Verwaltungsrecht

Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung nach behördlicher Maßnahme wegen der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  33 O 1061/20

Datum:
1.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 3247
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 6, § 7
BGB § 307 Abs. 1 S. 2
AVB Betriebsschließungsversicherung

 

Leitsatz

Verspricht der Versicherer einer Betriebsschließungsversicherung in seinen AVB Leistungen für den Fall, dass “die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt” und enthalten die AVB nach der Beschreibung des Versicherungsfalles als “behördliche Anordnung der Schließung” unter einer gesonderten Überschrift eine Definition dahin, dass meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger “die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger” sind, handelt es sich hierbei um eine erschöpfende Aufzählung, so dass kein Versicherungsschutz für eine Betriebsschließung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besteht, wenn weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 in der Aufzählung benannt sind. Eine derartige Regelung begegnet keinen Transparenzbedenken. (Rn. 20 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 197.400,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das Landgericht Regensburg zuständiges Gericht. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG i.V.m. §§ 1, 4 Abs. 1 ZPO, da der Wert des Streitgegenstandes 5.000,00 Euro übersteigt. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 215 Abs. 1 S. 1 VVG, welcher nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch auf juristische Personen anwendbar ist (BGH, Urteil v. 08.11.2017 – IV ZR 551/15).
2. Die Klage ist unbegründet.
a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Versicherungsleistungen aus der zwischen den Parteien bestehenden Betriebsschließungsversicherung.
Nach § 1 Abs. 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Betriebsschließung infolge meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger (im Folgenden: „BS 311/05) besteht Versicherungsschutz „für die folgenden im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserregern“. Das Corona-Virus findet in der sodann folgenden Liste der namentlich genannten, versicherten Krankheiten und Krankheitserreger unstreitig keine Erwähnung.
Der Ansicht der Klagepartei, wonach sich bereits aus dem Wortlaut der vorgenannten Klausel ergebe, dass sich die Verweisung hinsichtlich der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger auf die in den §§ 6,7 IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger beziehe, kann nicht gefolgt werden.
Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interesse an (BGH, Urteil v. 23.06.1993 – IV ZR 135/92; BGH, Urteil v. 16.06.1982 – IV a ZR 270/80).
Gemessen hieran kann der verständige Versicherungsnehmer die unter § 1 Abs. 3 BS 311/05 genannten Krankheiten und Krankheitserreger nur als erschöpfende Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger verstehen. Durch den gewählten Wortlaut „sind die folgenden […] namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ wird deutlich, dass „namentlich“ vorliegend im Sinne von „mit Namen genannt“ gebraucht wird. Die Verwendung des Begriffs „folgenden“ verdeutlicht sodann den abschließenden Charakter der nachfolgenden Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern. Durch die Nennung von nur bestimmten, mit Namen genannten Krankheiten und Krankheitserregern muss sich dem verständigen Versicherungsnehmer auch aufdrängen, dass die diese Aufzählung nicht deckungsgleich mit allen im IfSG genannten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern sein kann. Wollte der Versicherer den Versicherungsschutz auf alle im IfSG bezeichneten Krankheiten und Krankheitserreger erstrecken, bedurfte es der Nennung einer Auswahl von bestimmten meldepflichtigen Krankheiten nicht, eine Aufzählung wäre gar überflüssig. Dies gilt umso mehr, als der Versicherer, wollte man die Klausel als deckungsgleich mit allen im IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserregern verstehen, gehalten wäre, Versicherungsschutz für künftige Krankheiten und Krankheitserreger zu bieten, die ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bekannt sind. Ein solches – wie die derzeitige Lage anschaulich verdeutlicht – nicht abschätzbares Risiko wird der Versicherer kaum eingehen.
Im Ergebnis kann die Klausel des § 1 Abs. 3 BS 311/05 nur so ausgelegt werden, dass lediglich die abschließend aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sein sollten und die Verweisung auf die namentlich genannten Krankheiten im Sinne der §§ 6, 7 IfSG schlichtweg erklärend zum Umfang der in den Bedingungen aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger erfolgte. Es besteht hinsichtlich der klaren und umfassenden Auflistung der „folgenden“ Krankheiten und Krankheitserreger auch keine Veranlassung des Versicherungsnehmers, die gesetzliche Vorlage des Infektionsschutzgesetzes zum Vergleich heranzuziehen, sodass auch der Einwand einer etwaigen Intransparenz der Klausel nicht verfängt.
b) In Ermangelung einer berechtigten Hauptforderung steht der Klägerin auch kein Verzinsungsanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog seit dem 16.07.2020 zur Seite.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Streitwertes erfolgte auf Grundlage des § 3 ZPO.


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