Verwaltungsrecht

Keine Verfolgung im Senegal – Posttraumatische Belastungsstörung

Aktenzeichen  M 4 S 16.36173

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 122 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 7, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 – 4, § 84 Abs. 1 S. 2
AsylG AsylG § 3d, § 3e, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 36 Abs. 1, 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 75
GG GG Art. 16a Abs. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die gesetzliche Wertung der Sicherheit vor Verfolgung im Senegal als sicherem Herkunftsstaat wird nicht durch einen unglaubhaften Asylvortrag in Frage gestellt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Senegal besteht eine inländische Fluchtalternative und damit interner Schutz insbesondere in den Großstädten, um einer (behaupteten) Verfolgung durch die Familie oder andere nichtstaatliche Akteure zu entgehen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wird nicht den Anforderungen der Rechtsprechung (BVerwG BeckRS 2016, 47723) entsprechend nachgewiesen, wenn kein fachärztliches Gutachten vorgelegt wird und Behandlungsbeginn und -frequenz sowie das Trauma auslösende Ereignis unklar bleiben. Zudem liegt in einer PTBS regelmäßig keine so schwerwiegende Erkrankung, die zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG führt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für … (Bundesamt), mit dem ihr Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Die Antragstellerin, die keinerlei Papiere zum Identitätsnachweis oder auch nur zur Glaubhaftmachung einer Identität vorlegt, behauptet, eine am … Januar 1981 in … im S. geborene s. Staatsangehörige vom Stamm der … zu sein. Sie beantragte am … Juli 2016 in der … Asyl. Sie gab an, im Jahr 2010 ihr Heimatland erstmalig verlassen zu haben und dann durch M. und M1 auf dem Seeweg in die T. und von dort mit einem Schlepperboot nach G. gereist zu sein, wo sie fünf Jahre gelebt und als Friseurin gearbeitet habe. Im Jahr 2015 sei sie über die Balkanroute nach D. gereist und dort am … August 2015 angekommen. In ihrer Anhörung am … August 2016 gab sie im Wesentlichen an, den Reisepass könne sie nicht vorlegen, da in dem Boot nach G. so wenig Platz gewesen sei, dass die Schleuser gesagt hätten, sie müssten ihr Gepäck zurücklassen. Sie habe ihren Reisepass in ihrem Gepäck vergessen, weil sie so viel Angst gehabt habe. Ihren Personalausweis habe sie bereits in S. verloren, wie, das wisse sie nicht mehr. Sie habe in G. oft am Strand im Sommer z. B. den Touristen die Haare gemacht. Davon habe sie dann eine Wohnung mieten können. Im Winter habe sie nicht arbeiten können. Sie habe G. schon längst verlassen wollen, hätte aber nicht genügend Geld gehabt. Sie habe das Gymnasium 13 Jahre lang besucht, aber keinen Abschluss. Dann habe sie drei Jahre Ausbildung als Kindererzieherin von 2006 bis 2009 absolviert. Sie sei bei ihrer Großmutter aufgewachsen, habe ihre Eltern aber nicht gekannt. Mit einem Christen habe sie vier Jahre lang zusammen gelebt, obwohl ihre Familie das abgelehnt habe. Sie hätte nach dem Wunsch ihrer Familie einen 55 jährigen Mann heiraten sollen. Zu diesem Zeitpunkt sei sie 19 Jahre alt gewesen. Die Schule habe sie 2001 fertig gemacht und ein Jahr danach mit ihrer Ausbildung begonnen. Nachdem ihre Großmutter gestorben sei, habe sie einen anderen Mann kennen gelernt. Auch den habe ihre Familie nicht akzeptiert und sie deshalb davon gejagt. Sie sei dann nach … gegangen, wo sie von diesem Mann schwanger geworden sei. Eine Freundin habe ihr geraten, sie solle das Land verlassen, weil man in ihrer Volksgruppe, wenn man schwanger werde ohne verheiratet zu sein, umgebracht werde. Das Kind habe sie dann auf dem Weg von M. nach M1 durch eine Fehlgeburt verloren. Ihre Familie hätte ihr gedroht, sie würden sie töten. Zur Polizei sei sie nicht gegangen. Würde sie in den S. zurückkehren, würde man sie sofort töten.
Mit Schreiben vom 25. August 2016 gegenüber dem Bundesamt äußerte sich die Antragstellerin nochmals korrigierend zu ihren Fluchtgründen. Das Protokoll ihrer Erstanhörung enthalte einige Fehler. Auf den Inhalt dieses Schreibens (Bl. 60 u. 61 der Behördenakte) wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte (Ziffer 2. des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4. des Bescheids), die Antragstellerin wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angeordnet (Ziffer 5. des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6. des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Ziffer 7. des Bescheids).
Die Antragstellerin stamme aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG. Sie habe nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei als offensichtlich unbegründet, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes als unbegründet abzulehnen. Auch individuelle Gefahren, die das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes begründen könnten, seien nicht erkennbar.
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
Am 17. Dezember 2016 erhob die Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesamtes fristgerecht Klage (M 4 K 16.36170) mit dem Antrag den Bescheid des Bundesamtes aufzuheben.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine auf die Antragstellerin bezogene Begründung wurde mit Schriftsatz vom 9. Januar 2017 am 12. Januar 2017, mit persönlicher Schilderung durch die Antragstellerin als Anlage, auf die Bezug genommen wurde vorgelegt. Mit Fax vom 23. Januar 2017 reichte die Bevollmächtigte der Antragstellerin eine psychologisch- psychotherapeutische Stellungnahme eines Diplompsychologen, in der der Antragstellerin eine schwere posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) attestiert wird.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert, sie hat die Behördenakten vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der – nach Auslegung – zulässig erhobene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt erfolglos. Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 7. des Bescheids) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B.v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B.v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
Der Eilantrag ist ansonsten in der Sache darauf gerichtet, dass das Gericht die kraft Gesetzes nach § 75 Asylgesetz (AsylG; ohne weitere Übergangsregelung auch für die vorher anhängig gewordenen Asylverfahrens in Kraft seit 24.10.2015 aufgrund von Art. 1, 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl I S. 1722) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. Satz 2 des Bescheids) und die nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6. des Bescheids) nach § 80 Abs. 5 VwGO anordnen soll.
Dieser Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Der Antrag bleibt erfolglos.
a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
b) Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
aa) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens der Antragstellerin nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte.
Der S. ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Von der Antragstellerin sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Die vorgetragene Verfolgungsgeschichte ist unglaubwürdig. Auch würde sie – selbst wenn man sie als wahr unterstellt – nicht für eine asylrelevante Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure genügen.
(1) Das Vorbringen der Antragstellerin ist auch unter Zugrundelegung des die Aussagen in der Erstanhörung relativierenden Schreibens der Antragstellerin an das Bundesamt und auch unter Heranziehung und Würdigung der ausführlichen Klage- und Antragsbegründung als unglaubhaft einzustufen. Die Antragstellerin trägt vor, unter Todesdrohungen davon gejagt worden zu sein. Es bleibt unerklärlich, weshalb man die Antragstellerin bei einer Rückkehr in den S. sofort umbringen sollte (und dies nach immerhin sieben Jahren nach der Ausreise), wenn man bereits im Jahr 2010 die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Hätte die Familie der Antragstellerin diese wirklich töten wollen, weil sie sich den Heiratsplänen ihres Onkels nachhaltig wiedersetzt habe, so hätte man dies bereits getan. Die Tatsache, dass man, die dahingehende Aussage der Antragstellerin als wahr unterstellt, sie lediglich unter Todesandrohungen vom Hof gejagt hat, lässt erkennen, dass eine Lebensgefahr für die Antragstellerin im S. tatsächlich nicht besteht. Hierfür spricht schon zum einen der Zeitablauf von sieben Jahren, zum anderen das Alter der Antragstellerin (nach ihren eigenen Angaben müsste sie mittlerweile 36 Jahre alt sein).
Das Vorbringen der Antragstellerin ist insgesamt auch deshalb unglaubhaft, weil sie sich in ihren mündlichen wie schriftlichen Äußerungen auch sonst in Widersprüche verstrickt hat. So gibt sie auf dem ergänzenden Schreiben an das Bundesamt vom 25. August 2016, Bl. 60 und 61 der Behördenakte an, sie sei 1988 in die Schule eingetreten, habe acht Jahre Schule plus zwei Jahre Klassenwiederholung, also zehn Jahre Schulzeit insgesamt absolviert und mit 17 Jahren, also 1998 die Schule abgeschlossen. Im Anschluss hätte sie ein Jahr Wartezeit gehabt, um das Geld für die dreijährige Berufsausbildung zur Kinderpflegerin zu erwerben. Sie habe damit also 1999 mit 18 Jahren begonnen und die Ausbildung 2002 abgeschlossen. Dem gegenüber gab sie noch in der mündlichen Anhörung vor dem Bundesamt hinsichtlich ihrer Ausbildungszeiten an, sie sei mit sieben Jahren in die Schule gekommen (das müsste also 1988 gewesen sein, insoweit deckt sich diese Einlassung mit ihren Aussagen im Schreiben an das Bundesamt), sei aber 13 Jahre in der Schule gewesen, die sie 2001 abgeschlossen habe (S. 4 des Anhörungsprotokolls). Ein Jahr nach der Schule habe sie die Ausbildung gemacht und zwar von 2006 bis 2009 (S. 3 unten des Bundesamtsprotokolls). Diese Daten passen logisch nicht zusammen, was ihr auch vom Anhörer auf Seite 4 des Protokolls vorgehalten wurde. Insofern ist der Vorhalt des Anhörers nicht unlogisch, sondern nur ungeschickt formuliert. Der Widerspruch wird jedenfalls auch nicht durch die Klagebegründung aufgelöst. Warum die Antragstellerin nicht in der Lage sein sollte, die Dauer und zeitliche Verortung ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung vorzunehmen, ist nicht nachvollziehbar und kann jedenfalls nicht mit dem lapidaren Hinweis auf irgendwelche nicht näher beschriebenen traumatisierenden Erlebnisse begründet werden.
Ein weiterer Widerspruch findet sich auch in den Schilderungen des angeblichen zweiwöchigen Hausarrestes, da ihr Onkel sie zwei Wochen lang eingesperrt habe. In der Klagebegründung wird ausgeführt, sie sei zwei Wochen ohne Nahrung eingesperrt worden, bis sie versprochen habe, ihren christlichen Liebhaber nicht mehr zu treffen. Auf Seite 4 des Anhörungsprotokolls beim Bundesamt heißt es dazu, sie habe nicht essen dürfen, habe nur eine Mahlzeit am Tag bekommen. Dies ist ein Widerspruch.
(2) Die vorgetragenen Fehler und Mängel in der Anhörung, insbesondere in der Übersetzung und Rückübersetzung sowie der Anfertigung der Niederschrift durch das Bundesamt, wirken sich nicht entscheidungserheblich auf die Einschätzung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Antragstellerin aus. Auch die vorgetragenen angeblichen formalen Mängel des Bundesamtsbescheids spielen an dieser Stelle keine Rolle, weil das Vorbringen der Antragstellerin selbst unter Zugrundelegung nur der Antrags- bzw. Klagebegründung insgesamt als unglaubhaft einzustufen ist. Im Übrigen existiert kein Rechtssatz, wonach Anhörer und Entscheider identisch sein müssen.
(3) Unabhängig davon bleibt das Begehren der Antragstellerin auf Asylanerkennung bzw. auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil ihr in Anwendung von § 3d, § 3e AsylG ausreichender interner Schutz bei einer Rückkehr in den S. zur Verfügung steht.
Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass die weibliche Genitalverstümmelung seit 1999 zwar gesetzlich verboten ist, aber von einigen Ethnien immer noch praktiziert wird. Die Durchsetzung eines angestrebten vollständigen Verbots stößt immer wieder auf religiös-motivierten Widerstand. Frauenorganisationen beklagen in den ländlichen Gebieten häusliche Gewalt gegen Frauen, Zwangsheirat besonders Minderjähriger ist trotz Verbots auf dem Land verbreitet. Die Polizei schreitet bei häuslicher Gewalt normalerweise nicht ein und kommt ihrer Schutzverantwortung nicht nach. Die Opfer erstatten selten Anzeige und die Strafen für häusliche Gewalt sind milde. Eine faktische Benachteiligung der Frauen ergibt sich vor allem aus der mangelnden Ausbildung und einer auf die Rolle in der Familie als Hausfrau beschränkte Erziehung (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik S. als sicheres Herkunftsland i. S. des § 29a AsylG, Stand August 2016 vom 14. Oktober 2016). Diese Ausführungen decken sich in der Tat mit den Schilderungen der allgemeinen Lebensumstände, wie sie die Antragstellerin vorgetragen hat.
Allerdings ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass für die Antragstellerin ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht und damit interner Schutz zur Verfügung steht (§ 3e AsylG). Die Antragstellerin kann nach einer Rückkehr nach S. in einen anderen Landesteil S.s ziehen, insbesondere in eine Großstadt, wo sie von ihrer Familie oder anderen nichtstaatlichen Akteuren aus ihrem Heimatdorf mit asylrechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht ausfindig gemacht werden kann. Soweit die Antragstellerin behauptet, man würde sie im S. überall finden, kann dem nicht gefolgt werden. S. hat rund 14 Millionen Einwohner und verfügt über mehrere Großstädte. Es ist mit asylrechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass jemand die Antragstellerin aufspüren kann, selbst wenn die Familie weit verbreitet sein sollte. Jedenfalls findet die Antragstellerin innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten und ist auch darauf zu verweisen, in ihren erlernten Berufen als Kindererzieherin und/oder als Friseurin zu arbeiten und sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
bb) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die erstmals in der Antragsbegründung vorgebrachte angebliche psychische Erkrankung kann ein nationales Abschiebungshindernis vorliegend nicht begründen.
§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll den Ausländer nur von einer erheblichen konkreten Gesundheits- oder Lebensgefahr schützen. Diese liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der … gleichwertig ist, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist, § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG.
Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS angesichts der Unschärfen und Komplexität des psychischen Krankheitsbildes sowie einer vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests gehört. Daraus muss sich u. a. nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt (BVerwG. U. v. 11.09.2007, Az. 10 C 17/07, juris). Gemäß der International Classification of Diseases (ICD-10: F43.1) entsteht die PTBS als „Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“. Ein traumatisches Ereignis oder Erlebnis ist damit zwingende Voraussetzung für die Entwicklung einer PTBS. Ohne das Vorliegen eines Traumas kann die Diagnose einer PTBS folglich nicht gestellt werden.
Diesen Anforderungen genügt die vorgelegte Stellungnahme des Diplom-Psychologen nicht. Abgesehen davon, dass es sich nicht um ein fachärztliches Attest handelt, leidet die Stellungnahme an gravierenden inhaltlichen Mängeln. Behandlungsbeginn, -frequenz, -form und Medikation werden nicht präzisiert („ist seit kurzem in meiner … Behandlung“). Was das traumaauslösende Ereignis gewesen ist, bleibt unklar. Im Vergleich zu den bisherigen Einlassungen der Antragstellerin lässt sich eine deutliche Steigerung der angeblich zugefügten Leiden feststellen: von Vergewaltigung war selbst in der Klagebegründung nichts zu lesen. Warum bei der Antragstellerin „ohnehin bestehende Glaubwürdigkeit“ (Ende S. 1 /Anfang S. 2) gegeben sein soll, erschließt sich dem Leser nicht. Die Stellungnahme wirkt unpersönlich und ist nichtssagend. Auch bleibt unklar, wie es die Antragstellerin bei diesem Krankheitsbild geschafft haben soll, sich in G. fünf Jahre lang ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Schlusssatz („Zudem ist eine unveränderte Gefährdung anzunehmen“) fällt nicht in den Kompetenzbereich des Diplom-Psychologen und lässt aufgrund seiner Distanz- und Kritiklosigkeit bei völlig fehlender Begründung vielmehr Zweifel an einer unvoreingenommenen und unparteilichen Herangehensweise des Verfassers aufkommen.
Doch selbst wenn bei der Antragstellerin eine posttraumatische Belastungsstörung zu diagnostizieren sein sollte, führt dies nicht ohne weiteres zu einem Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Der Gesetzgeber geht nämlich nunmehr davon aus, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern. Mit dieser Präzisierung wir klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellen. Eine solche schwerwiegende Erkrankung kann hingegen z. B. in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden: In Fällen einer PTBS ist die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung (Bundestagsdrucksache 18/7538 v. 16.02.2016, S. 18). Für das Vorliegen einer derart äußerst gravierenden Erkrankung ist, wie oben ausgeführt, nicht ausreichend vorgetragen.
(1) Die allgemein harten Lebensbedingungen im S. eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik S. als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015 (Stand August 2015), dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im S. schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d. h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m. w. N.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20).
(2) Das kann bei der Antragstellerin nicht angenommen werden.
Diese ist als junge arbeitsfähige Frau in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, ihren Lebensunterhalt im S. durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar
cc) Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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