Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründete Asylklage wegen internen Schutzes in Nigeria

Aktenzeichen  M 21 K 17.42249

Datum:
21.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24945
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e Abs. 1, § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Gefahren durch Boko Haram und den Biafra-Konflikt können in den meisten Fällen durch einen Umzug in einen anderen Landesteil Nigerias vermieden werden. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zwar zulässig, aber insgesamt offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris Rn. 21) und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Das nicht asylrelevante Vorbringen ist in wesentlichen Punkten unsubstantiiert, entspricht teils offenkundig nicht den Tatsachen und ist damit insgesamt unglaubhaft. So hat sich der Kläger auch unglaubwürdig gemacht. Zudem muss er sich hinreichend gesichert auf internen Schutz verweisen lassen. Es wäre somit bereits Sache des Bundesamts gewesen, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Im Einzelnen:
Im Kern hat der Kläger, der nach seinen eigenen Angaben auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 GG), Gefahren durch seinen Onkel, Boko Haram und den Biafra-Konflikt geltend gemacht.
Dieses Vorbringen ist nicht asylrelevant, weil es keinen Bezug zu einem asylerheblichen Merkmal des Klägers hat.
Das Vorbringen ist zudem in wesentlichen Punkten unsubstantiiert, entspricht teils offenkundig nicht den Tatsachen und ist damit insgesamt unglaubhaft.
Datums- und umstandsgenaue Angaben zu den behaupteten Gefahren, insbesondere zu den die Ausreise verursachenden Umständen, fehlen. Das Vorbringen ist insoweit durchweg substanzlos und oberflächlich geblieben. Damit ist es in der Tat unglaubhaft.
Soweit der Kläger im Asylverfahren in der Sache die Behauptung wiederholt hat, in Ungarn keinen Asylantrag gestellt zu haben, entspricht dieses Vorbringen offenkundig nicht den Tatsachen. Durch den EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (HU1330013408929) ist belegt, dass der Kläger auch dort einen Asylantrag gestellt hat.
Insbesondere hinsichtlich der geltend gemachten Gefahren durch Boko Haram und den Biafra-Konflikt liegen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes offensichtlich nicht vor.
Mit einer die Klageabweisung als offensichtlich unbegründet rechtfertigenden Sicherheit geht von Boko Haram nicht einmal im Bundesstaat Borno die Gefahr eines ernsthaften Schadens für Zivilpersonen wie den Kläger aus. Zudem besteht jedenfalls die Möglichkeit internen Schutzes (vgl. nur VG München, U.v. 28.2.2018 – M 21 K 17.41757 – juris), auf die sich der Kläger jedenfalls hinreichend gesichert verweisen lassen muss.
Das gilt erst recht für den weitaus weniger intensiven Biafra-Konflikt, zu dem der Kläger auch keinen ersichtlichen persönlichen Bezug hat. Nach Angaben von Amnesty International sind zwischen 2015 und 2016 150 – meist friedliche -Biafra-Aktivisten in Auseinandersetzungen mit dem Militär ums Leben gekommen, wenn auch nach Einstufung von IPOB als terroristische Vereinigung damit gerechnet werden muss, dass der Sicherheitsapparat nun rigoroser gegen IPOB-Mitglieder vorgehen wird (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2017, S. 9; 19).
Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, insbesondere Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings ausnahmsweise mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben (vgl. zu all dem nur Lagebericht 2017, S. 18).
Einen solchen, engen Ausnahmefall kann der Kläger, der nach eigenem Vortrag jedenfalls noch seine Großfamilie in Nigeria hat, offensichtlich nicht für sich in Anspruch nehmen. Er hat eine gute Schulbildung und er war jedenfalls in verschiedenen Ländern, in denen er sich auf seinem Weg nach Europa aufgehalten hat, jeweils in unterschiedlicher Weise beruflich tätig. Er hat somit als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann nicht zuletzt durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann. Somit ist der Kläger jedenfalls auch auf andere Landesteile als Ogun State zu verweisen.
Der Kläger hat nach den vorstehenden Darlegungen auch offensichtlich keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, insbesondere des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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