Verwaltungsrecht

Mangelnde Glaubhaftmachung

Aktenzeichen  M 5 S 16.30524

Datum:
15.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36

 

Leitsatz

Hat ein Antragsteller bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Religionszugehörigkeit in den entsprechenden Formblättern mit „Muslim“ bzw. „Islam“ angegeben und diese Formulare eigenhändig unterschrieben und beruft sich im gerichtlichen Verfahren – als Kern seines Verfolgungsschicksals – auf seine christliche Religionszugehörigkeit, ist sein Vortrag widersprüchlich und unglaubhaft. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger vom Volk der Sarahule. Er reiste nach eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 5. August 2014 Asylantrag. Dabei gab er als Religionszugehörigkeit Islam an.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab die Antragsteller an, dass er immer wieder in eine christliche Kirche gegangen sei. Er habe sich schließlich dem Christentum zugewandt. Darauf sei er von seiner Familie verstoßen und mit dem Tod bedroht worden. Er habe Angst, dass ihn seine Familie überall finden werde.
Mit Bescheid vom 8. März 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragstellerpartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung in den Senegal oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 10 bzw. 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass der Vortrag unglaubhaft sei, da der Ausländer bei der Asylantragstellung seine Religionszugehörigkeit mit Islam angegeben habe. Im Übrigen sei der senegalesische Staat grundsätzlich schutzbereit und -fähig. Er hätte auch in andere Teile des Senegal ausweichen können, wo er vor seiner Familie sicher sei. Der Bescheid wurde am 11. März 2016 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerpartei am 15. März 2016 Klage und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
a) Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet bereits deswegen aus, weil die Antragstellerpartei auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG).
Aber auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragstellerpartei nicht erkennbar. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der Vortrag des Klägers ist hinsichtlich seines zentralen Punktes, der Religionszugehörigkeit, widersprüchlich und damit unglaubhaft. Wenn er tatsächlich wegen der Bedrohungen durch seine Familie nach Hinwendung zum Christentum ausgereist sein will, dann hätte er diese Religionszugehörigkeit – die den Kern seines Verfolgungsschicksals bildet – vortragen müssen; tatsächlich wurde von ihm hierzu „Islam“ angegeben. Soweit der Antragsteller angibt, dass es hierbei zu einem Fehler gekommen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die Religionszugehörigkeit auf einem handschriftlich ausgefüllten und von ihm unterschriebenen Formblatt vom 21. Juli 2014 (Bl. 30 der Bundesamtsakte) mit „muslim“ angegeben wurde. Ebenso ist in dem maschinenschriftlich ausgedruckten Formblatt „Niederschrift zu einem Asylantrag“ vom 5. August 2014 als Religion „Islam“ angegeben. Auch dieses Formblatt wurde vom Antragsteller unterschrieben. Die Angabe, dass das ein Fehler sei, überzeugt nicht, da die Religionszugehörigkeit zwei Mal mit Unterschrift mit „muslim“ bzw. „Islam“ abgegeben wurde. Hinzu kommt, dass der Ausländer keinerlei Taufzeremonie oder Aufnahme in eine christliche Glaubensgemeinschaft geschildert hat.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Bedrohungen durch seine Familie keine asylrechtlich relevanten Maßnahmen darstellen. Dem Lagebericht des Auswärtigem Amtes zu Senegal (21.11.2015) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der senegalesische Staat grundsätzlich nicht schutzbereit und -fähig wäre. Hinzu kommt, dass allein durch den Zeitablauf die Bedrohungslage wohl nicht mehr besteht. Außerdem kann der Antragsteller in einen anderen Teil des Senegal ausweichen, in dem ihm keine Nachstellungen der Familie drohen.
Hinsichtlich des Konfliktes in der Casamance sind seit 2014 internationale Vermittlungen zur Befriedung angestoßen worden. Seit Ende 2012 ist es zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen. Im Übrigen besteht eine inländische Fluchtalternative insbesondere im nördlichen Teil Senegals (Lagebericht a. a. O.).
b) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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