Verwaltungsrecht

Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Asylverfahren

Aktenzeichen  W 6 S 15.30851

Datum:
8.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 52 Nr. 2, § 83

 

Leitsatz

Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz richtet sich allein nach der Wirksamkeit der Aufenthaltsbestimmung und dem verpflichtend zugewiesenen Aufenthaltsort. Unerheblich ist, ob der Bescheid noch nicht rechtskräftig oder gar rechtswidrig ist, soweit keine Nichtigkeit vorliegt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg ist örtlich unzuständig.
II.
Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen.

Gründe

Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg ist örtlich unzuständig. Der Rechtsstreit ist nach erfolgter Anhörung der Beteiligten von Amts wegen gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth zu verweisen.
Denn die örtliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth resultiert aus § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 AGVwGO, wonach in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat. Im Zeitpunkt der Antragstellung am 28. Dezember 2015 betreffend den Asylbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Dezember 2015 hatten die Antragsteller ihren Aufenthalt nach dem kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zuweisungsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 1. Dezember 2015 ab dem 3. Dezember 2015 im Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth, konkret Ankunfts- und Rückführungseinrichtung II Bayern (ARE II), Erlenweg 4, 96047 Bamberg, zu nehmen. Die örtliche Zuständigkeit im Sofortverfahren folgt gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO der Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache.
Für die Bestimmung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts spielt keine Rolle, dass der Zuweisungsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 1. Dezember 2015 mit der Aufenthaltsbestimmung für Bamberg noch nicht rechtskräftig ist. Auch die Rechtmäßigkeit des Zuweisungsbescheides ist unerheblich, solange er nicht nichtig ist. Genauso wenig ist der tatsächliche Aufenthaltsort bzw. Wohnsitz des Betreffenden sowie der Aufenthaltsort, den der Betreffende sich wünscht, maßgeblich. Es kommt allein auf die hier gegebene Wirksamkeit der Aufenthaltsbestimmung und den mit sofort vollziehbarer Wirkung verpflichtend zugewiesenen Aufenthaltsort an. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, B.v. 28.7.1997 – 9 AV 3/97 – juris) hat ausdrücklich entschieden, dass auf den betreffenden Zuweisungsbescheid abzustellen ist, solange dieser nicht widerrufen oder zurückgenommen ist. Eine materielle Prüfung der Aufenthaltsentscheidung bereits bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts widerspricht zudem dem Bedürfnis nach einer schnellen und sicheren Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts. § 52 Nr. 2 Satz 3 1. Halbsatz VwGO knüpft ausdrücklich daran an, wo der Ausländer auf der Basis der zuletzt durch die Ausländerbehörde getroffene Entscheidung nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat (VG Hamburg, B.v. 4.6.2010 – 19 E 1074/10 – juris). Denn bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts kann es – wie auch sonst in Asylverfahren, die sich auf das eigentliche Asylbegehren und nicht auf die Aufenthaltsbestimmung beziehen – nicht davon abhängen, ob die zugrunde liegende Zuweisungsentscheidung rechtskräftig ist oder nicht. Andernfalls könne der betreffende Ausländer allein durch eine Anfechtung der Zuweisungsentscheidung und die beliebige Wahl eines anderen Aufenthaltsortes bzw. Wohnsitzes vor Klageerhebung die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts beeinflussen.
Der Zuweisungsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 1. Dezember 2015 ist wirksam und kraft Gesetzes sofort vollziehbar (vgl. § 75 Abs. 1 AsylG). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Antragsteller im Verfahren W 6 S 15.30827 mit ihrem Sofortantrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (W 6 K 15.30844) gegen den Zuweisungsbescheid vom 1. Dezember 2015, der nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, begehren. Über diesen Antrag war bei Eingang des Antrags im streitgegenständlichen Verfahren noch nicht entschieden. Des Weiteren ist unschädlich, dass die Regierung von Oberfranken mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 ausdrücklich zugesichert hat, zunächst von Vollzugs- und Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen. Denn diese Zusicherung bezieht sich nicht auf die uneingeschränkt weiter geltende Zuweisung nach Bamberg (Oberfranken) in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheides der Regierung von Oberfranken vom 1. Dezember 2015, sondern auf dessen Nr. 3 betreffend die zwangsweise Vollstreckung durch die Behörde.
Die teilweise vertretene Gegenmeinung, die an eine vorhergehende bestandskräftige Aufenthaltsbestimmung anknüpft, betrifft – soweit ersichtlich – nur Fallgestaltungen, in denen der Bescheid über die Aufenthaltsbestimmung anders als hier selbst Gegenstand des Streitverfahrens ist (vgl. etwa Berstermann in Beck´sche Online-Kommentar VwGO, Herausgeber Poser/Wolff, 35. Edition Stand 1.4.2015, § 52 Rn. 9; VG Berlin, U.v. 4.7.2014 – 10 K 289.13 – juris. Ebenso: VG Bayreuth, B.v. 21.12.2015 – B 3 K 15.950; B.v 11.12.2015 – B 3 S 15.949). Jedoch sprechen auch in dieser Konstellation die oben genannte gewichtigen Gründe dafür, allein auf die Wirksamkeit und Vollziehbarkeit der letzten Aufenthaltsbestimmung abzustellen (so VG München, B.v. 27.8.2014 – M 24 K 14.1252 – juris; VG Berlin, B.v. 20.3.2014 – 19 N 72.14 – juris; VG Hamburg, B.v 4.6.2010 – 19 E 1074/10 – juris; BVerwG, B.v. 28.7.1997 – 9 AV 3/97 – juris). Diese Frage kann vorliegend mangels Entscheidungsrelevanz indes offen bleiben.
Nach dem in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG statuierten Grundsatz der perpetuatio fori haben Änderungen ab Rechtshängigkeit keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Gerichts.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17b Abs. 2 GVG der Endentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vorbehalten.


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