Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag wegen Identitätstäuschung

Aktenzeichen  M 4 S 16.33156

Datum:
5.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

Bei Vorlage einer gefälschten ID-Karte ist der Asylantrag wegen Identitätstäuschung iSv § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG offensichtlich unbegründet. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Antrag auf Proesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem unter anderem sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.
Der Antragsteller gibt an, irakischer Staatsangehöriger mit aramäischer Volks- und aramäisch-orthodoxer Religionszugehörigkeit zu sein und reiste eigenen Angaben zufolge am … September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 21. Januar 2016 einen Asylantrag.
Bei seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt am 31. Mai 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er 2004 mit seiner Familie wegen des Krieges im Irak nach Syrien gegangen sei. Wegen des dortigen Krieges sei er 2010 in den Irak zurückgekehrt. Er habe bis zum … August 2015 mit seiner Mutter, Schwester sowie der Tante mütterlicherseits mit deren Familie in der Stadt … gelebt. Er habe im Irak keinen Reisepass beantragen können, weil dann als Religion Moslem darin gestanden hätte. Das habe er als Christ nicht gewollt. Ein weiterer Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass der Islamische Staat nur noch zehn Minuten von … entfernt gewesen sei. Er persönlich habe jedoch noch kein konkretes Problem gehabt. Er habe sich aber aus … nicht hinausbewegen können, da er keinen Reisepass gehabt habe. Sein Personalausweis sei auch abgelaufen gewesen. Bei der jeweiligen Verlängerung hätte er Moslem als Religion eintragen lassen müssen. Auch könne er sich nicht aus … herausbewegen, weil es als Christ gefährlich sei, zu reisen. Als er einmal mit seiner Schwester im Jahr 2004 auf dem Heimweg gewesen sei, habe ein verschleierter Mann sie mitnehmen wollen. Er vermute, dass dies sein Vater gewesen sei. Er habe Angst, in den Irak zurückzukehren. Er habe Angst, dass man ihn bei seiner Ankunft nach … schicken würde, da er keine Papiere habe. Hinzu komme, dass die kurdische Armee junge Männer einziehen wolle. Wenn sie aber sähen, dass er kein Kurde sei, würden sie ihn nach … schicken und dort würde er für die irakische Armee kämpfen müssen. Momentan gäbe es im Irak eigentlich keine Regierung, jeder kämpfe gegen jeden. Im Übrigen wird auf das Protokoll über die Anhörung verwiesen.
Mit Schreiben vom 3. Juni 2016 übermittelte der Vormund des Klägers Dokumente seines Mündels im Original, darunter eine ID-Karte sowie eine Geburts- und Taufurkunde (Blatt 50 der Behördenakte). Das Bundesamt veranlasste eine physikalisch-technische Untersuchung der Dokumente (Blatt 54 der Akte). Diese ergab, dass die ID-Karte keine UV-Licht Reaktion zeigte sowie weder Bild noch Siegel enthielt. Sie wurde deshalb als Totalfälschung bewertet (Blatt 55, 57 der Akte).
Mit Bescheid vom 12. September 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes -AufenthG- nicht vorliegen (3.). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Irak oder ein einen anderen Staat abgeschoben, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (4.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (5.). Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass die zur Feststellung der Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte für religiöse Minderheiten in der Kurdischen Region derzeit generell nicht gegeben sei und im vorliegenden Einzelfall nicht festgestellt werden könne. Auch drohe dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Arbil in der Region Kurdistan aufgrund der dortigen Situation keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund willkürlicher Gewalt. Der Antragsteller habe auch keine persönlichen Gründe vorgetragen, die die Gefahr für ihn so erhöhten, dass von einer individuellen konfliktbedingten Gefahrenlage gesprochen werden könne. Der Asylantrag werde zudem als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 Asylgesetz -AsylG- sei ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täusche oder diese Angaben verweigere. Im Übrigen wird auf die Begründung im Bescheid verwiesen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schriftsatz vom 22. September 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage (Az. M 4 K 16.33155) und beantragte gleichzeitig nach § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. September 2016, zugegangen am 16. September 2016, enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers begründete den Antrag damit, dass der Antragsteller irakischer Staatsangehöriger aramäischer Volks- und aramäisch-orthodoxer Religionszugehörigkeit sei.
Die Antragsgegnerin legte am 28. September 2016 die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten im Klage- und Eilverfahren sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 22. September 2016 bleibt ohne Erfolg. Auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.).
Anknüpfungspunkt für die Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt: Die Tatsache, dass der Antragsteller nach Aktenlage im Asylverfahren eine gefälschte ID-Karte vorgelegt hat, spricht für eine Identitätstäuschung durch den Antragsteller im Sinne von § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG. Das Gericht hat insofern keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung.
2. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 114 ZPO nicht vorliegen. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers lag dem Gericht zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Darüber hinaus hatte der Antrag – wie bereits erläutert – auch keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben