Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag einer Familie aus dem Kosovo

Aktenzeichen  M 5 S 16.30965

Datum:
17.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 36
AufenthG AufenthG § 60

 

Leitsatz

Gegenüber kriminellen Übergriffen privater Dritter ist der kosovarische Staats nach aktueller Erkenntnislage grundsätzlich schutzwillig und schutzfähig. (red. LS Clemens Kurzidem)
Droht einem kosovarischen Asylbewerber die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe (wegen Schmuggels), liegt hierin keine Verfolgung wegen asylerheblicher Merkmale sondern stellt di Maßnahme eine Ahndung kriminellen Unrechts dar. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind kosovarische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten nach eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hier am 13. März 2015 Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab die Antragstellerpartei im Wesentlichen an, sie hätten den Kosovo verlassen, da der Antragsteller zu 1 Waren geschmuggelt habe und von Dritten beschuldigt worden sei, mit den Serben zusammenzuarbeiten. Diese Leute hätten die Familie bedroht, die Kinder auch geschlagen und kurzzeitig entführt. Die Polizei habe erfolglos ermittelt. Die Antragstellerin zu 2 ergänzte, dass der Antragsteller zu 1 wegen Schmuggel verurteilt worden sei und ab April 2015 eine Ersatzfreiheitsstrafe für die verhängten Geldstrafen antreten sollte. Die Antragstellerin zu 2 leide an einer Depression, die Antragstellerin zu 5 an einer chronischen Obstipation. Beide hätten sich deswegen im Krankenhaus befunden, die Antragstellerin zu2 sogar über einen längeren Zeitraum. Zwischenzeitlich sei sogar eine Drohung gegen den Antragsteller zu 1 an die Wand seines Hauses geschmiert worden.
Mit Bescheid vom 10. März 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragstellerpartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 10 bzw. 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen, da die Antragstellerpartei keine Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat oder zu berücksichtigende schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten habe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, insbesondere sei weder von der albanischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte eine unmenschliche Behandlung zu erwarten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Notwendige medizinische Versorgung sei im Kosovo verfügbar.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerpartei am 3. Mai 2016 Klage (ausgenommen die Anerkennung als Asylberechtigte) und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Da die Antragstellerpartei die Antragsfrist unverschuldet nicht eingehalten habe, werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmä-ßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Das Gericht unterstellt die Zulässigkeit des Antrags im Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Eilantrag. Denn in den vorgelegten Akten des Bundesamtes ist die Postzustellungsurkunde für den Bescheid vom 10. März 2016 nicht eingefügt. Auch ansonsten ist diese Urkunde bislang nicht vorgelegt worden. Auch die Antragstellerpartei hat kein genaues Zustelldatum genannt. Da nach derzeitigem Stand das Zustelldatum des Bescheids nicht feststeht, ist von der Zulässigkeit des Antrags auszugehen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Antragsfrist geht daher – jedenfalls derzeit – ins Leere.
2. Der Antrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
3. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
a) Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragstellerpartei nicht erkennbar. Dies begründet keine Verfolgung im Sinne von Art. 16 a GG oder § 3 AsylG. Der kosvarische Staat ist grundsätzlich schutzbereit und -fähig gegenüber kriminellen Übergriffen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9. Dezember 2015). Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG). Soweit die Antragstellerin zu 2 eine drohende Ersatzfreiheitsstrafe für den Antragsteller zu 1 anführt, stellt das die Bekämpfung kriminellen Unrechts durch den kosovarischen Staat und keine Verfolgung wegen eines asylerheblichen Merkmals dar.
b) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die für die Antragstellerinnen zu 2 (Depression) und 5 (chronische Obstipation) angegebenen Erkrankungen können im Kosovo behandelt werden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9. Dezember 2015).
Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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