Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag eines Äthiopiers

Aktenzeichen  AN 3 S 16.30456

Datum:
9.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG §§ 15 II Nr. 3, 30 III Nr. 5, 36 III 4, 77 I 1
GG GG Art. 16a IV

 

Leitsatz

Es bestehen keine erstlichen Zweifel an der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet, wenn der Asylsuchende einen Termin zur Anhörung unentschuldigt nicht wahrnimmt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
wird abgelehnt.
4. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR.

Gründe

Der nach eigenen Angaben im Jahr 1986 geborene Antragsteller ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er reiste am 3. November 2013 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von Österreich kommend ein. Am 3. Dezember 2013 stellte er einen Asylantrag. Im Rahmen des Fragenkatalogs zur Identitätsklärung am 14. November 2013 erklärte der Kläger, er habe am 28. Oktober 2007 Äthiopien verlassen. Er sei vom Flughafen Addis Abeba nach Montenegro geflogen und sei danach mit dem Zug nach Serbien gereist, wo er sich ein Jahr und vier Monate aufgehalten habe. Am 22. Juli 2009 sei er mit einem Reisebus nach Ungarn gefahren. Dort habe er einen Asylantrag gestellt. Er habe sich vier Jahre in Ungarn legal aufgehalten. Am 2. November 2013 sei er sodann von Ungarn über Österreich nach Deutschland gefahren.
Zu den Verhältnissen in Äthiopien trug er in der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsylG am 4. Dezember 2013 vor, er sei mit der Regierung in seinem Heimatland nicht zufrieden gewesen, er habe immer Probleme mit der Polizei gehabt. Er habe die Möglichkeit zur Flucht genutzt, als er im Jahre 2007 mit einer Gruppe zu einem sportlichen Wettkampf als Marathonläufer ausgereist sei und habe sich nach Montenegro gemeinsam mit fünf weiteren Sportlern abgesetzt. Dies sei bereits in Äthiopien geplant gewesen. Sein Asylantrag in Ungarn sei abgelehnt worden.
Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Juni 2015 (AN 3 K 14. 30330) wurde der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2014, mit dem der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt und seine die Abschiebung nach Ungarn angeordnet wurde, aufgehoben. Daraufhin führte die Beklagte das Asylverfahren des Antragstellers im nationalen Verfahren fort.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015, das an den Prozessbevollmächtigten des Klägers versandt wurde, wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass am 26. Januar 2016 um 8:00 Uhr der Termin zur persönlichen Anhörung anberaumt sei. Mit Schreiben vom 27. Januar 2016, das an den Prozessbevollmächtigten des Klägers versandt wurde, wurde diesem mitgeteilt, dass der Antragsteller den anberaumten Termin zur persönlichen Anhörung beim Bundesamt ohne genügende Entschuldigung nicht wahrgenommen habe. Es wurde Gelegenheit gegeben, innerhalb eines Monats nach Zugang des Schreibens schriftlich sowohl zu den Asylgründen als auch zu den Gründen, die der Rückkehr des Antragstellers nach Äthiopien entgegen stünden, Stellung zu nehmen. Es wurde dazu aufgefordert, die Tatsachen vorzutragen, die im Rahmen des
§ 11 Abs. 2 bzw. § 11 Abs. 7 AufenthG als schutzwürdige Belange des Antragstellers zu berücksichtigen wären.
Mit Bescheid vom 21 April 2016, der ausweislich eines Aktenvermerks als Einschreiben am 22. April 2016 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zur Post gegeben wurde, lehnte die Beklagte den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 2), lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziffer 3), stellte fest, dass
Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorlägen
(Ziffer 4), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, drohte dem Antragsteller für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder zur Rückübernahme bereiten Staat an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise-und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei kein Flüchtling und kein subsidiär Schutzberechtigter, denn er habe eine begründete Furcht vor Verfolgung oder die Drohung eines ernsthaften Schadens nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere habe er gemäß
§ 25 Abs. 1 AsylG nicht selbst die Tatsachen vorgetragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen könnten und habe nicht die erforderlichen Angaben gemacht. Der Antragsteller sei augenscheinlich desinteressiert an der Weiterführung des Asylverfahrens. Dies lasse eine Verfolgungsfurcht oder einen ernsthaften Schaden im Heimatland unglaubhaft erscheinen. Einem tatsächlich Bedrohten müsse es sich geradezu aufdrängen, die Behörden des Landes, in dem er einen Asylantrag stelle, über sein Schicksal zu informieren. Dies habe der Antragsteller in Verletzung seiner Mitwirkungspflichten schuldhaft unterlassen. Sein Verhalten sei ein deutliches Indiz dafür, dass er bislang Verfolgungshandlungen oder einen ernsthaften Schaden seitens seines Herkunftslandes oder eines anderen Akteurs nicht erlitten habe. Demzufolge bestehe weder ein Anlass für eine begründete Furcht vor Verfolgung, noch stichhaltige Gründe für einen drohenden ernsthaften Schaden.
Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG werde der Asylantrag des Antragstellers außerdem als offensichtlich unbegründet abgelehnt, weil der Antragsteller seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 AsylG verletzt habe. Hinweise auf relevante Entschuldigungsgründe seien nicht ersichtlich.
Im Rahmen der Befristung des gesetzlichen Einreise-und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde ausgeführt, dem Antragsteller sei die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben worden, wozu er sich nicht geäußert habe. Aus dem beschriebenen Desinteresse an der Weiterführung des Asylverfahrens ließe sich ebenfalls schließen, dass er keine schutzwürdigen Belange vorzutragen habe, die bei der Befristung des Einreise-und Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen wären.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller Klage erheben (AN 3 K 16.30457), die am
29. April 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging.
Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung
anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat bislang keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden-und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Streitgegenstand ist wegen der insoweit eindeutigen Formulierung des Antrags in Ziffer V des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 29. April 2016 ausschließlich die in Ziffer 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 21. April 2016 ausgesprochene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung. Mit dem Antrag wird nicht begehrt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Befristung des Einreise-und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 2, 1 AufenthG anzuordnen, § 36 Abs. 3 Satz 4 AsylG in der Fassung vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722).
Der Antrag, die gemäß § 75 AsylG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Antrag hat keinen Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 – Rn. 98). Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet kann vor Gericht daher nur dann Bestand haben, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Auffassung die Abweisung des Begehrens sich dem Gericht geradezu aufdrängt. Aus den Gründen des Bescheides muss sich dabei klar ergeben, weshalb das Bundesamt zu dem Ergebnis kommt, dass die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Asylanerkennung nicht nur schlicht, sondern offensichtlich unbegründet sind. Ferner dürfen keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass kein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes besteht und nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (vgl. BVerfG, U. v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris m. w. N.).
Aus dem Vorbringen des Antragstellers, der sich seit November 2013 im Bundesgebiet aufhält, ergeben sich im bisherigen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen von Verfolgungsgründen im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG oder des § 3 Abs. 1 AsylG.
Es fehlt bislang auch völlig an Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG oder zum Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
Deswegen hat die Antragsgegnerin, nachdem der Antragsteller den Termin zur persönlichen Anhörung im Asylverfahren ohne wichtigen Grund unentschuldigt nicht wahrgenommen und auch nachträglich keinerlei Erklärungen hierzu abgegeben hat, den Asylantrag des Antragstellers (§ 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG) auf Grundlage des § 30 Abs. 3 Nr. 5, § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG
zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO nicht erfüllt sind, nachdem keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz RVG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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