändert die Tatsache nichts, dass ein Staatsangehöriger in bestimmten Fällen mehr als eine Staatsangehörigkeit besitzen kann. Denn in diesem Fall kann er nicht bereits wegen einer Verfolgungsgefahr in einem dieser Staaten als Flüchtling anerkannt werden, wie das der UNHCR für Staatenlose gewähren will. Vielmehr erhält er keinen Flüchtlingsschutz, wenn er den Schutz des oder der weiteren Staaten seiner Staatsangehörigkeit in Anspruch nehmen kann. Der Staatenlose genießt auch keinen geringeren Schutz im Hinblick auf eine ihm drohende Abschiebung in einen Staat seines früheren Aufenthalts als der Staatsangehörige in Bezug auf einen Staat seiner früheren Staatsangehörigkeit. Denn beide können insoweit Abschiebungsschutz nach § 60 AufenthG in Anspruch nehmen (BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50/07 – juris Rn. 36). Jedenfalls bei einem zehnjährigen Aufenthalt in einem Land, wo auch die Kinder des Asylbewerbers geboren sind, besteht kein Grund, zusätzlich auf ein Land des vorausgegangenen Aufenthalts abzustellen (BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50/07 – juris Rn. 37).
Nach Eindruck des Gerichts vom Kläger in der mündlichen Verhandlung und seinem insoweit widerspruchsfreien Vortrag beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht entgegen der Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid davon überzeugt, dass der Kläger im Libanon geboren ist, anschließend als Kleinkind nach dem Tod seines Vaters seiner Mutter nach Syrien folgte, zur Pflege des kranken Großvaters zusammen mit seiner Mutter wieder in den Libanon zurückkehrte, nach dem Tod des Großvaters erneut ihn Syrien wohnte und 2013 nach Libyen auswanderte. Der Kläger hat dies wiederholt so vorgetragen, ohne dass sich wesentliche Widersprüche ergaben. Die vorgelegten Dokumente stehen dem nicht entgegen. Die Ausreisekarte, auf der vermerkt ist „aus * kommend“ steht dem nicht entgegen. Sowohl der Kläger als auch der Do lmetscher erklärten, dass auf dem insoweit maßgeblichen, individuellen Stempel vermerkt sei, dass es sich gleichwohl um die Bestätigung einer Ausreise aus dem Libanon nach Syrien handele. „Aus * kommend“ kann demgegenüber auch der vorherige und künftige Wohnort des Klägers sein. Auf der notariellen Urkunde ist nach der Übersetzung in der mündlichen Verhandlung die Mutter des Klägers als Immobilienkäuferin vermerkt, so dass auch dieses Dokument dem Vortrag des Klägers nicht entgegensteht. Die libanesische Flüchtlingskarte attestiert zwar, dass der Kläger 1999 im Libanon wohnte, nach Vortrag des Klägers ließ sich die Mutter indes dieses Dokument ausstellen, ohne dass der Kläger selbst aus Syrien in den Libanon zurückkehren musste. Der Kläger räumt selbst ein, dass der Flüchtlingsausweis insoweit unrichtig ist. Im Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger wiederholt auch für ihn rechtlich nachteilige tatsächliche Umstände (beispielsweise sein Verlassen Syriens schon 2013) und zudem von den zeitlichen Abläufen her widerspruchslos vortrug sowie im Anbetracht der Tatsache, dass libanesische Behörden regelmäßig echte Dokumente unwahren Inhalts ausstellen, sieht das Gericht den Tatsachenvortrag des Klägers hierdurch noch nicht als hinreichend erschüttert und damit als unwahr an. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass der Kläger zuletzt in Libyen (und nicht im Libanon oder Syrien) lebte.
Ausgehend vom Vortrag des Klägers ist Libyen das Land seines vorherigen (und letzten) gewöhnlichen Aufenthalts. Der Kläger hat in Libyen tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden und ist dort nicht nur vorübergehend verweilt, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einleiteten. Der Kläger lebte nach seinem Vortrag zwei Jahre und fünf Monate in Libyen, mithin für eine längere Zeit und nicht nur kurzfristig zur Durchreise. Dass er dort seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt gefunden hatte, zeigt auch der Umstand, dass der Kläger dort jahrelang als Verkäufer tätig war und in Tripolis eine Mietwohnung bewohnte. Auch war er in Libyen familiär integriert, da er sich die Mietwohnung mit einem Cousin teilte und auch ein Onkel und eine Tante in Libyen (wenn auch in *) lebten. Schon die objektiven Umstände seines dortigen Aufenthalts (Aufenthaltsdauer, langfristige Arbeitsaufnahme, Anmietung einer Wohnung, familiäres Umfeld) lassen auf die Begründung eines tatsächlichen Lebensmittelpunktes und damit eines gewöhnlichen Aufenthalts schließen. Der Aufenthalt des Klägers in Libyen unterscheidet sich damit grundlegend von dem anderer Migranten, für die Libyen lediglich ein Transitland auf ihrem Weg nach Europa ist und die dort keinen auf Dauer angelegten Aufenthalt begründen. Auch subjektiv begründete der Kläger in Libyen seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Als sich der Kläger noch in Syrien aufhielt, berichtete ihm sein in Libyen lebender Cousin, dass das Leben in Libyen gut sei und der Kläger dort arbeiten könne. Erst später stellte sich nach Vortrag des Klägers heraus, dass die Leute in Libyen gegen sie waren. Nach dieser Einlassung ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger nach Libyen – anders als andere Migranten – mit dem Willen einreiste, sich dort für längere Zeit niederzulassen. Der Entschluss, von Libyen nach Europa auszureisen, fasste der Kläger erst zu einem späteren Zeitpunkt, als er schon in Libyen wohnte. Mithin handelt es sich bei Libyen um das Land des (letzten) vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers.
c) In Libyen droht dem Kläger indes keine Verfolgung.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Im Einzelnen sind definiert die Verfolgungshandlungen in § 3a AsylG, die Verfolgungsgründe in § 3b AsylG und die Akteure, von denen eine Verfolgung ausgehen kann bzw. die Schutz bieten können, in §§ 3c, 3d AsylG. Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Ausschlusstatbeständen nach § 3 Abs. 2 AsylG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG) und den Verfolgungshandlungen – den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen, § 3a AsylG – muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“), der demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris) entspricht.
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32).
Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU in Form einer widerlegbaren Vermutung ist im Asylerstverfahren zu beachten, wenn der Antragsteller frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde. Die solchen früheren Handlungen oder Bedrohungen nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 6.7.2012 – 10 B 18/12 – juris Rn. 5 unter Bezugnahme auf EuGH, U.v. 2.3.2010 – Rs. C-175/08 u.a. – juris Rn. 93; BVerwG, U.v. 5.5.2009 – 10 C 21/08 – juris Rn. 25). Die vorgenannte Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U.v. 27.4.2010 -10 C 5.09 – BVerwGE 136, 377/382 Rn. 18) droht.
Es ist Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
(1) Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, aus Libyen verfolgt ausgereist zu sein.
Soweit der Kläger vorträgt, in Libyen seien die Menschen Rassisten und Egoisten und er sei trotz Arbeit wegen seines Dialekts ein Mensch dritter Klasse gewesen, so ist dieser Vortrag zu unsubstantiiert, um eine Verfolgung des Klägers glaubhaft erscheinen zu lassen. Auch auf mehrfache Nachfrage zu seinem Leben in Libyen schilderte der Kläger keine konkreten Verfolgungshandlungen, sondern führte nur knapp aus, dass er dort nicht leben könne. Im Gefängnis sei er nie gewesen.
(2) Auch ist eine Gruppenverfolgung der staatenlosen Palästinenser nicht ersichtlich.
Das Gericht schließt sich insoweit nach eigener Überzeugungsbildung vollumfänglich den diesbezüglichen Ausführungen des VG Ansbach (U.v. 29.3.2018 -AN 10 K 16.32482 – juris Rn. 19 ff.) und des VG Chemnitz (U.v. 24.5.2918 – 7 K 3986/16.A – juris S. 6 ff.) an:
Die Palästinenser sind in Vergleich zur großen Anzahl der afrikanischen Flüchtlinge sowie der arabischstämmigen Bevölkerungsmehrheit eine kleine Minderheit in Libyen. In den 1990er Jahren lebten etwa 30.000 Palästinenser in Libyen, welche als Arbeitsimmigranten beziehungsweise Flüchtlinge aus Gaza, dem Libanon, Syrien und Ägypten ins Land gekommen waren. Als politische Reaktion auf das Oslo-Abkommen 1994 zwischen der PLO und Israel wurden unter dem damaligen Machthaber Gaddafi alle Palästinenser aus Libyen ausgewiesen. Die Palästinenser verloren ihre Arbeitsstellen und ihre Aufenthaltsbewilligungen wurden nicht mehr erneuert. Zwischen 1994 und 1996 wurden etwa 17.000 Palästinenser aus Libyen ausgewiesen. Palästinenser, welche wegen ungültiger oder nicht vorhandener Identitätsdokumente nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren konnten, wurden ins improvisierte Lager al-Wada bei Salloum an der Grenze zu Ägypten zwangsumgesiedelt. Im Jahre 1997 beschloss der damalige Machthaber Gaddafi überraschend, alle aus Libyen vertriebenen Palästinenser wieder aufzunehmen. Nur wenige kehrten jedoch aus dem Ausland zurück. Diejenigen, die sich im Lager al-Wada befanden, begannen zwar, sich in der libyschen Gesellschaft wieder eine Existenz aufzubauen. Viele verlängerten jedoch aus Angst vor einer erneuten Ausweisung ihre Aufenthaltsbewilligungen nicht. Im Jahre 2001 lebten in Libyen etwa 70.000 Palästinenser, die unterschiedliche Reisedokumente aus Ägypten, aus Syrien oder aus dem Libanon hatten, oder staatenlos waren. Noch heute gibt es zwei Gruppen von Palästinensern in Libyen. Die einen leben seit Jahren in Libyen, und die meisten von ihnen verfügen, wie oben dargelegt, über ägyptische, syrische oder libanesische Reisepapiere. Die anderen sind erst vor kurzer Zeit etwa aus Syrien geflohen. Belastbare aktuelle Statistiken hinsichtlich der Anzahl der Palästinenser in Libyen finden sich nicht. Das UNHCR schätzte 2015, dass die Mehrheit der Palästinenser in Libyen, etwa 20.000, in Bengasi leben. Andere hielten sich in Tripolis und im Süden Libyens, zum Beispiel in Sabha, auf. Nur die wenigsten Palästinenser sind von UNHCR als Flüchtlinge registriert (vgl. zu der voranstehenden Zusammenfassung insgesamt das Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, „Libyen: Palästinensische Flüchtlinge“,
vom 31.10.2017).
Unter Verweis auf weiterer Quellen führen das Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (vgl. ACCORD, „Anfragebeantwortung zu Libyen: Palästinenser: Anzahl und Verteilung, Status (langjähriger Aufenthalt 1989-2014), Rückkehrverbot, allgemeine Lage, Sicherheitslage, Bedrohung, Einschränkungen“, vom 19.01.2017) und die Schweizerische Flüchtlingshilfe (vgl. Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, „Libyen: Palästinensische Flüchtlinge“, vom 31.10.2017) zur aktuellen Lage der Palästinenser in Libyen wie folgt aus: Während der Revolution im Jahre 2011 seien Palästinenser Ziel von Angriffen sowohl durch Gaddafitreue Gruppen als auch durch Gegner des Gaddafi-Regimes geworden. Es gebe Berichte, dass Palästinenser von Truppen des ehemaligen Machthabers Gaddafi festgenommen worden seien, nachdem sie sich geweigert hätten, regimefreundlichen bewaffneten Gruppen beizutreten. Auf der anderen Seite sei den Palästinensern durch Aufständische eine Verbindung zum Regime des ehemaligen Machthabers Gaddafi unterstellt worden.
Nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes seien Palästinenser Opfer von Belästigungen und Einschüchterungen geworden. Viele Palästinenser hätten ihre Wohnungen räumen müssen, da die vormaligen Besitzer, deren Grundstücke vom Gaddafi-Regime konfisziert worden seien, diese wieder in Besitz nehmen würden. Derartige Zwangsräumungen würden den unsicheren Status der betroffenen Palästinenser noch verschärfen. Die Ankunft von Palästinensern und Syrern, die aufgrund des Krieges in Syrien geflohen seien, belaste das Land noch zusätzlich. Dies habe unter den Libyern negative Einstellungen gegenüber Syrern und Palästinensern hervorgerufen. Die lokalen Behörden in Misrata hätten Syrer und Palästinenser nach dem Ausbruch des Konflikts im Mai 2014 dazu aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Seit Beginn des Aufstandes 2011 sei in Bengasi über eine diskriminierende Behandlung berichtet worden. Die Lage der syrischen und palästinensischen Flüchtlinge habe sich nach Ausbruch der Kämpfe 2014 verschlechtert. Syrer seien ebenso wie Palästinenser vor dem Hintergrund der Vorkommnisse in Libyen zu Sündenböcken gemacht worden. Es seien Gerüchte über ihre Verbindungen zu Milizen und radikalen Gruppen in Umlauf gebracht worden. Teilweise würden derartige Anschuldigungen auch durch die Medien aufgenommen und weiter verbreitet.
Belästigungen und Einschüchterungen nach dem Sturz des Regimes des ehemaligen Machthabers Gaddafi seien Palästinenser in Tripolis jedoch offenbar weniger ausgesetzt als zum Beispiel in den östlichen Landesteilen (vgl. ACCORD, „Anfragebeantwortung zu Libyen: Palästinenser: Anzahl und Verteilung, Status (langjähriger Aufenthalt 1989-2014), Rückkehrverbot, allgemeine Lage, Sicherheitslage, Bedrohung, Einschränkungen“, vom 19.01.2017).
Ausweislich der von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ausgewerteten Quellen (vgl. Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, „Libyen: Palästinensische Flüchtlinge“, vom 31.10.2017) habe es bis zum Jahre 2014 verhältnismäßig selten Verhaftungen von Palästinensern wegen illegaler Einreise oder illegalem Aufenthalt gegeben. Dies habe sich jedoch seit der Intensivierung des Konflikts ab 2014 geändert. Palästinenser würden nun häufiger verhaftet. Viele Palästinenser seien auch mit Gewalt aus Bengasi vertrieben worden. Im ganzen Land gebe es Checkpoints, die von offiziellen Behörden und verschiedenen Milizen kontrolliert würden. Aufgrund der prekären Sicherheitssituation sei die Gefahr einer willkürlichen Verhaftung für Migranten und Flüchtlinge, die in Libyen unterwegs seien, größer geworden. So würden bereits seit 2015 Palästinenser immer häufiger an Checkpoints in Schwierigkeiten geraten. Es sei davon auszugehen, dass Palästinenser ebenso wie andere Migranten und Flüchtlinge keine rechtlichen Mittel und Möglichkeiten hätten, um gegen die Inhaftierung aufgrund des Aufenthaltsstatus vorzugehen.
Weiterhin habe gemäß den Feststellungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, „Libyen: Palästinensische Flüchtlinge“, vom 31.10.2017) aufgrund der schwierigen Sicherheitslage auch die allgemeine Kriminalität zugenommen. Palästinenser würden wie andere Ausländer, welche keinen Zugang zu Stammesnetzwerken hätten, vermehrt Opfer von Gewalt, Entführungen oder Diebstahl. Ihre schwierige Lage und der prekäre Aufenthaltsstatus würde Palästinenser zudem daran hindern, bei Behörden und Polizei Schutz zu suchen. Auch sei der Zugang zum Gesundheitssystem, zu subventionierten Lebensmitteln und zu Bildungseinrichtungen für Palästinenser eingeschränkt. Die noch unter dem Regime des ehemaligen Machthabers Gaddafi vielfach libyschen Staatsbürgern gleichgestellten Palästinenser würden nunmehr als Ausländer angesehen.
Zur Frage der Einreiserestriktionen führt die Schweizerische Flüchtlingshilfe (vgl. Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, „Libyen: Palästinensische Flüchtlinge“, vom 31.10.2017) weiter aus, dass bis 2011 Palästinenser ohne Visum in Libyen einreisen konnten. Um der großen Anzahl einreisender Personen
aus Syrien, darunter auch palästinensische Flüchtlinge, entgegenwirken zu können, hätten die libyschen Behörden im Dezember 2012 Visa-Restriktionen erlassen. Im Januar 2015 habe dann die damals noch international anerkannte Regierung des Ministerpräsidenten al-Thinni in Tobruk eine Einreisesperre für Palästinenser, Syrer und Sudanesen erlassen. Hiergrund sei die Befürchtung gewesen, dass diese Personen islamistische Gruppierungen unterstützen würden. Auch Frauen und Kinder seien betroffen gewesen. Inwieweit diese Einreisesperre tatsächlich umgesetzt werde, sei unklar. ACCORD verweist zu Recht darauf, dass nach der Einnahme der Hauptstadt Tripolis durch rivalisierende Gruppen im Sommer 2015 die al-Thinni unterstehende Regierung nur noch einen Reststaat im Osten des Landes beherrsche und das Einreiseverbot demnach nur an der Landesgrenze zu Ägypten und an den östlichen Flughäfen Tobruk und Labraq durchzusetzen vermag (vgl. ACCORD, „Anfragebeantwortung zu Libyen: Palästinenser: Anzahl und Verteilung, Status (langjähriger Aufenthalt 1989-2014), Rückkehrverbot, allgemeine Lage, Sicherheitslage, Bedrohung, Einschränkungen“, vom 19.01.2017). Der wichtigste militärische Partner der al-Thinni-Regierung, General Khalifa Haftar, habe mehrfach Sudanesen, Palästinenser und Syrer beschuldigt, sich Ansar al-Scharia und anderen islamischen Gruppierungen anzuschließen, die gegen regierungsnahe Truppen in der Stadt Bengasi kämpfen würden. Im April 2017 habe dann auch der den Osten des Landes militärisch beherrschende General Haftar eine Einreisesperre für Personen aus Syrien, dem Sudan, Pakistan, Bangladesch, dem Iran und dem Jemen erlassen (vgl. Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, „Libyen: Palästinensische Flüchtlinge“, vom 31.10.2017). Diese Entscheidung betreffe auch Personen, die bereits eine Sicherheitsabklärung durchlaufen hätten. Alle anderen Ausländer seien ebenfalls von der Einreise nach Libyen ausgeschlossen. Ob diese Einreisesperre wie diejenige aus dem Jahr 2015 auch für Palästinenser gelte, sei unklar.
Gleichwohl lässt sich aus den vorliegenden Berichten eine aktuell gezielte Verfolgung der gesamten Bevölkerungsgruppe der Palästinenser nicht ableiten (vgl. VG Dresden, U.v. 22.09.2017 – 12 K 2300/16.A – juris Rn. 36 ff.; VG Potsdam, U.v. 20.09.2017 – 6 K 2854/17.A – juris Rn. 31; VG Berlin, U.v. 10.07.2017 – 34 K 197.16 A – juris Rn. 39 ff.). Soweit sich die Einstellung der Bevölkerung gegenüber den Palästinensern zum Negativen gewendet hat, lassen sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln keine Übergriffe entnehmen, die sich qualitativ und quantitativ so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Palästinenser in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Von der Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage sind grundsätzlich auch die libyschen Staatsangehörigen betroffen. Soweit gegebenenfalls staatliche Stellen bei Straftaten gegen Palästinenser eine Aufklärung verweigert haben, fehlen auch insoweit belastbare Feststellungen zu einem systematischen, die gesamte Gruppe betreffenden Vorgehen. Die berichteten Einschränkungen des Zugangs zum Gesundheitssystem, zu subventionierten Lebensmitteln und zu Bildungseinrichtungen betreffen grundsätzlich alle Personen, die nicht libysche Staatsangehörige sind. Zudem erreicht der reduzierte Zugang zu diesen Einrichtungen bei quantitativer und qualitativer Würdigung der Diskriminierung nicht die Schwelle asylerheblicher Gruppenverfolgung. Möglicherweise bestehende Einreisebeschränkungen für Palästinenser betreffen allenfalls den östlichen Teil des Landes. Vergleichbare Maßnahmen von Seiten der Einheitsregierung in Tripolis sind nicht bekannt.
Insoweit deckt sich die allgemeine Auskunftslage mit dem Vortrag des Klägers, wenn er ausführt, er sei wie ein Mensch dritter Klasse behandelt worden, aber nicht im Gefängnis gewesen. Konkrete diskriminierende Maßnahmen nannte er nicht.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S.
des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Libyen ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Aus der allgemeinen Auskunftslage ergibt sich keine Gefahr i.S.d. § 4 AsylG für den Kläger. Zwar ist zusammengefasst nach der Erkenntnislage von folgender Situation in Libyen auszugehen (vgl. zum Ganzen VG Würzburg, U.v. 3.9.2018 – W 8 K 17.33618 – juris Rn. 37 ff.):
Nach dem Auswärtigen Amt (Auswärtiges Amt, Adhoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018) befindet sich Libyen Mitte 2018 im siebten Jahr nach dem Tod des Diktators Gaddafi weiterhin im politischen Umbruch. Landesweite Sicherheit bleibt die größte und wichtigste Herausforderung des seit Dezember 2015 bestehenden Präsidialrats. Große Teile des Landes und der Gesellschaft werden von Milizen kontrolliert, andere Teile sind praktisch unregiert. Bewaffnete Gruppen beanspruchen jeweils auf ihrem Gebiet die Ausübung einer Art staatlicher Kontrolle. Eine der größten Gefahren für die Bevölkerung ist es, als Unbeteiligte in die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Milizen zu geraten bzw. Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Menschenrechtsverletzungen in Libyen sind an der Tagesordnung. Die vulnerabelste Gruppe sind Migranten und Flüchtlinge. Aber auch Libyer sind Menschenrechtsverletzungen durch staatliche wie nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, ohne sich dagegen wirksam schützen zu können. Ein einheitliches funktionierendes Rechtssystem steht nicht zur Verfügung. Besonders betroffen sind Minderheiten. Die Sicherheitslage in Libyen ist instabil. Dem Präsidialrat gegenüber loyalen Milizen aus der westlibyschen Stadt Misrata gelang es, den sogenannten IS im Dezember 2016 aus seiner Hochburg in der zentrallibyschen Küstenstadt Sirte zu vertreiben. Er ist weiterhin in Libyen aktiv und hat auch 2017 bis 2018 Anschläge verübt. In Ostlibyen geht General Haftar gegen islamistische und dschihadistische Gruppen mit wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung vor. Auch Tripolis ist faktisch im Einflussbereich von vier Milizen. Eine davon ist die salafistische Rada-Miliz. Diese Miliz übt inzwischen die vollständige Kontrolle über den einzigen funktionstüchtigen Flughafen (Mitiga) von Tripolis und das dort gelegene größte Gefängnis Westlibyens aus. Einer Vielzahl von Milizen werden Folter und standrechtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Auch die im Osten vorherrschende LNA ist kein einheitliches Gebilde, vielmehr eine Klammer für einzelne Milizen, die auch eigene Interessen verfolgen und denen ihrerseits Menschenrechtsverletzungen sowie die Hinnahme ziviler Opfer nachgesagt werden.
Alle Konfliktparteien verübten wahllose sowie gezielte Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete, die zum Tod von Zivilpersonen und der rechtswidrigen Tötungen führten. Tausende Menschen wurden von bewaffneten Gruppen verschleppt, willkürlich festgenommen und zeitlich unbegrenzt inhaftiert. In den Gefängnissen waren Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung. Menschen wurden aufgrund ihrer Überzeugung, ihrer Herkunft, ihrer vermuteten politischen Zugehörigkeit und ihres mutmaßlichen Reichtums von bewaffneten Gruppen und Milizen verschleppt und rechtswidrig inhaftiert (Amnesty International, Report Libyen 2017/2018).
Die Lage im ganzen Land ist extrem unübersichtlich und unsicher. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In großen Teilen des Landes herrschen bewaffnete Milizen oder sonstige bewaffnete Kräfte. In Abwesenheit staatlicher Kontrolle über das gesamte Territorium setzen sich Dutzende rivalisierende Milizen und militärischen Streitkräfte mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Allianzen straffrei über internationales Recht hinweg. Rivalisierende Milizen und militärische Streitkräfte entführen Personen und lassen diese verschwinden, foltern, inhaftieren willkürlich und führen ungesetzliche Tötungen durch (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017).
Das Gericht geht gleichwohl davon aus, dass dem Kläger kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob derzeit in Libyen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht (vgl. bejahend VG Dresden, U.v. 22.9.2017 – 12 K 1598/16.A – Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] – juris; VG Ansbach, U.v. 29.3.2018 – AN 10 K 16.32482 – juris; offengelassen VG Chemnitz, U.v. 31.5.2018 – 7 K 2166/16.A – juris; U.v. 24.5.2018 – 7 K 3986/16.A – juris; U.v. 15.3.2018 – 7 K 2975/16.A – juris; U.v. 2.1.2018 – 7 K 692/16.A – juris; jeweils mit weiteren Nachweisen). Denn selbst wenn, ist die Gefahrendichte jedenfalls nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in die Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – BVerwGE 131, 198).
Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt ist, reichen grundsätzlich nicht, eine individuelle Bedrohung zu begründen. Es ist auch nichts von einer Gefahrendichte ersichtlich, dass hier für jedermann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben besteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei Entscheidungen festgestellt, dass jedenfalls ein Risiko von 1:800 bzw. 1:1.000 in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – NVwZ 2012, 454 – juris Rn. 22 und 10 C 11.10 – juris Rn. 20). Ein solcher Gefährdungsgrad ist bei weitem nicht ersichtlich. Auch die Klägerseite hat Entsprechendes nicht substantiiert vorgebracht. Zwar ist er Palästinenser, aber als junger, alleinstehender Mann gehört er nicht zu einer besonders vulnerablen Personengruppe.
3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen hinsichtlich Libyens ebenfalls nicht vor.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
Der Kläger trägt selbst vor, er habe in Libyen stets arbeiten dürfen und seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit sichern können. Es ist nichts dafür ersichtlich, warum der Kläger nicht auch bei einer Rückkehr nach Libyen dort seinen Lebensunterhalt wieder sichern könnte. Zudem leben noch eine Tante und ein Onkel des Klägers in Libyen, zu denen er gelegentlichen Kontakt hält. Der Kläger hat daher in Libyen auch familiäre Anknüpfungspunkte.
4. Auch hinsichtlich des Libanons liegen keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
a) Insoweit ist auch der Libanon hinsichtlich etwaiger Abschiebungsverbote zu prüfen.
Denn Abschiebungsschutz kann auch in Bezug auf Staaten des früheren, nicht letzten Aufenthalts in Anspruch genommen werden. Dies gilt insbesondere, wenn ein Land in der Abschiebungsandrohung bezeichnet wird (BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50/07 – juris Rn. 36, 45). Während über den asylrechtlichen Abschiebungsschutz nur einheitlich entschieden werden kann, ist beim ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz (jetzt: § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG) in Bezug auf die einzelnen in Betracht kommenden Abschiebezielstaaten jeweils gesondert und ggf. mit unterschiedlichem Ergebnis zu entscheiden; eine Übertragung des asylrechtlichen Subsidiaritätsprinzips (vgl. oben) kommt nicht in Betracht. Ein Anspruch auf gerichtliche Feststellung von Abschiebungsverboten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Bundesamt die Abschiebung in dieses Land nicht angedroht hat. Denn grundsätzlich darf sich nach § 31 Abs. 3, Abs. 5 AsylG i.V.m. § 24 Abs. 2 AsylG weder das Bundesamt noch das Gericht der Prüfung entziehen, ob ein Abschiebungsverbot vorliegt. Dies gilt auch in Fällen, in denen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können. Denn insoweit kommt der Feststellung von Abschiebungsverboten nicht nur asylrechtliche, sondern nach § 25 Abs. 3 AufenthG auch ausländerrechtliche Bedeutung zu und kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorbereiten. Der Gesetzgeber hat allerdings nicht ausdrücklich geregelt, hinsichtlich welcher Staaten über das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu entscheiden ist. Der Asylsuchende hat Anspruch auf Feststellung eines derartigen Abschiebungsverbotes jedenfalls hinsichtlich der Staaten, für die das Bundesamt verpflichtet ist, eine solche Feststellung zu treffen, für die es eine ihm nachteilige Feststellung bereits getroffen hat oder in die abgeschoben zu werden er aus be rechtigtem Anlass sonst befürchten muss. Hinsichtlich des Herkunftsstaats ist das Bundesamt regelmäßig zur Prüfung eines Abschiebungsverbots verpflichtet (BVerwG, U.v. 2.8.2007 – 10 C 13/07 – juris Rn. 10 ff.). Unionsrechtlicher Schutz ist mithin herkunftslandbezogen, nationaler Schutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG zielstaatsbezogen zu prüfen (OVG Lüneburg, U.v. 26.1.2012 – 11 LB 97/11 – juris Leitsatz 1).
Grundsätzlich sind das Bundesamt und das Gericht verpflichtet, eine Feststellung hinsichtlich des Herkunftsstaats zu prüfen. Dies ist vorliegend Libyen (vgl. oben). Anhaltspunkte dafür, dass eine Prüfung ausnahmsweise unterbleiben dürfte, sind nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf gerichtliche Prüfung besteht indes auch hinsichtlich solcher Staaten, für die das Bundesamt bereits eine nachteilige Feststellung getroffen hat. Dies ist hier der Libanon.
b) Der Kläger hat indes keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich des Libanons nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Es wird insoweit Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt im Libanon wird sicherstellen können, auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20).
(1) Hierfür spricht schon, dass der Kläger selbst vorträgt, seine Mutter, seine Geschwister und zwei Tanten lebten im Libanon in einem Flüchtlingslager der UN-RWA, er habe täglichen bzw. regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern und es gehe ihnen gut. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es dem alleinstehenden, jungen, gesunden und arbeitsfähigen Kläger im Libanon schlechter gehen sollte als seiner älteren, alleinstehenden Mutter. Zudem konnte der Kläger bis 2013 in Syrien und zweieinhalb Jahre in Libyen seinen Lebensunterhalt sichern, obgleich die allgemeine Lage in beiden Ländern zu jenen Zeiten deutlich schlechter war als sie im Libanon gegenwärtig ist. Dem Kläger wird es daher im Libanon erst recht möglich sein, seinen Lebensunterhalt zu sichern.
(2) Der Sicherung seines Lebensunterhalts steht auch nicht entgegen, dass der Kläger im Libanon als palästinensischer Flüchtling gravierenden Benachteiligungen ausgesetzt ist.
So darf er keinen Grund und Boden erwerben und bestehen Restriktionen bei der Berufswahl. Insbesondere freie Berufe (Arzt, Rechtsanwalt etc.) dürfen palästinensische Flüchtlinge nicht ausüben. Der Besuch staatlicher Schulen ist palästinensischen Flüchtlingen untersagt, sie haben Zugang zu den (unterfinanzierten) UNRWA-Schulen. Palästinensische Studenten müssen sich auf die für Ausländer reservierten 10% der Studienplätze bewerben. Für ihre Schulbildung und gesundheitliche Versorgung hängt die Lagerbevölkerung ausschließlich vom UNRWA-Hilfswerk bzw. Hilfeleistungen anderer NROs (z.B. des Palästinensischen Roten Halbmondes) ab (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 1.3.2018, S. 12). Die allgemeinen Auskünfte werden durch den Vortrag des Klägers, er dürfe keine Immobilien erwerben und dürfe nur in einfachen Berufen wie beispielsweise in der Landwirtschaft arbeiten, bestätigt. Insoweit ist der Kläger zwar Beschränkungen ausgesetzt, die jedoch nicht hinreichend gravierend sind, dass ihm eine Rückkehr in den Libanon unzumutbar wäre. Da der Kläger soweit ersichtlich über keine höhere Bildung verfügt, kommt für ihn eine Tätigkeit in einem freien Beruf oder in sonstigen besonders qualifizierten Berufen ohnehin nicht in Betracht; das Gericht ist demgegenüber davon überzeugt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt auch durch eine einfache Berufstätigkeit – beispielsweise wie schon in Libyen als Verkäufer oder im Libanon in der Landwirtschaft – wird sicherstellen können. Auch sein Vortrag, dass beim Betreten und beim Verlassen der Flüchtlingslager Kontrollen durch Sicherheitskräfte stattfänden, macht eine Rückkehr in den Libanon nicht unzumutbar. Die Maßnahme dient vielmehr der Sicherheit der Bevölkerung; von insoweit diskriminierender oder erniedrigender Behandlung bei den Kontrollen berichtete der Kläger indes nicht.
(3) Im Übrigen kann der Kläger bei einer Rückkehr in den Libanon Unterstützungsleistungen der UNRWA in Anspruch nehmen.
Insoweit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in zumutbarer Weise durch Inanspruchnahme der Hilfen von UN-RWA wird sichern können, selbst wenn dem Kläger eine Arbeitsaufnahme im Libanon erheblich erschwert sein sollte und er über kein Wohneigentum verfügt.
Insoweit ist maßgeblich die Wertung des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu beachten. Zu den dort genannten Schutz und Beistand leistenden Organisationen und Einrichtungen zählt die durch Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen Nr. 302/IV vom 8. Dezember 1949 errichtete UNRWA, deren Aufgabe in der Hilfeleistung für palästinensische Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon, in Syrien, der West Bank und dem Gazastreifen besteht. Als Nachweis einer im Rahmen des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG erforderlichen tatsächlichen Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistandes genügt es grundsätzlich, wenn die Betroffenen von UNRWA förmlich registriert worden sind (BayVGH, B.v. 7.11.2017- 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 28 m.w.N.; s.a. EuGH, U.v. 17.6.2010 – C-31/09 – Bolbol/Ungarn – juris Rn. 51 f.). Umgekehrt ist – automatisch – ein Ausländer als Flüchtling gem. § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG anzuerkennen, der den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen gem. Art. 1 Abschnitt D GK genossen hat, dem aber ein solcher Schutz oder Beistand nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen endgültig geklärt worden ist. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die bloße Abwesenheit des Betreffenden vom Gebiet der Schutzgewährung oder die freiwillige Entscheidung, dieses zu verlassen, regelmäßig unzureichend, um die Annahme zu rechtfertigen, der Schutz sei im vorgenannten Sinn weggefallen. Vielmehr kommt es auf die fehlende Freiwilligkeit des Ausreiseentschlusses aufgrund von seinem Willen unabhängiger Zwänge an, weil der Betroffene sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es UNRWA unmöglich ist, ihm im Mandatsgebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der übertragenen Aufgabe in Einklang stehen (BayVGH, B.v. 7.11.2017- 15 ZB 17.31475 -juris Rn. 28 m.w.N.; EuGH, U.v. 19.12.2012 – C-364/11 – Kott u.a./Ungarn NVwZ-RR 2013, 160, 161/162). Dem Schutz durch die UNRWA muss dabei eine gewisse Qualität bzw. einen Mindeststandard in Bezug auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse der schutzberechtigten Personen (Ausbildung, medizinische Versorgung, Fürsorge und Sozialdienste, Kleinkredite, Lagerinfrastruktur und -verbesserung, humanitäre Hilfe) innewohnen (OVG Saarl, U.v. 16.5.2018 – 1 A 679/17 – juris Leitsatz).
Im vorliegenden Fall ist § 3 Abs. 3 AsylG unabhängig einer etwaigen Registrierung des Klägers schon deswegen nicht anwendbar, weil vorliegend im Bezug auf den Libanon nicht die auf Unionsrecht beruhende Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zu prüfen ist, sondern (lediglich) nationale Abschiebungsverbote (vgl. oben). Gleichwohl ist auch bei der Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AsylG die Wertung des § 3 Abs. 3 AsylG zu berücksichtigen, nach der internationaler Schutz nicht zu gewähren ist, wenn der Schutz von UNRWA in Anspruch genommen wird und solange UNRWA in der Lage ist, im Mandatsgebiet angemessene Lebensverhältnisse zu gewährleisten. In einem solchen Fall besteht für Asylbewerber keine Notwendigkeit, das Mandatsgebiet von UNRWA zu verlassen.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass UNRWA jedenfalls im Libanon in der Lage ist, angemessene Lebensverhältnisse von einem gewissen Mindeststandard in Bezug auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse der schutzberechtigten Personen (Ausbildung, medizinische Versorgung, Fürsorge und Sozialdienste, Kleinkredite, Lagerinfrastruktur und -verbesserung, humanitäre Hilfe) zu gewährleisten und dass der Kläger diesen Schutz bei einer Rückkehr auch tatsächlich in Anspruch nehmen kann.
Im Libanon leben 449.957 bei UNRWA registrierte palästinensische Flüchtlinge. UNRWA unterhält im Libanon zwölf offizielle Flüchtlingslager, 69 Schulen mit 32.350 Schülern, zwei Einrichtungen für Berufs- und technische Ausbildungen, 27 Zentren für die medizinische Grundversorgung, eine Einrichtung zum gemeindeorientierten Wiederaufbau und neun Zentren zur Frauenförderung (https://www.unrwa.org/wherewework/lebanon, Stand 25.10.2018). Nach Kenntnis der Bundesregierung umfassen die Leistungen von UNRWA Ausbildung, medizinische Versorgung, soziale Dienste, Infrastruktur für Flüchtlingslager und deren Verbesserung sowie Unterstützung des Gemeinwesens, Mikrofinanzierungsmaßnahmen und Nothilfe, auch während bewaffneter Konflikte (Antwort der Bundesregierung v. 20.4.2016, Drucksache 18/8201, 18. Wahlperiode, Frage 9, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/082/1808201.pdf, Stand 25.10.2018).
Zahn- und Röntgenuntersuchungen, Labortests und die Behandlung von Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck sind möglich (https://www.unrwa.org/activity/healthlebanon, Stand: 25.10.2018). Das Hilfsund Sozialprogramm gewährleistet ein soziales Sicherheitsnetz insbesondere für die ärmsten Palästinenser und umfasst u.a. eine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln sowie Bargeldauszahlungen auf vierteljähriger Basis. Zur Sicherstellung von Grundbedürfnissen eines Haushalts oder in Notfällen kommen auch Einmalzahlungen in Betracht. Auch Mikrokredite zur Startfinanzierung einer Arbeitsaufnahme werden ausgegeben (https://www.unrwa.org/activity/rsslebanon, Stand: 25.10.2018).
Eine Registrierung bei UNRWA erfordert einen schriftlichen Antrag unter Vorlage von Dokumenten, die die Anspruchsberechtigung belegen. Auch Nachkommen von Vätern, die die Kriterien eines palästinensischen Flüchtlings erfüllten, können sich registrieren lassen. Nachweisdokumente sind zum einen die Registrierungsdokumente naher Verwandter väterlicherseits. Es genügt indes auch, dass die Antragsteller als „Palästinensische Flüchtlinge“ bei den relevanten Regierungsbehörden des jeweiligen Landes, in dem UNRWA aktiv ist, entsprechend den Kriterien der Behörde, registriert sind (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Anfragebeantwortung v. 14.8.2017, S. 1 f.).
Ausgehend von diesen Feststellungen ist das Gericht davon überzeugt, dass UNRWA den Lebensunterhalt palästinensischer Flüchtlinge im Libanon auf einfachem, aber zumutbarem Niveau sicherstellen kann. Eine Unterkunft wird durch die Flüchtlingslager der UNRWA sichergestellt, ebenso eine Grundversorgung mit Lebensmitteln, eine medizinische Grundversorgung und – wenn auch geringe -Barauszahlungen zur Deckung der sonstigen Bedürfnisse. Dass eine Unterbringung in einem Flüchtlingslager tatsächlich möglich und zumutbar ist, zeigt schon der Umstand, dass die Kernfamilie des Klägers in einem derartigen Lager lebt und es ihnen nach Vortrag des Klägers gut geht. Da der Kläger über einen vom libanesischen Staat ausgestellten Ausweis, der ihn als palästinensischen Flüchtling ausweist, verfügt, wird er sich nach den oben dargelegten Registrierungsvoraussetzungen auch bei UNRWA registrieren lassen können. Insofern kann er -wie er selbst in der Vergangenheit und aktuell seine Familie – bei Bedarf Leistungen der UNRWA in Anspruch nehmen, insbesondere durch Wohnsitznahme in einem der Flüchtlingslager von UNRWA.
5. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.