Verwaltungsrecht

Keine Verfolgungsgefahr wegen untergeordneter exilpolitischer Betätigung bei Rückkehr in den Iran

Aktenzeichen  W 6 K 16.30864

Datum:
22.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a Abs. 1
AsylG AsylG § 3, § 4
AufentG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Der Zentralrat der Ex-Muslime ist eine reine Exilorganisation, auf deren Betätigung die Maßstäbe der Verfolgung bei exiloppositioneller Tätigkeit anwendbar sind. Iranische Stellen schließen nach den vorliegenden Erkenntnissen von einer Mitgliedschaft in dieser Organisation nicht auf einen ernsthaften Abfall vom Islam. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gefahr politischer Verfolgung bei Rückkehr in den Iran wegen exilpolitischer Betätigung ist nur dann anzunehmen, wenn das Engagement in exponierter Weise erfolgt ist und den Betroffenen als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe – sowohl zu seinem Vorfluchtschicksal als auch zu seinen Nachfluchtgründen – in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht. Der Kläger hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, ungereimte und widersprüchliche Angaben gemacht, die er zum Teil auch noch gesteigert hat. Demgegenüber ließ er eine zweifelsfreie, in sich stimmige Verfolgungsgeschichte vermissen. Weiter stützt er seine Verfolgungsfurcht im Wesentlichen auf Vermutungen und Spekulationen.
Gerade aufgrund Aussageverhaltens des Klägers und seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass der Kläger die von ihm geschilderte Geschichte in wesentlichen Teilen nicht selbst so erlebt hat. Anders lassen sich die Widersprüche sowie seine Unfähigkeit, auf Fragen konkret und in Einzelheiten sowie in sich stimmig zu antworten, wie es einem Verfolgten, der seine Geschichte wirklich so erlebt hat, ohne weiteres möglich wäre, nicht erklären. Stattdessen gab der Kläger ausweichende und abschweifende Antworten. So bleiben letztlich nicht ausräumbare, durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens zu seinem Vorfluchtschicksal und auch zu seinen Nachfluchtaktivitäten.
So konnte schon aufgrund widersprüchlicher Angaben des Klägers nicht festgestellt werden, welche politischen Aktivitäten er in den Iran als fluchtauslösenden Grund getätigt haben will bzw. welche tatsächlichen Verfolgungsmaßnahmen ihm gedroht haben sollten.
Schon das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 13. Juni 2016 zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger trotz seiner angeblichen Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime (ZdE) im Iran keine Verfolgung gedroht habe. Lediglich einer seiner Freunde sei verhaftet worden. Ob dies im Zusammenhang mit dem Zentralrat der Ex-Muslime stehe, sei fraglich. Auf in eigener Person individuell drohenden Rechtsgutsverletzungen habe der Kläger nicht verwiesen, sondern nur auf Schäden anderer. Der Kläger habe angegeben, selbst im Iran keine Probleme mit der Polizei oder Sicherheitskräften gehabt zu haben. Dies lasse den Rückschluss zu, dass die Behörden – trotz der vom Kläger genannten Aktivitäten – kein gesteigertes Verfolgungsinteresse am Kläger und vermutlich auch keine Kenntnis von seinen behaupteten regimekritischen Verhalten hätten.
Ergänzend ist anzufügen, dass schon zweifelhaft ist, dass der Kläger im Iran tatsächlich schon Mitglied des Zentralrats der Ex-Muslime gewesen ist. Er legte zwar ein Schreiben des Zentralrats der Ex-Muslime vom 25. September 2012 vor, wonach er unter dem Namen „A* K*“ aus Griechenland Mitglied geworden sei. Dazu macht er jedoch keine glaubhaften, sondern im Gegenteil widersprüchliche und ungereimte Angaben. Dem Gericht leuchtet schon nicht ein, dass der – nicht deutsch sprechende – Kläger im Iran vom Zentralrat der Ex-Muslime nur ein Schreiben auf Deutsch erhalten haben sollte. Der Kläger gab dazu an, er habe dieses Schreiben so, wie er es dem Gericht vorgelegt habe, per Internet in den Iran bekommen. Er habe den Kontakt zum Zentralrat der Ex-Muslime über einen Freund, der schon in Deutschland gewesen sei, erhalten.
Der Freund wurde in der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2017 als Zeuge vernommen (vgl. zu diesem VG Würzburg, U.v. 15.12.2009 – W 6 K 09.30096 – juris; U.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris; U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30172 – Beck-Online, BeckRS 2013, 45668 sowie BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – juris; B.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris). Der damals schon in Deutschland lebende Zeuge gab an, er habe den Kläger über die Organisation (ZdE) informiert und ihm eine E-Mail-Adresse mitgeteilt. Der Kläger habe dann direkt über die Organisation den Antrag gestellt. Das Schreiben vom 25. September 2012 habe der Kläger direkt bekommen. Er, der Zeuge, habe dem Kläger mitgeteilt, dass er aufgrund der bestehenden Gefahr besser sei, ein Pseudonym anzunehmen. Er selbst habe das Schreiben vom 25. September 2012 nicht gesehen. Er kommuniziere mit dem Zentralrat der Ex-Muslime auf Persisch. Denn sowohl die Vorsitzende als auch 90% der Mitglieder seien Perser. Dass ein Schreiben auf Deutsch aus Deutschland in den Iran gesandt worden sei, liege wohl an der damals automatischen Vorgehensweise des Zentralrats. Wenn man über die E-Mail-Adresse Kontakt mit der Organisation aufnehme, werde man automatisch Mitglied. Ansonsten kommuniziere man untereinander auf Persisch.
Auf gerichtlichen Vorhalt zur Kommunikation mit dem Zentralrat der Ex-Muslime aus dem Iran gab der Kläger ausweichende Antworten, in dem er darauf verwies, er habe in der Konferenz dafür plädiert, dass der Zentralrat der Ex-Muslime auch andere Wege gehen müsste, als nur auf Deutsch und Englisch aufzutreten. Weiter erklärte der Kläger teilweise im deutlichen Widerspruch zum Zeugen, er habe über den Zeugen Kontakt aufgenommen und der Zeuge habe ihm auch das Schreiben vom 25. September 2012 zukommen lassen. Sie hätten in der „Partei“ offensichtlich nicht die persische Sprache. Er, der Kläger, habe damals nur über den Zeugen Kontakt zum Zentralrat der Ex-Muslime gehabt. Es sei auch seine Idee gewesen, das Dokument auf einen anderen Namen ausstellen zu lassen und auch das Land Griechenland zu wählen. Dies sei dann über den Zeugen gelaufen. Mit dem Zentralrat der Ex-Muslime habe er immer nur Kontakt über den Zeugen gehabt. Erst nach der Zeugeneinvernahme räumte der Kläger ein, er habe direkt mit einer Dame beim Zentralrat der Ex-Muslime in Deutschland Kontakt gehabt. Auch erst nach der Zeugeneinvernahme wechselte der Kläger seine Aussage dahingehend, er habe eine E-Mail aus dem Iran an diese Frau geschickt und diese habe ihn dann ein Schreiben zukommen lassen. Ansonsten sei er immer über den Zeugen mit dem Zentralrat der Ex-Muslime in Kontakt gewesen. Er habe auch gedacht, dass er dieses Schreiben von dem Zeugen bekommen habe.
Zu seinen Vorfluchtaktivitäten ist des Weiteren anzumerken, dass der Kläger schon seit der Schulzeit Parolen geschrieben haben will, aber offenbar ist dies, wie auch schon das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im streitgegenständlichen Bescheid angeführt hat, entweder dem iranischen Staat nicht zur Kenntnis gelangt oder hat nicht zu einem Verfolgungsinteresse geführt. Der Kläger berichtete, dass ein weiterer Freund im Iran ein neues Mitglied vorgestellt habe. Der Kläger äußerte die Vermutung, dass dieser ein Spion gewesen und der eine Freund dann verhaftet worden sei. Nähere Informationen wusste er jedoch nicht zu berichten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob die Verhaftung einen Bezug zu den angeblichen Aktivitäten des Klägers im Iran hatte. Auffällig ist weiter, dass der Kläger gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärte, er wolle sich primär auf seine Nachfluchtaktivitäten beziehen. Auch das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben vom Zentralrat der Ex-Muslime vom 15. Februar 2017 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Dort ist zwar pauschal ausgeführt, dass der Kläger in seiner Heimatstadt politisch gegen das Regime im Iran aktiv gewesen sei und auch schon dort mit den Ex-Muslimen zusammengearbeitet und sich engagiert habe. Jedoch kommt derartigen pauschalen Gefälligkeitsschreiben von Organisationen, wie dem Zentralrat der Ex-Muslime, nur ein geringer und letztlich unbedeutender Beweiswert zu, zumal es offenbar nicht auf eigene Kenntnisse des Zentralrats der Ex-Muslime zu den Vorfluchtaktivitäten des Klägers beruht, sondern auf dessen Aussagen.
Der Kläger stützt seine Verfolgungsfurcht zudem nur auf Vermutungen und Spekulationen, da weitere mit Tatsachen untermauerte Angaben des Klägers zu konkreten Verfolgungsmaßnahmen fehlen. Auf Frage des Gerichts nach konkreten Maßnahmen des iranischen Staates gegen ihn antwortete der Kläger nur ausweichend. Auf wiederholte ausdrückliche Nachfrage des Gerichts erklärt er nur, er habe Kontakt mit seiner Mutter und seiner Schwester. Seine Mutter sei eine sehr religiöse Frau. Sie habe nur gesagt: „Warum hast du das gemacht?“ Sie sei eine alte Frau. Sein Vater sei noch religiöser und habe ihn verstoßen. Seine Mutter habe keine Ahnung von solchen Dingen. Von konkreten Verfolgungsmaßnahmen, insbesondere von irgendwelchen schriftlichen Unterlagen bzw. Vorladungen oder auch nur Nachfragen staatlicher Organe bei seiner Familie hat der Kläger danach keine Kenntnis. Der Kläger hat nicht von sich aus von weiteren, insbesondere auch aktuellen Verfolgungsmaßnahmen berichtet, geschweige denn von konkreten schriftlichen Dokumenten, die er auch dem Gericht hätte vorlegen können. Auch über das weitere Schicksal seines angeblich verhafteten Freundes wusste er nichts. Es erscheint lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht aus eigenem Antrieb weitere konkretere Erkundigungen eingezogen hat, die auf einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehenden Verfolgungsgefahr für ihn hindeuten. Gerade wenn jemand verfolgt wird – und damit sein Asylbegehren in Deutschland begründet -, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Verfolgungsgefahr zu besorgen und entsprechende Belege von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In diese Richtung hat der Kläger nichts Substanzielles vorgetragen. Danach drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass gegen den Kläger überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der staatlichen Behörden im Iran erfolgt sind und auch bei einer Rückkehr nicht drohen.
Zusammenfassend ist das Gericht nach dem Gesamtbild, wie es sich dem Gericht aufgrund der Angaben des Kläger im behördlichen Verfahren und im Gerichtsverfahren unter Einbeziehung der vorgelegten bzw. sonst zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Unterlagen darstellt, gerade auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger aufgrund des von ihm geschilderten Vorfluchtschicksals eine (politische) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder heute noch droht.
Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass für den Kläger eine ernsthafte Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Nachfluchtaktivitäten droht. Die als Nachfluchtgründe geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten bewegen sich insgesamt betrachtet noch auf einem niedrigen oppositionellen Niveau, so dass nach Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger in Deutschland derart nach Außen in Erscheinung getreten ist, dass er zum einen durch die iranischen Sicherheitsbehörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als ernsthafter Regimegegner, welche auf die Verhältnisse im Iran einzuwirken vermag, identifiziert und qualifiziert worden ist und dass zum anderen wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht.
Nach den vorliegenden Erkenntnissen beobachten iranische Stellen genau die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich daher solche führende Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam (z.B. als Redner, Verantwortlicher oder in leitender Funktion) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter vom Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückkehr mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen. Normale Teilnehmer an irankritischen Demonstrationen können bei späteren Besuchen im Iran seitens der Sicherheitsdienste befragt werden, wenn ihre Aktivitäten bekannt sind. Im Fokus stehen vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das politische System empfunden werden und die islamischen Grundsätze in Frage stellen. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 24.2.2015, Stand: September 2014 sowie vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 31.3.2016).
Auch nach der Rechtsprechung ist – gerade angesichts der großen Anzahl regimekritisch aktiver Exiliraner – maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die den Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 14 ZB 10.30114 – Asylmagazin 2011, 17). Demgegenüber ist eine Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten nur anzunehmen, wenn der iranische Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; B.v. 17.10.2009 – 14 ZB 09.30257 – juris). Selbst für linksextreme Gruppen und deren Unterstützer ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer politischen Verfolgung nur auszugehen, wenn sie nicht lediglich als bloße Mitläufer bei Veranstaltungen dieser Oppositionsgruppe in Erscheinung getreten sind, sondern durch ihr Engagement und durch die von ihr entfalteten Aktivitäten aus der Masse oppositioneller Iraner herausgetreten sind, sie sich insoweit exponiert haben (OVG Bremen vom 8.11.2010 – 2 A 209/08.A – juris). Dafür reichen Aktivitäten als Demonstrationsteilnehmer nicht aus (SächsOVG, U.v. 9.7.2008 – A 2 B 296/07, Entscheidungen Asyl 9/2008, S. 3). Untergeordnete exilpolitische Aktivitäten führen nicht zu asyl- und abschiebungsrelevanten Repressalien im Iran (OVG Berlin-Bbg, U.v. 16.9.2009 – OVG 3 B 12.07 – juris). Regimekritische Veröffentlichungen im Internet und sonstigen Medien können ausnahmsweise eine Verfolgungsgefahr begründen, wenn damit zu rechnen ist, dass sie den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden und der Betreffende als überzeugter und besonders aktiver Regimegegner erscheint, der aus Sicht der iranischen Behörden wegen der von ihm ausgehenden Gefahr für den islamischen Staat nachhaltig zu bekämpfen ist (HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4). Erforderlich ist im Regelfall ein exponiertes exilpolitisches Engagement, dass den Betreffenden aus dem Kreis der standardmäßig exilpolitischen Aktiven heraushebt und im iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse seitens des iranischen Staates besteht (vgl. OVG NRW, B.v. 16.1.2017 – 13 A 1793/16.A – juris; HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4).
Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betroffenen nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen, oder nicht. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris; B.v. 25.1.2013 – 14 ZB 12.30326 – juris; B.v. 15.1.2013 – 14 ZB 12.30220 – juris; B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris sowie etwa VG Würzburg, U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30171 – Beck-Online, BeckRS 2013, 45668).
Ausgehend von der Rechtsprechung, die auf der aktuellen Erkenntnislage beruht, begründen die vom Kläger geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten unter Würdigung der Gesamtumstände seines Falles keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr. Der Kläger hat sich nach Überzeugung des Gerichts nicht in einer exponierten Weise exilpolitisch engagiert, die ihn aus dem Kreis der standardmäßigen exilpolitischen Aktiven heraushebt und dem iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse seitens des iranischen Staates bestehen würde.
Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger nach derzeitiger Auskunftslage aufgrund des Gesamtbildes seiner exilpolitischen Tätigkeiten keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Auffällig ist schon, dass der Kläger seit seiner Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2013 bis ins letzte Quartal 2016 keine relevanten exilpolitischen Aktivitäten verfolgt hat. Vielmehr wurde der Kläger erst nach Erlass des ablehnenden Bescheides aktiv. Auf gerichtlichen Vorhalt dieses Umstandes erklärte er, er sei sowohl von seinem räumlichen Aufenthalt als auch finanziell eingeschränkt, er habe sich über Medien informiert. Bei seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung hinterließ der Kläger zudem den Eindruck, seine exilpolitischen Aktivitäten aufzubauschen. So übergab er zunächst ein neues Schreiben des Zentralrats der Ex-Muslime vom 15. Februar 2017, wonach er der Vorsitzenden des Zentralrats der Ex-Muslime bei Veranstaltungen persönlich assistiert habe und auch Reden gehalten habe, von denen viele in Ton und Bild in persischen Medien zu sehen seien. Diese Pauschalen und aus Sicht des Gerichts übertriebenen Darstellungen sind als Gefälligkeitsaussagen ohne weiteren Beweiswert zu werten, da sie sich nicht mit den konkret vom Kläger vorgebrachten Aktivitäten, decken. Der Kläger gab zunächst übertreibend an, er habe in Deutschland an allen Konferenzen des Zentralrats der Ex-Muslime teilgenommen, in denen es um die Verbrechen des iranischen Regimes ging. Auf Nachfrage des Gerichts korrigierte er, er habe an einigen Konferenzen teilgenommen. Letztlich verblieb es bei der Teilnahme an einer einzigen jährlichen Mitgliederversammlung im November 2016 in Köln sowie der Teilnahme an einem Info-Tisch in Frankfurt im Oktober 2016. Auch nur für die Versammlung in Köln legte der Kläger konkret Bilder vor. Der Kläger räumte später ein, er habe sich in Deutschland erst orientieren müssen. Des Weiteren ist auch nicht belegt, dass der Kläger mehrere Reden gehalten hat. Vielmehr hieß es einmal, er habe an einer Podiumsdiskussion teilgenommen, ein anderes Mal, er habe eine Rede gehalten. Der, in der mündlichen Verhandlung anwesende Zeuge, erklärte weiter, dass im Internet von der Veranstaltung in Köln eine Rede zu sehen sei, in der, der Kläger, Persisch rede und die Vorsitzende des Zentralrats diese auf Deutsch übersetze. Bei dieser Veranstaltung seien auch Medienvertreter anwesend gewesen. Dieser Film sei wohl auf der Internet-Seite des Zentralrats der Ex-Muslime veröffentlicht.
Die demnach insgesamt sehr dürftigen Aktivitäten des Klägers rechtfertigen nicht die Annahme einer begründeten Verfolgungswahrscheinlichkeit, weil die Teilnahme an einzelnen Parteiveranstaltungen nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht ausreicht. Es ist schon nicht ersichtlich, wie die wenigen Aktivitäten des Klägers in Deutschland den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden sollten. Zudem scheinen die politischen Aktivitäten des Klägers nicht geeignet, auf die Verhältnisse im Iran ernsthaft einzuwirken und aus der Sicht des iranischen Staates eine Gefahr zu begründen. Nach der vorliegenden Auskunftslage ist es unrealistisch anzunehmen, dass jegliche regimekritische Aktivitäten bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu persönlichen Konsequenzen führt. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Aktivitäten des Klägers den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt sind und darüber hinaus ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründen.
Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Kläger – als Atheist – Mitglied im Zentralrat der Ex-Muslime ist und bei einer dortigen Veranstaltung aufgetreten ist.
Voraussetzungen für die Annahme einer relevanten Verfolgungsgefahr wäre bezogen auf den Zentralrat der Ex-Muslime, dass die iranischen Behörden von der Mitgliedschaft des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime Kenntnis erlangen und weiter auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an dem der Betreffende im Fall einer Rückkehr in den Iran festhalten und nach außen kundtun würde (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Beim Zentralrat der Ex-Muslime handelt es sich um eine reine Exilorganisation, so dass es auf dessen Tätigkeit die Maßstäbe der Verfolgung bei exiloppositioneller Tätigkeit anwendbar sind. Der Zentralrat der Ex-Muslime verfolgt hauptsächlich politische Ziele, wenn er auch einen religiösen Hintergrund hat. Auch wenn es sich beim Zentralrat der Ex-Muslime nicht um eine politische Partei handelt und es auch um das Recht des Einzelnen geht, eine Religion zu haben oder nicht, so ist der Zentralrat der Ex-Muslime doch ein über Deutschland hinaus europaweit fungierende Interessenvertretung gerade der Menschen, die sich vom Islam abgewandt haben. Zudem geht es nach Überzeugung des Gerichts dem Zentralrat der Ex-Muslime nicht um eine Verbundenheit aufgrund einer gemeinsamen Religionsausübung oder Weltanschauung. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Mitglieder schwerpunktmäßig einer atheistischen Weltanschauung anhängen, ohne schon einer anderen Religion zuzugehören. Die Gemeinsamkeit der Mitglieder der Ex-Muslime liegt darin, sich vom Islam mehr oder weniger endgültig abgewandt zu haben, nicht jedoch gemeinsam sich einer Religion oder Weltanschauung verbunden zu fühlen und diese gemeinsam nach außen zu leben (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Die Aktivitäten des Klägers für den Zentralrat der Ex-Muslime bewegen sich, wie bereits ausgeführt, auf einem niedrigen exilpolitischen Niveau. Das gilt sowohl für den Auftritt des Klägers bei der jährlichen Mitgliederversammlung als auch für die Teilnahme an einem Info-Tisch. Der Stellenwert des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime ist nicht mit dem der Vorsitzenden des Zentralrats, die nach Überzeugung des Gerichts bedroht und über die im iranischen Fernsehen berichtet wird, zu vergleichen (vgl. BayVGH, U.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris). Auch der Hinweis, dass der Kläger einmal als eine Art Leibwächter fungiert hat, zeigt insoweit seine untergeordnete Funktion. Offenbar ist es so, dass bei Auftritten der Vorsitzenden andere Mitglieder auch die Funktion eines Sicherheitsdienstes mitausüben. Des Weiteren führt die Tatsache, dass der Kläger anlässlich der Mitgliederversammlung ebenfalls gesprochen hat bzw. sich zusammen mit der Vorsitzenden hat fotografieren lassen und diese Aufnahmen auch im Internet veröffentlicht sind, nicht dazu, dass der Kläger gleichermaßen exponiert ist, wie etwa die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime. Vielmehr bleibt seine Funktion – auch für den iranischen Staat offenkundig und erkennbar – deutlich hinter der der Vorsitzenden zurück.
Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass die iranischen Behörden aufgrund der atheistischen Weltanschauung des Klägers Maßnahmen gegen diesen ergreifen würden. Erforderlich ist ein Glaubenswechsel, wonach sich der Kläger verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Erst dann wäre die Gefahr damit verbunden als Konvertit und Apostat erkannt zu werden. Erforderlich wäre beim Kläger ein zwingendes Bedürfnis, ein religiöses oder auch atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333; VG Regensburg, U.v. 21.8.2012 – RO 4 K 12.30081). Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, dass ein Glaubenswechsel derart stattgefunden hat, dass er sich verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam oder seine jetzige Weltanschauung als Atheist öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Der Kläger hat nicht vorgebracht, ein ihn dauerhaft prägendes, zwingendes Bedürfnis zu haben, sein religiöses oder atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen. Im Gegenteil hat der Kläger erklärt, er achte andere Religionen. Es ginge auch nicht darum, andere von ihrer Religion abzubringen. Dem Kläger geht es augenscheinlich vielmehr darum, Missstände in der islamischen Republik Iran anzuprangern. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass sich die Loslösung vom Islam nach außen so manifestiert hat, dass sich der Betreffende nachhaltig und auf Dauer sowie nach außen hin erkennbar ernstlich und endgültig vom moslemischen Glauben abgewandt hat. An einer solchen Manifestation nach außen fehlt es (vgl. dazu auch HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1398/09.A – Asylmagazin 2010, 120).
Des Weiteren hat das Gericht durchgreifende Zweifel, dass die iranischen Behörden allein aus der Mitgliedschaft des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime und seinen vorgetragenen Aktivitäten auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an denen der Betreffende auch im Fall einer Rückkehr in den Iran festhalte und dies auch kundtun würde. Anhaltspunkte hierfür liegen angesichts der realistischen Einschätzung der iranischen Behörden, dass Exilorganisationen häufig, wenn nicht vorwiegend dazu dienen, Nachfluchtgründe zu belegen, nicht vor (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Im Übrigen hat die Vorsitzende des Zentralrat der Ex-Muslime in einer mündlichen Verhandlung am 4. Januar 2012 (vgl. VG Würzburg, U.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris) selbst keinen einzigen Fall nennen können, in dem zurückgekehrte Mitglieder des Zentralrat der Ex-Muslime im Iran verfolgt worden sind. Selbst wenn im Iran nach der Scharia bzw. dem iranischen Strafrecht formal ein Fall der Apostasie vorliegen mag, ist weiterhin nicht ersichtlich, dass die iranischen Behörden in ihrer Rechtspraxis auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an dem der Betreffende auch bei einer Rückkehr festhalten wollte. Nach den vorliegenden Erkenntnissen (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: September 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016) sind vornehmlich missionierende Konvertiten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, insbesondere evangelikale Christen. Zwar kann Apostasie mit der Todesstrafe bestraft werden, Nicht-Muslime dürfen ihrer religiösen Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken. Im Iran Konvertierte nehmen indes von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten nach außen ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zudem zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin und wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hierfür den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 31.3.2016, S. 49 f.). Letzteres verhindert erst recht eine Verfolgung.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zudem ausdrücklich ausgesprochen, dass der Zentralrat der Ex-Muslime nicht als (atheistische) Glaubensgemeinschaft anzusehen ist. Die Mitgliedschaft in diesem Verein ist nicht identisch mit einem wirklich stattgefundenen Glaubenswechsel. Es gibt keine Anhaltspunkte für einen Rückschluss iranischer Stellen von der Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime auf einen ernsthaften Abfall vom Islam und bei Rückkehr in den Iran auf konsequentes Festhalten und auf das nach außen Kundtun. Auch im Zusammenhang mit dem Zentralrat der Ex-Muslime bleibt es bei der Feststellung, dass eine Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten nur angenommen werden kann, wenn die iranischen Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervorgetreten ist und sein Gesamtverhalten ihn den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner erscheinen lässt. Eine Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime rechtfertigt keine andere Beurteilung als sonstige exilpolitische Aktivitäten (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris).
Auch die geringen Veröffentlichungen zu den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers im Internet genügen nicht zur Annahme einer begründeten Verfolgungswahrscheinlichkeit. Denn schon die Masse der von iranischen Oppositionellen im Internet veröffentlichten regimekritischen Publikationen spricht dagegen, für alle gleichermaßen eine Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, die bei einer Rückkehr in sein Heimatland zwangsläufig zur Verfolgung führen würde (vgl. HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-Nf 63 Nr. 4). Selbst wenn die eine Rede des Klägers im Internet veröffentlicht sein sollte, ist daraus nicht ersichtlich, wie die insgesamt wenigen Aktivtäten den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden sollten. Zudem scheinen die politischen Aktivitäten nicht geeignet, auf die Verhältnisse im Iran ernsthaft einzuwirken und aus der Sicht des iranischen Staates eine Gefahr zu begründen.
Auch wenn eine mögliche Verfolgung des Klägers bei einer potenziellen Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht gesamtbetrachtet nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran, da nicht davon auszugehen ist, dass die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt sind oder werden und zusätzlich ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründen.
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG NRW, B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG abzuweisen.


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