Aktenzeichen W 8 K 18.32310
Leitsatz
1. Im Falle einer Posttraumatischen Belastungsstörung besteht eine Gefahr der Retraumatisierung nur dann, wenn der Betroffene erneut mit Umständen konfrontiert wird, die den ursprünglich traumatisierenden Ereignissen ähneln. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sowohl in der Ukraine als auch in Tunesien bestehen grundsätzlich ausreichende Behandlungsmöglichkeiten für eine schizoaffektive Psychose. (Rn. 24, 27 – 28 und 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der West-Ukraine, die Verfolgungssicherheit bietet, können sich erwerbsfähige Personen das wirtschaftliche Existenzminimum durch eigene Arbeit sichern. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Oktober 2018 ist – auch soweit er angefochten ist – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist insbesondere auf der Basis vorliegenden Erkenntnisse und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sowie des eigens eingeholten forensisch-psychiatrischen Gutachtens vom 4. August 2019 nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in die Ukraine oder nach Tunesien eine erheblich konkrete Gefahr für Leib oder Leben infolge einer lebensbedrohlichen bzw. schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, besteht. Dabei ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung in der Ukraine bzw. in Tunesien mit der Versorgung der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 3 AufenthG). Auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid zur Vorschrift des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit weitergehenden Nachweisen auch zur Rechtsprechungen wird im Einzelnen Bezug genommen.
Das Gericht ist auf der Basis des eigens eingeholten forensisch-psychiatrischen Gutachtens des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, Schloss Werneck, vom 4. August 2019 und des Vorbringens des Klägers insbesondere nicht davon überzeugt, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vorliegt. In dem forensisch-psychiatrischen Gutachten ist ausführlich und plausibel dargelegt, dass eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nur unter gewissen Voraussetzungen angenommen werden kann, die nach Überzeugung des Gerichts nicht vorliegen.
So ist schon der auslösende Vorfall in der Ukraine mit grundlegenden Zweifeln behaftet. Denn der Kläger hat erstmals im Folgeverfahren vorgebracht, in der Ukraine drei Monate inhaftiert und wiederholt gefoltert worden zu sein. Im Erstverfahren war davon nicht die Rede. Auch in einem früheren ärztlichen Bericht ist lediglich eine Inhaftierung von drei Tagen erwähnt (vgl. das forensische-psychiatrische Gutachten – S. 59, S. 77 und S. 84 – mit Verweis auf den Arztbrief des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, Außenstelle Aschaffenburg, vom 10.7.2017). Auch wenn der Kläger im nunmehrigen Folgeverfahren darauf beharrt, immer von drei Monaten gesprochen zu haben, muss er sich entgegenhalten lassen, dass er in seinem Erstverfahren bei der Anhörung am 22. Februar 2016 ausdrücklich angegeben hat, dass am zweiten Tag ein Mann zu ihm gekommen sei, der ihm geraten habe, fortzugehen. Dies sei am 20. oder 21. November gewesen. Am 22. November seien sie dann aus der Wohnung ausgezogen (Bl. 53 und 54 der betreffenden Bundesamtsakte im Erstverfahren). Der Kläger konnte den Widerspruch trotz Nachfragens in der mündlichen Verhandlung nicht auflösen. Sein pauschaler Hinweis, dass er damals nicht gewusst habe, was er sagen solle, und nicht in die Einzelheiten gegangen sei, vermag nicht zu erklären, dass er auf die Frage nach seinem Verfolgungsschicksal und nach den Tatsachen für seine Verfolgungsfurcht sowie nach drohenden Gefahren den wesentlichen Grund des Verlassens der Ukraine, nämlich die dreimonatige Inhaftierung und Folter, nicht erwähnt, sondern nun in der letzten mündlichen Verhandlung erstmals auf mehrmalige Vorfälle verwies. Ins Bild passt auch, dass seine Ehefrau bei ihrer Anhörung im Erstverfahren am 22. Februar 2016 ebenfalls nichts von einem mehrmonatigen Aufenthalt des Klägers in einem Gefängnis und mehrmonatigen Folterungen berichtete, sondern vorbrachte, sie habe bis nach Mitternacht vom Kläger keine Antwort erhalten (vgl. Bl. 40/41 der betreffenden Bundesamtsakte).
Abgesehen davon ist eigenständige weitere Voraussetzung für die Annahme einer PTBS laut dem forensisch-psychiatrischen Gutachten, dass die Kriterien B (anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben, Flashbacks usw.), C (Vermeidungsverhalten) und D (anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensibilität, Ein- und Durchlaufstörungen usw.) innerhalb von 6 Monaten nach dem Belastungsereignis eingetreten sind. Dies konnte beim Kläger jedoch nicht festgestellt werden (vgl. S. 83 des forensisch-psychiatrischen Gutachtens). Denn wenn Symptome erst im Lauf des Jahres 2017 aufgetreten sein sollten, träfe dieses Kriterium nicht zu. Das Argument der Klägerseite unter Berufung auf einen Facharzt, dass das auslösendes Moment ein Arbeitsunfall gewesen sei, könne laut Gutachter nicht nachvollzogen werden. Aus dem Vorbringen des Klägers ist nicht zweifelsfrei zu bejahen, dass die Kriterien B, C und D schon innerhalb von sechs Monaten nach seiner Inhaftierung und Folter aufgetreten sind. Der Kläger erklärte zwar in seinem Erstverfahren (Bl. 54 der betreffenden Bundesamtsakte), er habe unter Schock gestanden und habe große Angst gehabt, jedoch findet sich auch bei der Anhörung der Ehefrau keine einschlägigen Angaben, die die vorstehend genannten Kriterien im fraglichen Zeitraum bestätigen würden. Der Kläger hat gegenüber dem Gutachter (vgl. S. 66 des forensisch-psychiatrischen Gutachtens) zunächst angegeben, die Symptome hätten sich erst in Deutschland entwickelt, nachdem es Schwierigkeiten mit seinem Aufenthalt gegeben habe. Erst auf Nachfrage des Gutachters ergänzte er, die Symptome hätten auch schon in der Ukraine begonnen und seien in Deutschland nach einem Arbeitsunfall schlimmer geworden. Die Ehefrau gibt in ihrem Folgeverfahren (vgl. dort Bl. 40 der Bundesamtsakte) an, dass ihr Mann seit einem Arbeitsunfall unter schweren Depressionen leide. In der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2019 brachte der Kläger vor, er habe Angstattacken. Er sei seit dem Vorfall in der Ukraine ein ängstlicher Mensch. Wegen eines Arbeitsunfalles sei es in Deutschland noch schlimmer geworden bzw. auch nach dem Ablehnungsbescheid kämen die alten Sachen wieder hoch. In der mündlichen Verhandlung am 25. November 2019 erklärte der Kläger auf ausdrückliche gerichtliche Nachfrage, dass die jetzigen Gründe erst später nach der Ablehnung aufgetreten seien, ein Arbeitsunfall sei der Auslöser gewesen. Sein psychischer Zustand sei nach dem Arbeitsunfall im März oder April 2017 schlechter geworden. Sein Zustand sei in der Ukraine bzw. nach Verlassen der Ukraine schlecht gewesen. Er sei erschöpft gewesen. Nach der Inhaftierung in der Ukraine sei sein erster Gedanke gewesen, rauszugehen. Sein zweiter Gedanke sei gewesen, das Land zu verlassen. Über psychische Erkrankungen habe er sich zum damaligen Zeitpunkt keine Gedanken gemacht.
Zusammenfassend steht nach Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass die für die Annahme einer PTBS erforderlichen Kriterien beim Kläger zweifelsfrei vorliegen. Dies geht zu Lasten des Klägers.
Abgesehen von den vorstehenden Erwägungen ist nach dem forensischpsychiatrischen Gutachten selbst bei einer Annahme einer PTBS bei einer Rückkehr nicht mit einer darauf bezogenen erheblichen Gefahr für Leib oder Leben zu rechnen. Denn in dem Gutachten ist auf S. 86/87 ausgeführt, dass im Fall einer PTBS die Gefahr einer Retraumatisierung nur dann besteht, wenn der Kläger erneut mit Umständen konfrontiert wird, die den Umständen, die er in den von den Separatisten besetzten ukrainischen Gebiet erlebt hat, ähneln (d.h. drohende Inhaftierung mit Folter). Besteht indes keine erhöhte Gefahr für solche Ereignisse, besteht auch keine erhöhte Gefahr einer Retraumatisierung, da eine solche dann nicht in einem höheren Ausmaß als beim Verbleib in Deutschland gegeben ist. Eine solch erhöhte Gefahr einer erneuten Inhaftierung mit Folter ist indes weder bei der Rückkehr in die Ukraine noch bei einer Rückkehr nach Tunesien zu befürchten. Für Tunesien fehlen jegliche Anhaltspunkte für eine Inhaftierung mit Folter und in der Ukraine ist eine erneute Inhaftierung mit der Gefahr der Folter zu verneinen, wenn der Kläger die Separatisten-Gebiete im Osten der Ukraine meidet und sich als Binnenflüchtlinge in die West-Ukraine begibt. Insofern besteht für den Kläger in der Ukraine ohnehin eine zumutbare Aufenthaltsalternative.
Unabhängig von der PTBS hat der Kläger „lediglich“ eine schizoaffektive Störung; derzeit ist er nach wie vor depressiv (S. 84 des eingeholten forensisch-psychiatrischen Gutachtens). Für diese diagnostizierte schizoaffektive Psychose ist eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben, etwa, weil bei einer Rückkehr nach Tunesien oder in die Ukraine eine Verschlimmerung seiner Leiden droht oder eine akute Suizidgefahr eintreten würde, zu verneinen, falls – wie hier anzunehmen – ausreichende Behandlungsmöglichkeiten in den genannten Ländern bestehen. Das Gericht geht nach der Auskunftslage davon aus, dass sowohl in der Ukraine als auch in Tunesien grundsätzlich ausreichende Behandlungsmöglichkeiten – beim Kläger insbesondere die Einnahme der für die Behandlung seiner psychischen Erkrankung erforderlichen Medikamente – bestehen. Die Medikamente sind jeweils grundsätzlich verfügbar und für den Kläger auch erreichbar.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im streitgegenständlichen Bescheid auf S. 11 ff. sowohl zu den Behandlungsmöglichkeiten als auch zu den finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten im jeweiligen Land in Einklang mit der Erkenntnislage stehende zutreffende Ausführungen gemacht, auf die Bezug genommen werden kann.
Ergänzend wird angemerkt, dass das Gericht davon ausgeht, dass die für den Kläger erforderliche Behandlung, insbesondere Medikamente, in dem jeweiligen Land erhältlich sind, entweder kostenlos bzw. unter Zuzahlungen, die dem Kläger möglich sind. Die für die Zuzahlungen erforderlichen finanziellen Mittel kann der Kläger entweder durch staatliche oder private finanzielle Unterstützung oder durch eigene Arbeit erlangen. Sowohl seine Frau als auch der Kläger selbst können sich bezahlte Arbeiten suchen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2019 ausdrücklich angegeben, er habe zweimal Arbeit gefunden und die Ausländerbehörde habe es aber abgelehnt. Der Arzt habe ihm empfohlen, dass er arbeiten und sich beschäftigen solle.
In der Ukraine ist die medizinische Versorgung – nach der Auskunftslage – offiziell kostenlos und flächendeckend. Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen, in denen unter anderem auch psychische Krankheiten behandelt werden können, existieren sowohl in der Hauptstadt als auch in vielen Gebietszentren des Landes. Landesweit gibt es ausgebildetes und sachkundiges Personal. Der am 1. Juli 2018 neu geschaffene nationale Gesundheitsdienst hat die Funktion einer staatlichen, budgetfinanzierten Einheitskrankenversicherung übernommen und damit unter anderem ein kostenfreies Hausarztsystem eingeführt. Soweit die Gesundheitsreform noch nicht umgesetzt ist, ist der Beginn einer Behandlung in der Regel auch weiterhin davon abhängig, dass der Patient einen Betrag im Voraus bezahlt oder Medikamente und Pflegemittel auf eigene Rechnung beschafft. Gebräuchliche Medikamente werden im Land selbst hergestellt. Gemäß der ukrainischen Verfassung haben Bürger kostenlosen Zugang zu einem umfassenden Paket an Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen. Medikamente sollen grundsätzlich kostenlos sein, wenn auch die Realität oft anders aussieht (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 22.2.2019, Stand: Februar 2019, S. 18 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Ukraine, Gesamtaktualisierung am 26.7.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 9.1.2019, S. 67 ff.).
Auch Binnenvertriebene haben in der Ukraine ein Recht auf medizinische und psychologische Behandlung in staatlichen kommunalen Einrichtungen. Die medizinische Versorgung ist von der Registrierung und vom Ort der Registrierung abhängig. Dass Binnenvertriebenen oder Familien mit Kindern der Zugang zum Gesundheitssystem von vornherein verwehrt wäre, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Ukraine, Gesamtaktualisierung am 26.7.2017, letzte Information vom 9.1.2019, S. 60 ff.). Soweit es bis zur Registrierung als Binnenflüchtlinge in der Ukraine zu Verzögerungen kommen kann, kann diese Zeit beim Kläger durch Mitgabe von Medikamenten überbrückt werden. Selbst wenn die medizinische Versorgung in der Ukraine nicht der in Deutschland entspricht, ist es dies unerheblich, weil von Rechts wegen kein Anspruch darauf besteht. Sofern der Kläger die Hilfemöglichkeiten in der Ukraine in Anspruch nimmt, ist das Gericht nicht davon überzeugt, bei der Rückkehr alsbald eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintreten würde (vgl. auch BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 11 ZB 18.32621 – juris; VG Bayreuth, U.v. 25.4.2018 – B 5 K 19.31862 – juris; jeweils mit weiteren Nachweisen).
Das Gericht ist des Weiteren ebenso wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge davon überzeugt, dass dem Kläger schon allein bzw. zusammen mit seiner Frau die Sicherung des Existenzminimums in der Ukraine möglich ist. Denn gerade in der West-Ukraine, die Verfolgungssicherheit bietet, können sich erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum sichern, wenn sie durch eine eigene, notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das für ihren Lebensunterhalt Notwendige erlangen können. Dies gilt auch für Arbeiten aus dem Bereich der „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ (BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 11 ZB 18.32621 – juris).
Binnenflüchtlinge in der Ukraine erhalten Zugang zu dem zu Sozialleistungen (nur) durch die Registrierung. Auch ausländische Flüchtlinge erhalten in der Ukraine annehmbare Lebensbedingungen. Die Existenzbedingungen sind in der Ukraine im Landdurchschnitt knapp ausreichend. Es gibt darüber hinaus Rückkehr- und Integrationsprojekte (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 22.2.2019, Stand: Februar 2019, S. 13, 16, 18 f.). Die Registrierung, Versorgung und Unterbringung von Binnenflüchtlingen erfolgt in der Ukraine aufgrund eines eigenen Gesetzes. Registrierte Binnenflüchtlinge können entsprechende Unterstützung erhalten. Sie haben Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung. Sie haben ein Recht auf medizinische und psychologische Behandlung in den kommunalen medizinischen Einrichtungen am Ort der Wohnsitzmeldung. Sofern sie arbeitsfähig sind, sind Binnenflüchtlinge gehalten, sich Arbeit zu suchen. Sie bekommen übergangsweise entsprechende Beihilfen oder können Hilfe von Nichtregierungsorganisationen erhalten. Die ukrainischen Gesetze sehen vor, dass jeder Bürger am Ort des Wohnsitzes gemeldet sein muss, um dort Zugang zu sozialen Leistungen zu haben. Der Zugang zum Sozialsystem beinhaltet nach Registrierung Auszahlungen von Pensionen, Beihilfen und Kindergeld, Zugang zu Schulen, Kindergärten, medizinischer Versorgung usw. Es sind keine Fälle von Obdachlosigkeit unter Binnenflüchtlingen bekannt. Es ist nicht zu verkennen, dass die Situation gerade von auf staatliche Versorgung angewiesenen Menschen karg ist. Allerdings umfasst das ukrainische Sozialversicherungssystem eine gesetzliche Pensionsversorgung, eine Arbeitslosenversicherung und eine Arbeitsunfallversicherung. Auch Arbeitsmigranten können sich dann freiwillig an einem Pensionsfond beteiligen (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Ukraine, Gesamtaktualisierung am 26.7.2017, letzte Information vom 9.1.2019, S. 60 ff.).
Nach Überzeugung des Gerichts ist es möglich, dass sich der Kläger mit seiner Familie in der West-Ukraine als innerstaatliche Schutzmöglichkeit aufhalten kann, auch wenn die Situation von Binnenflüchtlingen aus der Ost-Ukraine in den anderen Landesteilen nicht völlig konfliktfrei und unproblematisch ist. Es gibt zahlreiche Rechtsvorschriften, die diejenigen Personengruppen definieren, die Unterstützung erhalten können. Zum einen wird materielle Unterstützung in Form von Geld, Nahrung, Kleidung, Schuhe, Brennstoff usw. gewährt, zum anderen gibt es auch soziale Dienstleistungen wie Essen, Transportdienste, Lieferung von Medikamenten. In der Regel muss der Betroffene die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe nachweisen, z.B. den Verlust des Arbeitsplatzes, einen Arbeitsunfall oder Arbeitsunfähigkeit. Darüber hinaus unterstützen verschiedene Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und andere religiöse Gemeinschaften die Binnenflüchtlinge und andere Menschen in sozialen Notlagen. Insbesondere helfen verschiedene Institutionen Obdachlosen, Migranten, Geflüchteten und Rückkehrenden mit Übergangsunterkünften, Essen, Kleidung, Matratzen, Medikamenten, Spielzeug und Hygieneartikeln. Auch die UNHCR stellt entsprechende Hilfe bereit. Auch wenn in den aktuellen Auskünften ausgeführt wird, dass es ohne zusätzliche Einkommensquellen bzw. private Netzwerke kaum möglich sein wird, ein menschenwürdiges Leben zu führen, weil auch die sozialen Leistungen noch unzureichend sind, geht das Gericht gleichwohl davon aus, dass der Kläger selbst – wie schon erwähnt – grundsätzlich arbeitsfähig ist. Darüber hinaus ist auch denkbar, dass seine Ehefrau durch Arbeit die Familie unterstützen kann. Dazu gehören auch zumutbare einfache Arbeiten (vgl. VG Schwerin, U.v. 14.12.2018 – 5 A 2238/17 As SN – juris; BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 11 ZB 18.32621 – juris; VG Bayreuth, U.v. 25.4.2018 – B 5 K 16.31862 – juris; kritisch in einem Einzelfall einer alleinstehenden kranken älteren Frau: VG Berlin, U.v. 18.6.2019 – VG 31 K 335.17 A – juris; jeweils mit weiteren Nachweisen).
Selbst wenn die Versorgungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Ukraine schlechter sein mögen als in der Bundesrepublik Deutschland, bleibt festzuhalten, dass eventuellen alsbald und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gesundheitsverschlechterungen im Rahmen des ukrainischen Gesundheitssystems begegnet werden kann und muss. Der Kläger ist gehalten, im Bedarfsfall sowohl die Möglichkeiten des ukrainischen Gesundheitssowie Sozialsystems auszuschöpfen, als auch gegebenenfalls auf private Hilfemöglichkeiten zurückzugreifen, um eventuelle Gesundheitsgefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren und ihnen die Spitze zu nehmen. Der Kläger ist bei seiner Rückkehr in die Ukraine nicht auf sich allein gestellt bzw. nicht allein und ohne Unterstützung, insbesondere ist er in Begleitung seiner Ehefrau. Möglicherweise kann er auch auf Verwandte der Ehefrau zurückgreifen.
Die Lebenssituation sowie die gesundheitliche Situation und die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung des Klägers stellen sich bei einer Rückkehr in die Ukraine nicht anders dar als wie bei zahlreichen anderen Binnenflüchtlingen in der Ukraine in vergleichbarer Lage.
Schließlich ist noch zu betonen, dass nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vorliegt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33). Für die Annahme einer solch unmittelbar eintretenden Gefahr fehlen greifbare Anhaltspunkte, wenn sich der Kläger den Möglichkeiten des ukrainischen Gesundheits- und Sozialsystems gerade auch für Binnenflüchtlinge unterwirft. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist zudem nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Zustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen.
Das Gericht verkennt nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in der Ukraine gerade für Binnenflüchtlinge, zumal für den Kläger als Ausländer, der mit einer ukrainischen Staatsangehörigen verheiratet ist. Gleichwohl ist eine Rückkehr in die Ruine zumutbar. In dem Zusammenhang wird am Rande angemerkt, dass Ausländer, die sich außerhalb der Ukraine aufhalten und mit einer ukrainischen Staatsangehörigen verheiratet sind, ein Visum beantragen und einen Aufenthaltstitel erhalten können, sofern kein gesetzlicher Ausschlusstatbestand vorliegt (vgl. Auswärtiges Amt, Auskünfte an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 28.11.2018 und 14.8.2018).
Auch einer Rückkehr nach Tunesien stehen keine rechtlichen Abschiebungshindernisse entgegen. Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Gesundheitswesens) hat in Tunesien das für ein Schwellenland übliche Niveau. Eine weitreichende Versorgung ist in den Ballungsräumen gewährleistet. Auch die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich. In den meisten Fällen sind Medikamente problemlos erhältlich. Auch die Grundversorgung gilt in Tunesien als gut. Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienversicherung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner als auch Kindern und Eltern der Versicherten. Darüber hinaus gibt es Rückkehr- und Integrationsprojekte für deine Wiedereingliederung von Rückkehrern, die unter anderem auch Sozialhilfe, Berufsvermittlung, Existenzgründung usw. vorsehen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien vom 2.3.2019, Stand: Januar 2019, S. 17 f.). Nach der Auskunftslage ist die Behandlung der psychischen Erkrankungen des Klägers in Tunesien möglich (vgl. auch SächsOVG, B.v. 21.9.2018 – 5 A 88/18.A – juris; VG München, U.v. 8.6.2018 – M 26 K 18.31154- juris).
Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen – in dem schon ausführliche dargelegt ist, dass das Existenzminimum des Klägers bei einer Rückkehr gesichert ist und Grundversorgung sowie die medizinische Versorgung in Tunesien gewährleistet sind (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tunesien vom 2.3.2019, Stand: Januar 2019, S. 17 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Tunesien vom 21.7.2017, S. 20 ff.) – und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der Kläger ist noch jung und – und wie bereits ausgeführt – erwerbsfähig; ihm ist zuzumuten zur Sicherung seines Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt – für sich und seine Ehefrau – durch Erwerbstätigkeit zu verdienen und gegebenenfalls auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Tunesien noch lebenden Großfamilie oder sonstige auch schon im streitgegenständlichen Bescheid erwähnte Hilfemöglichkeiten zurückzugreifen. Insofern ist die Lage nicht anders als bei zahlreichen Landsleuten in vergleichbarer Lage (ebenso VG Saarland, U.v. 19.11.2018 – 3 K 845/18 – juris; VG München, U.v. 8.6.2018 – M 26 K 18.31154 – juris; U.v. 28.8.2017 – M 26 K 16.30745 – juris; VG Berlin, B.v. 27.4.2018 – 34 L 1592.17 A – juris; VG Dresden, U.v. 30.10.2017 – 12 K 2107/16.A – Milo; VG Greifswald, U.v. 10.10.2017 – 4 A 1893/17 As HGW – juris; VG Chemnitz, U.v. 3.8.2017 – 4 K 1393/15 A – juris).
Im Prinzip gelten die gleichen Erwägungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG wie in Bezug auf die Ukraine, sodass auf die betreffenden vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann.
Die Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Ausländerbehörde zuständig ist, eventuelle inlandsbezogene Abschiebungshindernisse – wie etwa familiäre Aspekte oder wie die Reise- und Transportfähigkeit – zu prüfen (§ 60a Abs. 2 AufenthG). Gleichermaßen darf die Ausländerbehörde gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise mit anderen Familienangehörigen zu ermöglichen.
Derartige inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind ausländerrechtlich gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen und nicht im Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Klägers zu seiner Ehefrau (oder seinen Kindern), etwa, dass diese wegen der Probleme mit der Familie des Klägers nicht nach Tunesien wolle, irrelevant, weil dieses Vorbringen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse des Klägers beinhaltet und daher im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist.
Abgesehen davon hat das Gericht nach der aktuellen Auskunftslage auch vor dem Hintergrund der vom Kläger erwähnten Übergriffe, Anfeindungen und Beschimpfungen gegen seine Frau keine Bedenken gegen eine Rückkehr des Klägers und seiner Ehefrau nach Tunesien. Gegebenenfalls müssten sie um polizeiliche Hilfe nachsuchen. Des Weiteren ist ihnen erforderlichenfalls zuzumuten, andere Landesteile bzw. Städte aufzusuchen, sodass eine inländische Aufenthaltsalternative besteht.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.