Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei innerstaatlicher Fluchtalternative im Süden Malis

Aktenzeichen  Au 5 K 16.32082

Datum:
6.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 11 Abs. 1
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1. Der klägerische Vortrag, Mali verlassen zu haben, nachdem die Rebellen aus dem von ihm vermuteten Grund des Alkoholverkaufs seinen Laden zerstört hätten, genügt nicht den Anforderungen an die Geltendmachung einer politischen Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale iSd § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, ist der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion im Norden Malis befürchtet, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im bürgerkriegsfreien Süden Malis zu verweisen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 6. Oktober 2016 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt: 12
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26a AsylG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (BVerwG, U.v. 7.11.1995, InfAuslR 1996, 152). Auf den genauen Reiseweg kommt es dabei nicht mehr an.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden. Eine politische Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale hat der Kläger nicht einmal geltend gemacht. Er hat vielmehr vorgetragen, dass er Mali verlassen habe, nachdem die Rebellen im April 2012 seinen Laden zerstört hätten. Er vermute, sie hätten dies gemacht, weil er Alkohol verkauft habe. Damit trägt der Kläger jedoch nicht einmal selbst vor, dass er wegen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale verfolgt worden sei oder bei einer Rückkehr verfolgt werde. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt vor diesem Hintergrund offensichtlich nicht in Betracht.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylG liegen offensichtlich nicht vor. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, ist der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion befürchtet, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass er im Süden Malis keine sichere Zuflucht finden könnte. Die Bedrohungen des Klägers durch die Rebellen und die Zerstörung seines Ladens fanden in * im Norden Malis statt. Sie liegen im Übrigen bereits nahezu fünf Jahre zurück. Das Gericht hält es deshalb für ausgeschlossen, dass der Kläger nach diesem Zeitraum im Süden des Landes von den Rebellen noch gezielt gesucht werde, zumal die behaupteten Übergriffe der Rebellen auf ihn im Zuge der allgemeinen Kampfhandlungen im Norden Malis stattfanden und es sich insoweit nicht um ein exponiertes Einzelereignis handelte. Der Kläger selbst bestätigte hierzu bei seiner informatorischen Befragung durch das Gericht, dass alle Geschäfte in seinem Heimatort, die Alkohol verkauft hätten, zerstört worden seien. Im Übrigen sind auch die Eltern des Klägers bereits seit einigen Jahren ebenfalls in die Hauptstadt Bamako im Süden gezogen, um den kriegerischen Auseinandersetzungen im Norden auszuweichen.
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender, gesunder Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Er hat dies bereits vor seiner Ausreise geschafft und, gemeinsam mit seinem Bruder, ein eigenes Geschäft geführt. Selbst in Algerien und Libyen konnte er seinen Lebensunterhalt zwei Jahre lang sicherstellen und darüber hinaus die Kosten für die Ausreise aufbringen. Die Eltern des Klägers leben noch in, er hat dort auch, wie er in der mündlichen Verhandlung vortrug, einen Bekannten, über den er Kontakt mit den Eltern hält. Dies bedeutet, dass der Kläger in * jedenfalls soziale Anknüpfungspunkte hat. Es ist deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er vertraut ist, seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht. Obwohl die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht ist (Auswärtiges Amt, Mali: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stand: April 2016), geht das Gericht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen.
6. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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