Aktenzeichen AN 4 K 16.30369
Leitsatz
Die Entführung eines Kindes sunnitischer Religionszugehörigkeit durch Mitglieder der schiitischen Miliz Asaab Al Haq im Irak begründet keine Verfolgung, wenn es den Milizionären nur um eine Finanzierung ihrer Aktivitäten gegangen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (1.), auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG (2.) und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG (3.) haben. Auch die in Ziffer 5) und 6) getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (4.). Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 21. März 2016 ist daher rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Die in Ziffer 2) des angefochtenen Bescheides erfolgte Ablehnung der Anerkennung als Asylberechtigte im Sinne von Art. 16a GG durch Ziffer 2) des Bescheides vom 21. März 2016 ist nicht Gegenstand der vorliegenden Klage. Denn gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am
21. September 2016 gestellten Klageantrag ist dieser allein auf die Aufhebung der Ziffer 1) sowie der Ziffern 3) bis 6) des ablehnenden Bescheids vom 21. März 2016 und auf die – insoweit – positive Verbescheidung gerichtet.
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils – unter Vorbehalt des nachfolgend Ausgeführten – vorab Bezug auf den ausführlichen und im Wesentlichen zutreffend begründeten streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird, auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung am 21. September 2016, noch bemerkt:
1.
Die Kläger sind keine Flüchtlinge im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.
Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung
oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Die Kläger haben zwar die Entführung ihres Sohnes und die ihm dabei zugefügte Handverletzung nach Auffassung des Gerichts hinreichend glaubhaft gemacht, so dass dieser Sachverhalt für sich genommen vom Gericht nicht in Zweifel gezogen wird.
Unklar bleibt jedoch, wer die Entführung tatsächlich begangen haben soll. Der Kläger zu 1) ist zwar davon überzeugt, dass es sich um Mitglieder der schiitischen Miliz Asaab Al Haq gehandelt habe. Allerdings schöpft der Kläger seine Überzeugung lediglich aus dem Vorbringen, dass diese Miliz in seinem Wohngebiet als einzige Miliz aktiv sei und den Stadtteil unter ihrer Kontrolle habe. Es handelt sich daher nur um eine Vermutung, die jedoch im Widerspruch zum Vortrag des Klägers zu 1) gegenüber dem Bundesamt steht. Im Rahmen seiner Anhörung hatte der Kläger zu 1) geäußert, die gegenüber seinem Wohnhaus befindliche Station sei eine Anmeldestelle von Hashed Al Shaabi.
Die Entführung des Klägers zu 4) als solche wurde zwar hinreichend glaubhaft gemacht, sie stellt jedoch keine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG dar, weil es an einer Verknüpfung der Tat mit einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten und in § 3b AsylG präzisierten Verfolgungsgründe fehlt.
So haben der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) schon im Rahmen der Anhörung gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass die Entführer Lösegeld in Höhe von 30.000 Dollar verlangt hätten. Nach Zahlung des geforderten Betrages sei ihr Sohn freigelassen worden. Diesen Vortrag haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt und auf Nachfrage des Gerichts übereinstimmend klargestellt, dass keine politischen Forderungen mit der Entführung einhergegangen seien. Den Milizionären sei es nur um eine Finanzierung ihrer Aktivitäten gegangen.
Das Bundesamt hat daher zu Recht angenommen, dass es sich bei der Entführung um gewöhnliche, nicht in Anknüpfung an ein verfahrenserhebliches Merkmal des § 3 Abs. 1 AsylG ausgeübte Kriminalität handelt. Dies gilt im Übrigen auch, wenn die Entführung tatsächlich durch Mitglieder der Asaab Al Haq begangen worden sein sollte, wovon der Kläger zu 1) überzeugt ist.
Dass die Kläger im gesamten Gebiet des Irak in Anknüpfung an ihre sunnitische Religionszugehörigkeit verfahrensrelevante Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten hätte, wird im Rahmen der vorliegenden Klage nicht geltend gemacht und ist angesichts der Schilderungen des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016, auf den sich das Gericht bezieht, nicht zu erwarten.
2.
Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da die Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen haben und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
3.
Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
4.
Die in Ziffer 5 des Bescheids vom 21. März 2016 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klagen sind daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.