Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag

Aktenzeichen  M 4 S 17.32782

Datum:
2.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29a Abs. 1, Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1, Abs. 4 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Gegen Bedrohungen durch die Familie oder andere nichtstaatliche Akteure steht einem Rückkehrer im Senegal in den Großstädten eine inländische Fluchtalternative und damit interner Schutz iSd § 3e AsylG zur Verfügung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. … wird sowohl hinsichtlich des Eilverfahrens Az.: M 4 S 17.32782 als auch hinsichtlich der Klage Az.: M 4 K 17.32780 abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller, der sich als ein am … Januar 1993 geborener senegalesischer Staatsangehöriger vom Volk der Mandingo ausgibt, ohne allerdings seine Identität auch nur glaubhaft machen zu können, stellte am 5. Januar 2015 in Deutschland Asylantrag. In seiner Erstanhörung am *. Januar 2015 gab er an, sein Heimatland am … Oktober 2010 verlassen zu haben und über die Sahararoute nach Libyen gereist zu sein, wo er etwa drei Jahre verbracht habe. Über das Mittelmeer sei er dann nach Italien und nach ca. neun Monaten mit dem Zug nach Deutschland weitergereist. Die Ersterfassung als Asylbewerber erfolgte bereits im November 2014. Am … Januar 2015 wurde ein Dublin-Verfahren hinsichtlich Italien eingeleitet, nachdem der Kläger dort bereits am 4. März 2014 Asyl beantragt hat. Am 26.März 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Ein dagegen angestrengtes gerichtliches Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO endete für den Antragsteller zunächst negativ (B. v. 26.10.2015, M 9 S. 15.50828). Der Dublin-Bescheid wurde jedoch mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2015 wegen Ablaufs der Überstellungsfrist rechtskräftig aufgehoben.
Bei seiner persönlichen Anhörung am … Dezember 2015 gab der Antragsteller zur Begründung seines Asylantrags im Wesentlichen an, er sei im Senegal verhaftet worden, man habe ihm den Personalausweis abgenommen. Seine Geburtsurkunde sei bei seinem Vater verblieben. Er sei abends von Rebellen gefangen genommen worden. Mit seinem Vater und einem Vertrauten habe er gerade die Koranschule verlassen. Man habe ihnen die Augen verbunden, sie in ein Auto gesteckt und in den Wald gebracht. Er sei von den anderen getrennt worden. Dann habe man ihm gesagt, er sei jetzt bei den Rebellen. Er habe eine Mitgliedskarte unterschreiben sollen. Er sei mit dem Tod bedroht worden. Er habe sich geweigert zu unterschreiben und er sei dann eingesperrt worden. Schließlich sei ihm die Flucht gelungen. Ein alter Mann habe ihm geholfen, mit einem Lastwagen das Land zu verlassen. Er habe gehört, dass man ihn getötet habe. Er habe auch Kämpfe gesehen. Beim Bäume fällen habe er das gesehen, wie Leute erschossen worden seien. Dann habe er sich auf den Boden gelegt. Bei der Polizei sei er nicht gewesen.
Am … April 2016 wurde der Antragsteller von Österreich mit der S-Bahn kommend bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland durch eine Streife der Bundespolizei … aufgegriffen, er konnte sich lediglich mit einer Aufenthaltsgestattung, gültig bis … April 2016 und damit ungültig, ausweisen. Der Antragsteller erklärte hierzu, er habe nach … fahren wollen und den falschen Zug erwischt. In … habe er einen Freund besuchen wollen. Die Adresse habe er jedoch nicht. Er habe ihn nur über Facebook kennengelernt. Bei der Frage, ob der Antragsteller der Bundespolizei den Kontakt über Facebook auf seinem Handy zeigen könne, gab der Antragsteller an, auf diesem Handy sei der Kontakt nicht, er sei auf einem anderen Handy. Er habe zwei Handys. Den Kontakt mache er über ein Internetcafé. Ihm wurde eine sog. Anlaufbescheinigung zur unverzüglichen Meldung bei der für ihn zuständigen Ausländerbehörde Landratsamt … ausgehändigt. Die Bescheinigung war gültig bis … April 2016.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller keine schutzwürdigen Belange angegeben habe. Beim Senegal handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Mit Telefax vom 13. Februar 2017 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid (Az.: M 4 K 17.32780) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Der Vortrag des Antragstellers enthält keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Dies gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes im Sinne der §§ 4 ff. AsylG. Jedenfalls ist der Kläger auf einen Umzug innerhalb des Senegals zu verweisen (vgl. §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG).
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Auch ist in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zudem mittlerweile ausdrücklich geregelt, dass nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss.
Das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei Rückkehr kann beim Antragsteller mit Verweis auf die schon getätigten Ausführungen nicht angenommen werden.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
4. Aus den o.g. Gründen war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … abzulehnen, da die Rechtsverfolgung sowohl hinsichtlich des Eilantrags als auch hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens keinen Erfolg verspricht, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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