Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für Yeziden aus dem Irak

Aktenzeichen  Au 5 K 17.30512

Datum:
3.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 3b, § 3e

 

Leitsatz

In den kurdischen Autonomiegebieten des Nordirak besteht trotz weiterhin angespannter Sicherheitslage auch für Yeziden keine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2017 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist, soweit er mit der Klage angegriffen wurde, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.
1.1 Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG.
Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehend vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannte Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Auch bei Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers, fehlt es an der Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal im Sinne von § 3 Abs. 1, § 3b AsylG. Selbst wenn man das Vorbringen des Klägers gegenüber dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2017 für glaubhaft erachtet, wovon das Gericht zugunsten des Klägers ausgeht, fehlt es jedenfalls an der Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal im Sinne von § 3 Abs. 1, 3b AsylG. Der Kläger hat bei seinem Vortrag gegenüber dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf die allgemeine Situation und hier insbesondere im Bereich der Großstadt Mosul verwiesen. Eine irgendwie geartete persönliche Betroffenheit hat der Kläger hingegen nicht geltend gemacht. Soweit er auf die Schwierigkeiten seines Vaters mit Firmen aus dem früheren Fliesengroßhandel verweist, handelt es sich, wie von der Beklagten zutreffend vermerkt wurde, um eine private Rechtsstreitigkeit, die keinen Bezug zu den flüchtlingsrelevanten Merkmalen des § 3 AsylG aufweist. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass, soweit ersichtlich, sich der Vater des Klägers ungeachtet der vorgetragenen Schwierigkeiten nach wie vor im Irak aufhält. Soweit ersichtlich ist die Familie des Klägers inzwischen auch in die Stadt … in der Nähe der autonomen kurdischen Region umgesiedelt.
Auch ist für das Gericht nicht ersichtlich, wieso es für den Kläger und dessen Vater ausgeschlossen sein sollte, internen Schutz im Sinne von § 3e AsylG in einer anderen Provinz der Kurdischen Autonomiegebiete zu finden.
Der Kläger ist auch aufgrund seiner yezidischen Religionszugehörigkeit keiner Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG ausgesetzt. Die Kurdischen Autonomiegebiete Dohuk, Erbil, Sulaymania sind von den Kämpfen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen, wenn auch die Sicherheitslage dort weiterhin angespannt ist. Der Kläger kann sich daher nicht auf eine Verfolgung durch nichtstaatliche Dritte berufen. Zwar besteht in weiten Teilen des Iraks seit Mitte 2014 eine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Gestalt des IS, jedoch sind nach den Erkenntnissen des Gerichts und des Auswärtigen Amtes (vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18.2.2016; Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien vom 7.9.2015) die Kurdischen Autonomiegebiete davon nicht betroffen. Vielmehr leben dort in großer Anzahl Flüchtlinge, die vor den Umtrieben des IS geflohen sind. Dies hat zur Folge, dass der Kläger und seine im Irak verbliebene Familie jedenfalls in den Autonomiegebieten Zuflucht finden können. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ist prognostisch auch in Zukunft mit einer politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure dort nicht zu rechnen. Nach der Rückeroberung der Großstadt Ramadi aus den Händen der IS-Miliz durch irakische Militär und einer Verminderung der tschihadistischen Kämpfer im Irak besteht derzeit keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit in den Autonomiegebieten, die von der kurdischen Regionalregierung beherrscht werden (vgl. zur Situation von Yeziden in den Kurdischen Autonomiegebieten auch BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 13a ZB 16.30689 – juris Rn. 3 f.).
2. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren Unterlegener hat der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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