Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag eines nigerianischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 21 K 17.41722

Datum:
28.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2804
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 3
AsylG § 3, § 3a, § 3e, § 4, § 34 Abs. 1
AufenthG § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Hat das Bundesamt einen Asylantrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt, bedarf die Darlegung, worauf das Verwaltungsgericht eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet im Einzelnen stützt, besonderer Sorgfalt (vgl. BVerfG BeckRS 2007, 20179). (Rn. 14) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Wendet ein Asylbewerber auf den Vorhalt unterbliebenen Sachvortrags beim Bundesamt lediglich ein, er habe im Rahmen der Anhörung nur auf gestellte Fragen geantwortet, erweist sich dieser Vortrag regelmäßig als unglaubhaft und geht an der Realität der persönlichen Mitwirkungspflichten eines Asylbewerbers nach §§ 15, 25 Abs. 1, Abs. 2 AsylG vorbei. Es obliegt dem Asylbewerber vielmehr bei der Bundesamtsanhörung als dem Kernstück des Asylverfahrens von sich aus insbesondere die Tatsachen vorzutragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen und die erforderlichen Angaben zu machen. (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Der Verweis auf internen Schutz in einem anderen Landesteil Nigerias kann ausnahmsweise mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben. (Rn. 20) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zwar zulässig, aber insgesamt offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids vom 16. Mai 2017 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Das Vorbringen des Klägers ist in wesentlichen Punkten nicht substantiiert. Schon deswegen wäre es bereits Sache des Bundesamts gewesen, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Davon unabhängig ist der Kläger auch jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz (§ 3e AsylG) zu verweisen.
Im Kern hat der Kläger familiäre Probleme wegen des angeblich angesichts seiner behaupteten Konversion zum Christentum auf ihn ausgeübten Zwangs, Priester des traditionellen Glaubens „Ovia“ zu werden, geltend gemacht.
Wenn dieses Vorbringen der Wahrheit entspräche, hätte der Kläger bereits in der Bundesamtsanhörung insbesondere genau angeben können und müssen, welche konkreten Umstände ihn zur angeblichen Konversion zum Christentum veranlasst haben. Dazu war der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage. Stattdessen hat er insbesondere lapidar ausgeführt, sich in das Christentum verliebt zu haben und als Ausflucht für den unterbliebenen Vortrag beim Bundesamt vorgetragen, dort nur auf gestellte Fragen geantwortet zu haben. Dieser stereotype Vortrag vieler Asylkläger ist regelmäßig unglaubhaft und geht an der Realität der persönlichen Mitwirkungspflichten des Asylbewerbers nach §§ 15, 25 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG vorbei. Der Asylbewerber hat insbesondere in der Bundesamtsanhörung als Kernstück des Asylverfahrens von sich aus insbesondere die Tatsachen vorzutragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schaden begründen und die erforderlichen Angaben zu machen.
Davon unabhängig ist der Kläger auch jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz (§ 3e AsylG) zu verweisen.
Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, insbesondere Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings ausnahmsweise mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben (vgl. zu all dem nur Lagebericht des Auswärtigen Amts zur Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2016, S. 17).
Einen solchen, engen Ausnahmefall kann der Kläger offensichtlich nicht für sich in Anspruch nehmen. Er hat als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann nicht zuletzt durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann. Somit ist er jedenfalls auf einen anderen Landesteil als B. City zu verweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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