Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag wegen innerstaatlicher Fluchtalternativen in Mali

Aktenzeichen  M 21 S 17.38500

Datum:
20.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4, § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a Abs. 4 S. 1
StGB StGB § 145d
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Trägt ein malischer Asylantragsteller als Asylgrund vor, er habe mit einem 12-jährigen Mädchen geschlafen und dieses sei in der Folge gestorben, ohne indes hierzu umstands- und datumsgenaue Angaben zu machen, erweist sich ein Vortrag als in wesentlichen Punkten unsubstantiiert und sein hierauf gegründeter Asylantrags als offensichtlich unbegründet. (Rn. 18 – 20) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Nach aktuellem Erkenntnisstand besteht im Süden Malis, insbesondere in der näheren Umgebung von Bamako, die Möglichkeit internen Schutzes. (Rn. 22 – 25) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach letzten eigenen Angaben ein lediger, in Koli geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens vom Volk der Bambara.
Er stellte am 1. Juli 2015 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (kurz: Bundesamt) in München einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in München am 24. Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, bis zur Ausreise habe er im Stadtteil Koli in Sikasso gelebt. Von Mali sei er am 27. Februar 2012 nach Algerien und dann am 23. April 2015 in das Bundesgebiet eingereist. Im Heimatland habe er noch seine Mutter, seine Schwester, einen Bruder und seine Familie. Er habe als Farmer gearbeitet. Damit habe er sich seinen Lebensunterhalt finanzieren können. Er habe ein erst zwölf Jahre altes Mädchen namens Lala aus dem Nachbardorf kennengelernt. Er habe sich in sie verliebt und sie hätten miteinander geschlafen. Dadurch hätten sie Probleme bekommen. Sie hätten miteinander gelebt. Ihre Blutungen hätten nicht aufgehört. Er sei deswegen für sie zum Arzt gegangen. Nachdem er zurückgekommen sei, sei sie verstorben gewesen. Weil sie verstorben sei, habe er das Dorf verlassen. In einen anderen Landesteil könne er nicht gehen. Ein Freund habe ihm gesagt, dass die Polizei ihn suchen werde. Bis jetzt habe er keine Probleme mit der Polizei in Mali gehabt. Auf die Frage, wo er mit dem Mädchen zusammen gelebt habe, antwortete der Antragsteller, er habe mit ihr nicht zusammengelebt. Sie sei nach ihrem Geschlechtsverkehr verstorben.
Mit Bescheid vom 19. April 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Vorbringen sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung, noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Nach seinem Vortrag drohe dem Antragsteller nur die Ahndung kriminellen Unrechts. Es sei ihm zuzumuten, sich einem derartigen Ermittlungsverfahren zu stellen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, welche die Annahme rechtfertigten, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden drohe. Die Todesstrafe sei in Mali in der Praxis abgeschafft. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 28. April 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 aufzuheben und festzustellen, dass für ihn die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, festzustellen, dass der subsidiäre Schutzstatus vorliegt und festzustellen, dass für ihn Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Über die Klage (M 21 K 17.38497) ist noch nicht entschieden.
Zudem ließ der Antragsteller am 28. April 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Zur Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 28. April 2017 im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe bei einer Rückführung nach Mali nach entsprechender Verurteilung den Tod zu erwarten. In Mali seien Ende 2016 53 Personen zum Tode verurteilt worden. Dort herrsche zudem Bürgerkrieg. Islamistische Gruppierungen seien dort landesweit aktiv. Für den Antragsteller bestehe die Gefahr, von ihnen zwangsrekrutiert zu werden. Wegen seiner gesundheitlichen Situation sei eine Rückführung nach Mali ebenfalls nicht möglich. Wegen Blinddarm und urologischen Eingriffen sei er in ärztlicher Behandlung gewesen. Die ärztlichen Stellungnahmen würden nachgereicht. Seine körperlichen Leiden seien in Mali nicht behandelbar.
Durch Schriftsatz vom 26. Mai 2017 ließ der Antragsteller diese Antragsbegründung als Klagebegründung wiederholen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Der unbegründete Asylantrag ist auch deshalb als offensichtlich unbegründet abzulehnen, weil das Vorbringen in wesentlichen Punkten nicht substantiiert und in sich widersprüchlich ist (§ 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Wenn der Antragsteller wirklich mit einem zwölfjährigen Mädchen mit Todesfolge geschlafen hätte, hätte er in der Bundesamtsanhörung zu dieser Tat umstands- und datumsgenaue Angaben machen können und müssen, die ihn dann wiederum wegen dieser Tat der Gefahr der Bestrafung in der Bundesrepublik Deutschland ausgesetzt hätten (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB). Nach dem vorliegenden Einlassungsverhalten des Antragstellers kommt für ihn dagegen eine Strafbarkeit § 145d StGB in Betracht, wie dem Gericht mittlerweile aus anderen vergleichbaren Fällen bekannt ist.
Davon abgesehen hat der Antragsteller schon nichts zu einer konkreten Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder zum Erlass eines Haftbefehls in Mali gegen ihn vorgetragen.
Abgesehen von der Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens muss sich der Antragsteller auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher (vgl. nur http://www.refworld.org/pdfid/59d388b84.pdf) als auch staatlicher (vgl. nur https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf) und nichtstaatlicher Stellen (vgl. nur https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/mali) jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen (§ 3e AsylG).
Im Vergleich zum Bericht des Generalsekretärs des Sicherheitsrats der UN über die Lage in Mali im Juni 2017 haben sich die politische und die Sicherheitslage dort zum Zeitpunkt Ende September 2017 verschlechtert. Die UN berichten allerdings in diesem Zusammenhang von einer Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen den bewaffneten Signatarkräften in Nordmali, wachsender Unsicherheit im Zentrum des Landes und steigender politischer Unruhe im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsprozess, der zu einer verspäteten Umsetzung des Abkommens geführt habe. Für die Region Kidal wird von einer Verschlechterung der Sicherheitslage berichtet. Asymmetrische Angriffe gegen internationale Kräfte seien insbesondere in den Regionen Gao, Kidal und Timbuktu zu verzeichnen. Die Sicherheit von Zivilisten habe sich in den Gegenden um Ménaka und Mopti verschlechtert.
Dementsprechend wird vom Außenministerium der Vereinigten Staaten festgehalten, für Teile des Nordens und des Zentrums des Landes werde insbesondere von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche, extremistische Organisationen berichtet. Die Truppen der Regierung und der Französischen Republik hätten jedoch dort verschiedene Terrorgruppen bekämpft. Angriffe durch bewaffnete Gruppen, welche die Vereinbarung von 2015 unterzeichnet hatten, seien im Berichtszeitraum 2016 sporadisch und örtlich begrenzt gewesen. Terroristische Gruppen hätten ihre Aktivitäten (nur) im Norden und zentralen Teilen des Landes fortgesetzt. Die Regierung habe nicht genügend Ressourcen gehabt, um diese Fälle im Norden (allein) zu verfolgen und zu untersuchen.
Auch Amnesty International berichtet Stand 19. Mai 2017, die Instabilität habe in Mali vom Norden auf das Landesinnere übergegriffen. Es habe immer mehr bewaffnete Gruppierungen gegeben, die Anschläge verübten. Die Stadt Kidal im Norden des Landes sei von bewaffneten Gruppen kontrolliert worden. In Gao und Ménaka sei die Versorgung mit humanitärer Hilfe durch Entführungen seitens bewaffneter Gruppen behindert worden.
Bei dieser Lage muss sich der Antragsteller hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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