Verwaltungsrecht

Missbilligung, Pflichtverstoß, Lehrer auf Schulgelände, Kein Einschreiten gegen Zigarettenrauchen, Ermessensausübung

Aktenzeichen  M 5 K 19.2142

Datum:
29.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 9756
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 7 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Missbilligung vom … November 2018 sowie der Widerspruchsbescheid vom … April 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Die streitgegenständliche schriftliche Missbilligung stellt eine qualifizierte Missbilligung dar, die als Verwaltungsakt im Sinn des Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes/BayVwVfG zu qualifizieren ist (NdsOVG, U.v. 22.1.2013 – 5 LB 227/11 – NVwZ-RR 2013, 652, juris Rn. 48; VG München, U.v. 27.5.2014 – M 5 K 13.4304 – juris Rn. 14 f., BayVBl 2014, 763).
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine qualifizierte Missbilligung. Denn diese Maßnahme macht dem Beamten ausdrücklich den Vorwurf einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung, also eines Dienstvergehens (NdsOVG, a.a.O., Rn. 47; Czermak, BayVBl 1989, 193/194: großzügige Auslegung hinsichtlich eines schuldhaften dienstpflichtwidrigen Verhaltens). Die Verfügung vom … November 2018 setzt sich ausführlich mit der aus Sicht des Dienstherrn nicht unerheblichen Pflichtverletzung auseinander. Diese bestand darin, dass der Kläger nicht gegen den Nikotinkonsum eines minderjährigen ehemaligen Schülers auf dem Schulgelände eingeschritten ist. Die Schwere des Vorwurfs wird im Widerspruchsbescheid vom … April 2019 (S. 2 f.) auch hinsichtlich der Art der gewählten Maßnahme unterstrichen.
2. Die Klage ist unbegründet. Es sind keine Rechtsfehler der angegriffenen Missbilligung ersichtlich.
a) Ein Beamter muss eine rechtmäßige missbilligende Äußerung infolge der ihm aufgrund des Beamtenverhältnisses obliegenden Treue- und Folgepflicht (Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG, § 34 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern – Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) hinnehmen.
Eine missbilligende Äußerung kann nur ausgesprochen werden, wenn objektiv ein Anlass bestanden hat, sich missbilligend über den Beamten zu äußern. Dann steht der Erlass einer Missbilligung im Ermessen des Dienstvorgesetzten. Die Entscheidung kann gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden, nämlich dahin, ob der gesetzliche Rahmen verkannt, ob ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden. Dabei ist auch zu prüfen, ob die ausgesprochene missbilligende Äußerung in einem angemessenen Verhältnis zum Anlass steht (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 22.9.2015 – M 5 K 15.1047 – juris Rn. 19 f.; VG Ansbach, U.v. 11.11.2014 – AN 1 K 13.2125 – juris Rn. 57 ff. m.w.N.).
b) Der Dienstherr ist nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom … April 2019 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Es ist zunächst klarzustellen, dass in der streitgegenständlichen Missbilligung ausdrücklich nur die Duldung des Rauchens durch einen ehemaligen Schüler sanktioniert wird, nicht der wohl ebenso stattgefundene Alkoholkonsum. Ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger – wie sich aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern ergibt, die die Wahrnehmungen des Schulleiters unterstreichen – unmittelbar neben dem rauchenden ehemaligen Schüler stand (sich zu diesem sogar hinuntergebeugt hat, mit diesem wohl gesprochen hat) und daher das Rauchen bemerkt haben muss. Eine Herabsetzung der Wahrnehmungsfähigkeit aufgrund einer vom Kläger angegebenen besondere Belastungssituation an diesem Tag kann nicht dazu führen, dass das Rauchen einer Zigarette in unmittelbarer Nähe, direkt neben dem Kläger, nicht bemerkt werden kann. Da es sich bei der rauchenden Person um den früheren stellvertretenden Schülersprecher gehandelt hat, den der Kläger wohl selbst in der 10. Jahrgangsstufe unterrichtet hat, musste das Alter dieser Person dem Kläger ohne weiteres erkennbar sein. Wenn diese personenscharfe Identifizierung dem Schulleiter bei seinen Beobachtungen aus dem Fenster möglich ist, gilt das erst recht für den Kläger. Im Übrigen gilt ein Rauchverbot unabhängig vom Alter nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz/GSG) auf dem Gelände von Schulen. Ein Rauchverbot wird auch in § 9a der Dienstordnung für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern (Lehrerdienstordnung/LDO) ausdrücklich angeordnet. Es war auch für den Kläger als Lehrkraft der Realschule ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei dem Ort des Zusammentreffens um Schulgelände gehandelt hat. Denn die Örtlichkeit befindet sich nur wenige Meter neben einem Seiteneingang der Realschule und bildet die Verbindung zu Mehrzweckhalle, Hallenbad und Mittelschule. Dieser Bereich ist daher ohne weiteres auch für den Kläger als Lehrkraft, die dort seit mehreren Jahren unterrichtet hat, erkennbar dem Umgriff um die Schule zuzuordnen. Dass es sich hierbei wohl um einen öffentlichen Weg handelt, steht dem nicht entgegen. Schließlich war – wie der Schulleiter bekräftigt hat – zu keiner Zeit das Rauchen dort ausdrücklich genehmigt oder geduldet, insbesondere nicht bei dem informellen Treffen nach dem Fußballspiel.
c) Im Widerspruchsbescheid vom … April 2019 sind auch hinreichende Ermessenserwägungen angestellt, warum eine qualifizierte Missbilligung ausgesprochen wurde.
Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG nennt als missbilligende Äußerungen explizit Zurechtweisungen, Ermahnungen oder Rügen, die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden. Diese Aufzählung ist nach überwiegender Auffassung beispielhaft zu verstehen: So werden als weitere dienstrechtliche Reaktionsmöglichkeiten etwa tadelnde Hinweise, kritische Äußerungen, Belehrungen, Vorhalte, Warnungen, ernste Missfallensbekundungen sowie dringliche Ersuchen genannt (VG München, U.v. 22.9.2015 – M 5 K 15.1047 – juris Rn. 23; vgl. allgemein auch Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: November 2021, Art. 7 BayDG Rn. 8 ff.). Damit bestanden neben der vom Beklagten gewählten schärfsten Form der missbilligenden Äußerung, der qualifizierten Missbilligung, diverse weitere, sämtlich mildere Reaktionsmöglichkeiten.
Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid angegeben, dass er den Vorfall als so schwerwiegend angesehen hat, dass mit einer qualifizierten Missbilligung Kritik in deutlicher Form zum Ausdruck gebracht werden sollte. Durch diese Maßnahme soll auf die zukünftige Beachtung des strikten Rauchverbots auf dem Schulgelände gedrungen werden. Es ist sachlich gerechtfertigt und stellt keinen Rechtsfehler dar (§ 114 Satz 1 VwGO), wenn der Dienstherr im Rahmen der Ermessensausübung darlegt, dass er auf die Einhaltung dieses Rauchverbots auf dem Schulgelände, insbesondere mit Blick auf die Vorbildfunktion eines Lehrers wie auch des Erscheinungsbildes der Schule nach außen, da die Örtlichkeit ohne weiteres von außen frei einsehbar war, großen Wert legt und daher kein milderes Mittel gewählt hat (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.11.2014 – AN 1 K 13.2125 – juris Rn. 61 ff; VG München, U.v. 27.5.2014 – M 5 K 13.4304 – juris Rn. 17 f., BayVBl 2014, 763). Es kann auch kein Rechtsfehler darin gesehen werden, dass anderen Lehrern keine Missbilligung erteilt wurde. Zum einen ist auf den in den Akten vorhandenen Lichtbildern keine andere Lehrkraft in unmittelbarer Nähe der rauchenden Person zu sehen. Zudem handelt es sich beim Kläger um die für die Organisation des Sport- und Spieletages verantwortliche Lehrkraft, weshalb diesem eine besondere Verantwortung für die Einhaltung der allgemein geltenden Regeln und Dienstpflichten zukommt. Damit korrespondiert auch eine entsprechende Ahndung von Pflichtverstößen durch den Dienstherrn. Schließlich ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Dienstherr hierbei auch die fehlende Einsicht des Klägers in die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens im Widerspruchsbescheid im Rahmen der Ermessenserwägungen anführt.
Diese Ermessenserwägungen wurden im Widerspruchsbescheid vom … April 2019 noch bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens angestellt.
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.


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